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Suizid: Warum ist die Suizidrate im Allgäu so hoch?

Suizid

Warum ist die Suizidrate im Allgäu so hoch?

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    Im Oberallgäu ist die Suizidrate auffällig hoch. Warum, soll jetzt herausgefunden werden. Symbolbild
    Im Oberallgäu ist die Suizidrate auffällig hoch. Warum, soll jetzt herausgefunden werden. Symbolbild Foto: Alexander Kaya

    Deutlich mehr Menschen sterben hierzulande durch die eigene Hand als durch Verkehrsunfälle, Mord und Totschlag, illegale Drogen und Aids zusammen. Ausgerechnet im schönen Bayern liegt die Suizidrate vergleichsweise hoch. Auffällig ist dazu seit Jahren eine Häufung der Fälle im Bereich Kempten/Oberallgäu. Die Ursachen sind unklar. Wissenschaftler untersuchen nun 600 Allgäuer Suizide aus den vergangenen zehn Jahren, um Zusammenhänge zu klären. Gleichzeitig will die evangelische Kirche mehr vorbeugen.

    Seelsorger soll Suizidprävention koordinieren

    Ab 1. Juni soll ein Seelsorger die Suizidprävention im Allgäu koordinieren. Bisher seien die Wartezeiten für Menschen, die nicht mehr weiter wissen, mit bis zu drei Monaten zu lang. „Ziel ist eine Beratung innerhalb von 24 Stunden“, sagte am Montag der evangelische Dekan Jörg Dittmar bei der Vorstellung des Projekts. Auf sieben Jahre ist es zunächst ausgelegt. Die halbe Pfarrers-Stelle finanziert die Landeskirche. Kooperationspartner sind das Bezirkskrankenhaus (BKH) Kempten und das Diakonische Werk, eingebunden ist die Kriminalpolizei.

    Deren Beamte sind häufig gefragt, wenn es darum geht, Licht in sogenannte „unklare Todesfälle“ zu bringen. Nicht immer weisen Abschiedsbriefe oder medizinische Vorgeschichten auf Selbsttötungen hin. In Gesprächen mit oft traumatisierten Angehörigen beleuchten die Ermittler die näheren Umstände – enorm belastend für alle Beteiligten, wie Erster Kriminalhauptkommissar Norbert Bernhard berichtete. Eheleute, Kinder, Eltern kämpften in ihrer Trauer auch gegen Selbstvorwürfe oder Schuldzuweisungen.

    Häufiger Grund für Suizid: Psychische Erkrankungen

    Was aus solchen Untersuchungen seit 2003 in den Akten gelandet ist, analysieren nun Spezialisten – unter anderem der Leiter des BKH Kempten, Professor Peter Brieger. Bisher gibt es nämlich keine griffigen Hinweise darauf, warum beispielsweise die Wertachbrücke im südlichen Oberallgäu oder die Brücke beim Westallgäuer Grünenbach überdurchschnittlich viele Menschen anziehen, die ihrem Leben ein Ende setzen wollen. Psychische Erkrankungen spielten wohl häufig eine Rolle, dazu kommt die Altersstruktur in der Region: Dort wohnen relativ viele Ältere.

    Fakten zum Suizid

    Dreimal so viele Männer wie Frauen nehmen sich das Leben.

    Die Zahl der Suizide innerhalb von Bevölkerungsgruppen steigt mit dem Alter.

    Vereinsamte Senioren gelten als besonders suizid-gefährdet.

    Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sterben jedes Jahr bundesweit rund 10.000 Menschen durch Suizid.

    In Bayern nahmen sich 2012 gut 1700 Menschen das Leben.

    Anhand der Suizidrate wird festgestellt, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner einer Region den Freitod wählen. Für Deutschland lag dieser Wert zuletzt etwa bei zehn, in Bayern bei 13,5.

    In Kempten und dem Oberallgäu gab es in den vergangenen Jahren reihenweise Ausreißer der Suizidrate nach oben mit Werten über 21.

    Vom Erfolg der Vorbeugung sind die Macher überzeugt. Langzeitstudien hätten belegt, dass 95 Prozent derjenigen, die einmal von ihrer Todessehnsucht kuriert wurden, 20 Jahre später noch leben. „Da können wir enorm viel Leid von den Familien abwenden“, stellt Dekan Dittmar fest. „Kirchlich gesprochen: eine Verheißung.“

    Suizid ist kein Tabuthema mehr

    In den vergangenen Jahren ist es bereits gelungen, die Suizidraten bundesweit zu halbieren. Sich helfen zu lassen, ist kein Tabu mehr. Die Gesellschaft sei sensibilisiert – nicht zuletzt durch prominente Opfer psychischer Erkrankungen wie im November 2009 der frühere Bundesliga-Torwart Robert Enke. Auch die Kirchen hätten einen barmherzigen Umgang mit den Verzweifelten gelernt – weg von Todsünde und ewigem Verlorensein. Die Botschaft laute: „Niemand fällt tiefer als in Gottes Hand.“ Auch das kann Hinterbliebenen ein Trost sein.

    Eng zusammenarbeiten soll der neue Seelsorger etwa mit der Notfallseelsorge und dem sozialpsychiatrischen Dienst. Und er soll Mitstreiter hinter sich scharen, etwa in den Kommunen. Sie sind zuständig für die teure Sicherung von „Hotspots“ der Suizidgefährdeten. Die Frage laute indes: „Was ist die Verhinderung eines Selbstmords wert?“

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