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Augsburg: "Unendlich traurig": Lehrer klagt gegen den Freistaat

Augsburg

"Unendlich traurig": Lehrer klagt gegen den Freistaat

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    „Ich weiß, dass der Freistaat einer der schwierigsten Gegner überhaupt ist“, sagt Lehrer Michael Golla. Trotzdem zieht er vor Gericht.
    „Ich weiß, dass der Freistaat einer der schwierigsten Gegner überhaupt ist“, sagt Lehrer Michael Golla. Trotzdem zieht er vor Gericht. Foto: Ulrich Wagner

    Vielleicht hätte Michael Golla schon längst sein eigenes Haus gebaut. Es wäre ja nicht verwunderlich für einen 38-Jährigen. Doch dafür fehlt in seinem Leben die Planungssicherheit.

    Golla ist einer von hunderten fertig ausgebildeten Lehrern in Bayern, die keine feste Stelle haben. Sie werden vor allem dann eingesetzt, wenn Lehrerinnen schwanger sind oder Pädagogen wegen Krankheit länger ausfallen. Oft enden die Verträge mit dem Ende eines Schuljahres.

    Für eine reguläre Planstelle war Gollas Abschlussnote im Studium nicht gut genug. Er hat den siebten Jahresvertrag, der im September 2018 ausläuft. Im fünften Jahr arbeitet er an der Heinrich-von-Buz-Realschule im Augsburger Stadtteil Oberhausen. Golla sieht in der ständigen Ungewissheit nicht nur für sich selbst Probleme: „Wenn jedes Jahr die Lehrer wechseln, leidet alles: das Schulklima, die Qualität des Unterrichts.“

    Schüler nennen Golla „den besten Lehrer, den wir je hatten“

    Deshalb klagt Golla gegen den Freistaat Bayern. Er bekommt Unterstützung von hunderten Schülern. Seine siebte Klasse hat eine Unterschriftenaktion gestartet und einen Brief an Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) verfasst. „Wir haben erfahren“, schreiben sie, „dass der Vertrag von dem besten Lehrer, den wir je hatten, nicht verlängert wird. Das finden wir unendlich traurig.“ Der Brief ging per Einschreiben nach München ins Bildungsministerium – zusammen mit fast 570 Unterschriften von Schülern aller Jahrgangsstufen, die Golla behalten wollen.

    Ein Sprecher Spaenles erklärt, man werde dem Minister den Brief vorlegen und ganz bestimmt auch antworten. Der Fall des beliebten Lehrers werde „auf jeden Fall“ überprüft. Befristete Arbeitsverträge werden demnach nur an Aushilfskräfte vergeben. Im Schnitt sind nach Angaben des Ministeriums rund drei Prozent der Lehrer an Bayerns Schulen befristet. Bei zuletzt mehr als 110.000 Pädagogen sind das etwa 3300. Anders als in anderen Bundesländern seien in Bayern 95 Prozent der Lehrkräfte sogar verbeamtet. Befristete Verträge würden je nach Bedarf und zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgeschlossen. Daher könne es „geringfügige Schwankungen“ in der Statistik geben.

    Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) kalkuliert mit ganz anderen Zahlen. Der stellvertretende Verbandsvorsitzende Gerd Nitschke schätzt, dass in Spitzenzeiten bis zu zehn Prozent der Lehrer keinen festen Vertrag haben. Vor allem an Realschule und Gymnasium, wo nur ein Bruchteil der jungen Lehrer eine Planstelle erhält, würden „immer wieder Lehrer über Zeitverträge an die Schulen gelockt“. Kettenverträge wie Gollas sind für Nitschke ein Zeichen dafür, dass der Freistaat ganz grundsätzlich nicht genügend Lehrer verbeamtet und deshalb der Unterricht nur mit Aushilfskräften aufrecht erhalten werden kann. „Wo der Bedarf da ist, müsste man von vornherein mehr Lehrer einstellen.“

    Der Lehrer klagt gegen einen mächtigen Gegner

    Golla geht es gar nicht um das Beamtenverhältnis. „Ich will einfach nur eine feste Stelle und eine planbare Zukunft.“ Er hat genug von den Jahren, in denen er täglich zwischen zwei Schulen pendelte, um genügend Unterrichtsstunden zu bekommen. Von den Monaten, in denen er zwischen zwei Verträgen stand und deshalb null Euro verdiente. Genug von der Zeit, in der er nicht wusste, ob er seine Wohnung in Augsburg kündigen muss oder nicht. Er klagt, obwohl er weiß, „dass der Freistaat einer der schwierigsten Gegner überhaupt ist“.

    Er und sein Anwalt Florian S. Gottlieb argumentieren mit einem möglichen Formfehler in der Vereinbarung, mit der Golla und der Freistaat Bayern die Verlängerung seines Arbeitsvertrages vorbereitet haben. Das Schreiben sei so unkonkret formuliert, dass man die Wirksamkeit anzweifeln könne, sagt Gottlieb. Den eigentlichen Vertrag bekam der Lehrer nach Angaben seines Anwalts erst viel später und unterschrieb ihn nicht.

    Das erste Treffen vor Gericht gab es schon. Im offiziellen Protokoll regt der Vorsitzende Richter an, „dass beide Parteien außergerichtlich nochmals miteinander verhandeln“. Er äußert „Bedenken, ob es sich bei der unterschriebenen Vereinbarung um ein Dokument handelt, welches die Schriftform (...) wahrt“. Würden die formellen Mängel bestätigt, könnten Gottlieb zufolge auch andere befristet angestellte Lehrer in Bayern die Vereinbarung anzweifeln – sofern sie ihren offiziellen Vertrag nicht oder erst nach Schuljahresbeginn unterschrieben haben.

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