Dessen Ergebnisse belasten die beiden schwer. Wie berichtet wurden an einer Tasche, auf der Blutspuren des ermordeten Polizisten Mathias Vieth hafteten, DNA-Spuren von Rudi R. gefunden. An einem am Tatort gefundenen Visier eines Motorradhelms fand sich DNA von Raimund M.
DNA-Spuren sollen neue Erkenntnisse bringen
Auf Antrag der Verteidiger von Rudi R., Kai Wagler und Markus Meißner, soll nun ein ergänzendes DNA-Gutachten vom Landeskriminalamt kommen. Das Gericht hat einen entsprechenden Beschluss erlassen. Geklärt werden soll, ob die DNA-Spuren von R. nicht indirekt auf die Tasche geraten sein könnten. Vor allem setzen die Verteidiger beider Angeklagten aber auf DNA-Spuren eines bisher unbekannten Mannes, die sich am Tatort fanden, unter anderem auf einem Schraubenzieher, mit dem das Zündschloss des gestohlenen Motorrads manipuliert wurde. Das ist in der Tat bisher ein weißer Fleck in den Ermittlungen, weil es weder im Umfeld der Angeklagten noch in Datenbanken einen Treffer gibt. „Das Thema DNA ist noch nicht erledigt“, sagt Werner Ruisinger, einer von Raimund M.s Verteidigern. Geklärt werden soll mittels einer Feinanalyse nun auch, ob sich die DNA des Unbekannten nicht auch an der besagten Tasche befindet.
Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth
Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.
Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.
Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.
Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.
Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.
Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.
Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.
Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.
Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.
Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.
Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.
Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.
Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.
Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.
Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.
Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.
Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.
Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.
August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.
Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.
21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".
August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.
September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.
November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.
Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.
September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.
Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.
Ein Beweis für die Unschuld der beiden Angeklagten wäre das nicht, aber es würde Fragen aufwerfen. Nach dreieinhalb Monaten Prozess, in denen die Verteidiger eher abwartend schienen, wird klarer, wo sie ansetzen möchten. Raimund M.s Anwälte wollen darauf hinaus, dass ihr Mandant durch seine Parkinson-Krankheit so gezeichnet war, dass er die Tat gar nicht begehen konnte. Aus dem Straubinger Gefängnis ist aber zu hören, dass M. bei Hofgängen noch Klimmzüge macht. Einblick in die entsprechende Akte haben die Verteidiger aber bisher erfolglos beantragt.
Vielzahl belastender Indizien
Rudi R.s Verteidiger versuchen, bei den DNA-Spuren einzuhaken. Alle Anwälte möchten offenbar Zweifel daran wecken, dass es tatsächlich die Angeklagten waren, die in der Tatnacht im Oktober 2011 vor einer Polizeikontrolle flüchteten und dann in einem Wald auf den Streifenpolizisten Mathias Vieth schossen.
Die Liste der Indizien gegen die Männer ist freilich schwierig zu entkräften: Da sind Waffenfunde, DNA-Spuren, Bargeld, das mutmaßlich aus Überfällen stammt – und nicht zuletzt die Tasche. Vor allem die Blutspritzer Vieths sind ein belastendes Indiz.
Der Prozess ist unterdessen zur zähen Detailarbeit geworden. Am gestrigen 18. Verhandlungstag sagten fünf Gutachter des Landeskriminalamtes aus. Im Wesentlichen waren die Ergebnisse – etwa zu Textilabgleichen oder dem Motorrad – weder be- noch entlastend. An den Angeklagten scheint der Prozess zu zehren. Gestern begann die Verhandlung mit zwei Stunden Verzögerung, nachdem Rudi R., der blass in den Gerichtssaal geführt wurde, auf der morgendlichen Fahrt vom Landshuter Gefängnis über Übelkeit und Schwindel geklagt hatte. Ein Notarzt untersuchte R., der vor Jahren einen Herzinfarkt hatte – ohne Ergebnis. Vermutlich seien die Beschwerden psychosomatisch, so der Landgerichtsarzt.