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München: Tocotronic-Konzert am Tag nach dem Terror: "Jetzt erst recht"

München

Tocotronic-Konzert am Tag nach dem Terror: "Jetzt erst recht"

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    Die Band Tocotronic zog das Konzert in München einen Tag nach dem Terror in Paris durch.
    Die Band Tocotronic zog das Konzert in München einen Tag nach dem Terror in Paris durch. Foto: Sarah Ritschel

    Wer behauptet, sich keine Gedanken zu machen, lügt. Natürlich ist es komisch, am Tag nach den Anschlägen von Paris auf ein Konzert zu gehen. Die Hamburger Musiker von Tocotronic spielten am Samstag das Abschlusskonzert ihrer Deutschland-Tour im Münchner Zenith. Eine Konzerthalle wie das Pariser Bataclan. Noch um einiges größer als die Halle, in der am Freitag mindestens 80 Menschen starben.

    Die Gedanken seien in Paris, sagt Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow, als die Band die Bühne betritt. Über eine Absage des Konzerts haben sie nicht nachgedacht. „Ein sehr weiser Mann hat gesagt: ’Rock’n’Roll can never die’.“ Der weise Mann war Neil Young. Er schrieb den Song, nachdem er nach 20 Jahren auf der Bühne an seiner eigenen Musik zu zweifeln begonnen hatte.

    Viele Bands sagten Konzerte nach Anschlägen in Paris ab

    Mehrere Bands haben ihre Konzerte in Paris und Europa nach den Anschlägen abgesagt. Die irische Rockband U2 war am Freitag sogar in der Stadt, hatte schon zwei umjubelte Konzerte in Paris gespielt. Das dritte sagte sie ab, legte stattdessen Blumen am Tatort nieder: „Wir sind am Boden zerstört.“ Auch Lemmy Kilmisters Band Motörhead spielte nicht.

    Die US-Rocker Foo Fighters strichen sogar alle Konzerte ihrer Europatournee: „Es gibt keine andere Art, es zu sagen: Das ist verrückt und zum Kotzen. Unsere Gedanken sind bei jedem, der verletzt wurde oder einen Lieben verloren hat.“ Dave Grohl, Sänger der Foo Fighters, hatte als Gastmusiker einst mit den Eagles of Death Metal gespielt, die beim Anschlag im Bataclan auf der Bühne standen. In München hätte übermorgen das US-Popduo Twenty One Pilots auftreten sollen. Das Konzert war ausverkauft. Doch die Musiker sagten die Auftritte in Europa ab.

    "Jetzt erst recht – Let there be rock!"

    Tocotronic haben sich für den anderen Weg entschieden. „Es fühlt sich gut an, euch hier zu sehen“, ruft Sänger von Lowtzow im Zenith. „Spießern, Heuchlern und bigotten Predigern“ in „allen Staaten und Kalifaten“ setzt er entgegen, womit diese nicht umgehen können: Er zelebriert, was den anderen verhasst ist. „Wir wollen in unseren Zimmern liegen/und knutschen, bis wir müde sind“, singt der 44-Jährige aus der Perspektive eines Teenagers, zeigt allen Fanatikern zwischen zwei Akkorden in kleinen, beiläufigen Gesten den Mittelfinger.

    Inmitten der Fans fühlt sich die Stimmung immer befreiter an. Statt zu den Notausgängen, wohin man anfangs verstohlen linste und sich gleichzeitig dafür schalt, geht der Blick auf die Bühne. Auf diese vier Herren, die seit 20 Jahren entgegen aller Kritik (zu überheblich, zu verkopft, längst zu alt) einfach weitermachen – auch heute, wütender als sonst. „Jetzt erst recht – Let there be rock!“ schreit der Tocotronic-Sänger und sicher 3000 Fans strecken die Hände in die Luft. Der Bass lässt das Herz springen, während von Lowtzow singt. „Du zitterst noch und hörst in dich hinein/Liebe wird das Ereignis sein.“ mit dpa

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