Im Prozess gegen einen Stalker - unter anderem durch mehr als 2400 Anrufe in vier Monaten - könnte das Landgericht in Beweisnot geraten. Die verfolgte Diplomingenieurin und Mitarbeiterin der Technischen Universität (TU) München konnte den 47-jährigen Angeklagten nicht eindeutig als den Anrufer identifizieren, der nie gesprochen hatte. "Die Telefonate hörten nach seiner Festnahme schlagartig auf", sagte die 30 Jahre alte Nebenklägerin am Freitag aus. Auch die Lieder, die er gelegentlich eingespielt habe, deuteten auf den Angeklagten hin.
Bereits 2010 zu Haftstrafe verurteilt
Der Ingenieur mit Wohnsitz in Kaiserslautern stellte der jungen Frau seit 2005 nach. Er hat deswegen 2008 einen Strafbefehl bekommen und ist 2010 zu 14 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden, ferner erwirkte die 30-Jährige ein Kontaktverbot nach dem Gewaltschutzgesetz, das allerdings Ende 2010 auslief.
Das müssen Sie über Stalking wissen
Unter Stalking versteht man das wiederholte Verfolgen oder Belästigen eines anderen Menschen.
Der Begriff ist vom englischen "to stalk" abgeleitet. Das bedeutet jagen, heranpirschen, verfolgen.
Sehr häufig stehen oder standen Täter und Opfer beim Stalking in einer Beziehung, waren etwa einmal zusammen, hatten zusammen gearbeitet oder kennen sich aus der Nachbarschaft.
Auch abgewiesene Verehrer stecken oft hinter Stalking-Attacken.
Stalking äußert sich zum Beispiel in (nächtlichem) Telefonterror, in Schikanen, Verleumdungen, Auflauern an der Wohnung oder am Arbeitsplatz oder Bestellungen unter falschem Namen.
In extremen Fällen wurden Stalking-Opfer von Tätern auch verletzt oder sogar getötet.
Etwa 90 Prozent der Opfer beim Stalking sind Frauen.
Stalking ist in Deutschland eine Straftat. Auf die sogenannte „Nachstellung“ (§ 238 StGB) steht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre.
Im Jahr 2011 verzeichnete die Polizeiliche Kriminalstatistik 25.038 Fälle von Nachstellung.
Stalking-Opfer sollten sich möglichst frühzeitig an die Polizei wenden. Diese kann zum Beispiel Kontaktverbote oder einen Platzverweis aussprechen.
Opfer sollten unbedingt und möglichst frühzeitig auch ihre Bekannten und Verwandten über die Attacken informieren.
Auch anwaltliche Beratung ist sinnvoll, etwa, um gegen den Täter zivilrechtlich vorzugehen.
Sie habe an eine Verlängerung gedacht, "aber er war ja verurteilt worden", sagte die Nebenklägerin.
Kuss- und Schmatzgeräusche am Telefon
Der Angeklagte wurde Ende März 2011 aus der Haft entlassen. Bald darauf beschlich die 30-Jährige "das Gefühl, er ist wieder da". Mehrere Male sah sie den Angeklagten vor dem Fenster an ihrem Arbeitsplatz in der TU vorbeiradeln. "Dann gingen die Anrufe los." Dass es klingele und sich am Telefon niemand melde, "kommt vor, aber nicht in solcher Frequenz".
Auch habe der Anrufer mitunter Kuss- und Schmatzgeräusche gemacht oder "Lieder eingespielt, deren Texte eindeutig waren". Die Telefonate seien ausschließlich auf ihrem Apparat oder Anschlüssen von engen Kollegen eingegangen. Eine Telefonüberwachung der Nebenstellen war technisch nicht möglich. Die Nebenklägerin selbst war schließlich nur noch per Handy erreichbar, "mein Chef war ziemlich sauer".
Dem Opfer am Bahnhof aufgelauert
Schließlich habe ihr der Angeklagte auch an U-Bahnstationen aufgelauert. Dabei wurde der 47-Jährige am 22. November 2011 von der Polizei aufgegriffen. Laut vorläufigem psychiatrischen Gutachten leidet der Angeklagte an einer Persönlichkeitsstörung. Der Prozess wird am 10. Oktober fortgesetzt. dpa/lby/AZ