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CD gefunden: Verfassungsschutz hatte bereits 2005 Hinweise auf den NSU

CD gefunden

Verfassungsschutz hatte bereits 2005 Hinweise auf den NSU

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    Sie ist im NSU-Prozess die Hauptangeklagte: Beate Zschäpe (Mitte).
    Sie ist im NSU-Prozess die Hauptangeklagte: Beate Zschäpe (Mitte). Foto: Peter Kneffel, dpa

    Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte schon mehrere Jahre vor dem Auffliegen des "Nationalsozialistischen Untergrundes" eine CD mit Hinweisen auf den Namen der rechtsextremen Terrorgruppe in seinem Archiv.

    "Im Rahmen der Aktensichtung für ein laufendes Ermittlungsverfahren wurde im BfV eine CD aus dem Jahr 2005 gefunden, die das Kürzel 'NSU/NSDAP' enthält", bestätigte das Bundesamt am Mittwoch einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung. Eine Sprecherin erklärte, die CD sei aber erst am vergangenen Montag gefunden worden.

    NSU-CD gefunden: Abgeordnete reagieren empört

    Etliche Mitglieder des Innenausschusses des Bundestages reagierten darauf mit Zweifeln oder Empörung. Die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic erklärte: "Dieser Fund reiht sich ein in eine Serie von Pannen des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei der Aufarbeitung des Rechtsterrorismus." Man müsse sich fragen, ob es sich um einen Fall von Unfähigkeit oder um eine Verschleierungstaktik der Behörde handele, hieß es aus Kreisen des Ausschusses.

    "Hier muss jetzt jeder Stein im Bundesamt für Verfassungsschutz umgedreht werden, damit Parlament und Öffentlichkeit erfahren, was sich tatsächlich ereignet hat", erklärte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka.

    BfV: Verfassungsschutz konnte nicht auf die Existenz des NSU schließen

    Was nach dem NSU-Desaster geschah

    Nach dem Auffliegen der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im November 2011 begann in Deutschland eine mühsame politische Aufarbeitung der Geschehnisse. Nach und nach kamen Detail s zu den Verbrechen ans Licht - und die haarsträubenden Pannen bei der Aufklärung.

    13. November 2011: Der Bundesgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe.

    16. Dezember 2011: Als Folge der Ermittlungspannen im Fall NSU wird das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus eröffnet. Dort sollen sich die Sicherheitsbehörden ständig über Gefahren aus der rechten Szene austauschen.

    27. Januar 2012: Im Bundestag nimmt ein Untersuchungsausschuss zum Fall NSU seine Arbeit auf.

    16. Februar 2012: Auch im Landtag von Erfurt startet ein Untersuchungsausschuss, weil das NSU-Trio aus Thüringen stammte.

    17. April 2012: Ein Untersuchungsausschuss im Dresdner Landtag macht sich an die Aufarbeitung - in Sachsen war das Trio jahrelang untergetaucht.

    2. Juli 2012: Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, bittet nach den Pannen bei der Aufklärung der NSU-Morde um seine Entlassung.

    3. Juli 2012: Auch Thüringens Verfassungsschutz-Präsident Thomas Sippel muss sein Amt aufgeben.

    5. Juli 2012: Ein weiterer Untersuchungsausschuss geht im Landtag in München an die Arbeit - in Bayern hatten die NSU-Terroristen die meisten Morde begangen.

    11. Juli 2012: Sachsens Verfassungsschutz-Präsident Reinhard Boos tritt zurück.

    13. September 2012: Die Pannen rund um die NSU-Morde zwingen auch Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz-Chef Volker Limburg aus dem Amt.

    19. September 2012: Eine neue Neonazi-Datei geht in Betrieb. Die Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern sammeln darin Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten und deren Hintermänner.

    8. November 2012: Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Zschäpe.

    14. November 2012: Berlins Verfassungsschutz-Chefin Claudia Schmid tritt von ihrem Posten zurück.

    7. Dezember 2012: Die Innenminister von Bund und Ländern einigen sich auf Reformen beim Verfassungsschutz: Dazu gehören eine zentrale Datei für Informanten des Inlands-Geheimdienstes und einheitliche Kriterien zur Führung dieser V-Leute. Der Informationsaustausch der Ämter in Bund und Ländern soll besser werden.

    14. Dezember 2012: Der Schock über die NSU-Verbrechen hat die Debatte über ein NPD-Verbot neu entfacht. Die Länder preschen vor und beschließen im Bundesrat, vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei einzuleiten.

    20. März 2013: Das Bundeskabinett entscheidet sich dagegen, einen eigenen Verbotsantrag gegen die NPD zu stellen.

    März 2013: Das Oberlandesgericht München steht wenige Wochen vor Prozessbeginn in der Kritik: Das Gericht hatte die Presseplätze nach dem Windhund-Prinzip vergeben. Alle türkischen und griechischen Medien gingen leer aus.

    4. April 2013: Eklat um den NSU-Prozess: Die türkische Zeitung "Sabah" reicht eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.

    13. April 2013: Die Verfassungsschützer ordnen an, mindestens drei weitere Plätze für ausländische Medien zu schaffen. Das OLG verschiebt den Prozess daraufhin auf den 6. Mai - die Plätze werden im Losverfahren neu vergeben.

    Der Innenausschuss hatte in seiner Sitzung am 24. September zwar über die CD gesprochen, auf der das Kürzel NSU neben dem Namen der Partei von Adolf Hitler auftaucht war. Damals war aber noch nicht bekanntgewesen, dass der V-Mann Thomas R., der von den Verfassungsschützern unter dem Decknamen "Corelli" geführt wurde, die CD bereits vor Jahren einem Mitarbeiter des Verfassungsschutzes übergeben hatte. "Corelli", der an Diabetes litt, war am 7. April leblos in seiner Wohnung im Landkreis Paderborn aufgefunden worden.

    Beim BfV in Köln heißt es jetzt, die ominöse CD habe zwar rechtsextremes Material und einen NSU-Schriftzug enthalten. Der Verfassungsschutz habe daraus jedoch nicht auf die "Existenz einer rechtsterroristischen Gruppierung namens NSU" schließen können. Die CD sei inzwischen dem Bundeskriminalamt zur weiteren Auswertung übergeben worden.

    Der NSU soll neun Menschen getötet haben

    Die Bundesanwaltschaft wirft dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) vor, neun Menschen türkischer und griechischer Herkunft ermordet zu haben. Außerdem soll das Trio aus Zwickau eine Polizistin getötet und zwei Sprengstoffanschläge verübt haben.

    In München steht seit Mai 2013 Beate Zschäpe vor Gericht. Ihre beiden mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt starben am 4. November 2011 in Eisenach - kurz bevor die Polizei ihren Wohnwagen stürmte. Nach Aussagen von Rechtsmedizinern und Polizisten tötete Mundlos zuerst Böhnhardt und dann sich selbst. dpa

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