Es ist ein ungewöhnliches Bild. Eine Gruppe von Anwälten trifft sich vor dem Gebäude des Oberlandesgerichts (OLG) München. Es sind Verteidiger der beiden prominentesten Angeklagten im NSU-Prozess, Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben. Bis auf Zschäpes Neu-Anwalt Mathias Grasel sind alle Raucher. Zigarettenpausen vor der Tür sind im NSU-Prozess normal. Aber Grasel und Zschäpe-Alt-Anwalt Wolfgang Stahl gemeinsam in einer Gruppe mit den Wohlleben-Verteidigern - das war vorher noch nie zu sehen.
Das Bild entstand am vergangenen Dienstag, als es noch hieß, Zschäpe werde eine "umfassende" Aussage verlesen lassen. Die war für den Folgetag geplant und mit großer Spannung erwartet worden. Alles mögliche wurde vermutet: Es könne um die Rolle von Helfern oder sogar noch unbekannten weiteren mutmaßlichen NSU-Terroristen gehen, um Einzelheiten zu der Serie von zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen, womöglich werde sie sich sogar als V-Frau enttarnen. Aber am Ende dieses Tages sah alles wieder anders aus. Das Gericht musste Zschäpes Aussage verschieben. Es waren die Verteidiger, die dafür sorgen.
NSU-Prozess: Zschäpes Anwälte bitten um Entlassung
Das sind die Verteidiger von Beate Zschäpe
Als «Sturm, Stahl und Heer» gehören die Anwälte von Beate Zschäpe neben den Angeklagten zu den prominentesten Beteiligten im NSU-Prozess. Vor allem ihre martialisch klingenden Namen ließen zu Beginn der Verhandlung aufhorchen.
Wolfgang Heer: Im NSU-Prozess ist er der Wortführer der Zschäpe-Verteidigung. Zunächst hatte er das Mandat allein übernommen, seine Kollegen kamen später hinzu.
Mit zahllosen Anträgen brachte er vor allem zu Beginn der Verhandlung die Nebenkläger gegen sich auf. Heer ist kein Mitglied einer Partei und betonte zu Prozessbeginn:_«Das ist kein politisches Verfahren. Es geht darum, dass die Vorwürfe strafrechtlich untersucht werden.»
Geboren wurde er 1973 in Köln. Dort studierte er auch Rechtswissenschaften. Sein Schwerpunkt lag nach Angaben auf der Homepage seiner Kölner Kanzlei, die er gemeinsam mit seiner Kollegin Sturm führt, von Anfang an auf dem Strafrecht. Seit 2004 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.
Wolfgang Stahl: Im Zschäpe-Mandat sieht er auch eine Karrierechance, wie er zu Beginn des Prozesses selbst sagte. «Dies ist aus Verteidigersicht ein ähnlich bedeutendes Verfahren wie die RAF-Verfahren in den 70er Jahren», erklärte er.
In den Scharmützeln mit dem Vorsitzenden Richter hat er auch schon mal wutentbrannt den Verhandlungssaal verlassen.
Stahl ist Fachanwalt für Strafrecht und nach Angaben seiner Koblenzer Kanzlei ausschließlich als Strafverteidiger tätig. Seine Schwerpunkte liegen demnach eigentlich im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Er ist FDP-Mitglied und Oberstleutnant der Reserve und bearbeitete viele Jahre Wehrstraf- und Wehrdisziplinarsachen der Bundeswehr.
Anja Sturm: Anja Sturm wurde nach Angaben auf der Homepage ihrer Kanzlei 1970 in Ithaca in den USA geboren, studierte Rechtswissenschaften in Bayreuth und Kiel und machte sich 1999 als Anwältin in Berlin selbstständig, seit 2003 ist sie Fachanwältin für Strafrecht.
Nach der Geburt ihrer Kinder ging sie 2004 nach München. Seit 2012 arbeitete sie in einer renommierten Berliner Kanzlei - bis sie das Zschäpe-Mandat übernahm.
Ein Jahr später wechselte Anja Sturm in eine gemeinsame Kanzlei mit ihrem Kollegen Heer in Köln. Ihre Berliner Kanzlei soll sie zuvor für ihre Mandatsübernahme im Fall Zschäpe kritisiert haben. Mitglied einer Partei ist sie nicht.
«Als Verteidigerin reizt mich das Gefühl, einer der Übermacht des Staates ausgelieferten Person mit rechtlichen Mitteln beizustehen», sagte Sturm. «Auch Frau Zschäpe befindet sich in einer solchen Position.» dpa
Zuerst hatten Zschäpes Alt-Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm zum wiederholten Mal verlangt, das Gericht möge sie als Pflichtverteidiger der Angeklagten entlassen. Das Gericht habe sie als Verteidiger faktisch abgeschaltet, hieß es zur Begründung. Hinter ihrem Rücken betreibe der Vorsitzende Richter Manfred Götzl gemeinsam mit Grasel und dessen Kanzlei-Primus Hermann Borchert ein geheimes "In-Camera-Verfahren". Grasel und Borchert hätten mit dem Gericht Zschäpes Aussage vorbereitet, die Pflichtverteidiger hätten darüber informiert werden müssen. Das allerdings hatte Götzl getan - gleich zu Beginn des Verhandlungstages. Dafür musste er sogar mit Anwalt Heer streiten, um überhaupt zu Wort zu kommen.
Dann folgten Wohllebens Verteidiger Olaf Klemke, Nicole Schneiders und Wolfram Nahrath mit einem Befangenheitsantrag gegen den gesamten OLG-Senat. Wohlleben ist als mutmaßlicher Waffenbeschaffer und "steuernde Zentralfigur" hinter dem "Nationalsozialistischen Untergrund" angeklagt. dpa