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Gundremmingen: Streit um Reaktordruck im Kernkraftwerk: Betreiber wehrt sich

Gundremmingen

Streit um Reaktordruck im Kernkraftwerk: Betreiber wehrt sich

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    Die Betreiber des Kernkraftwerks in Gundremmingen widersprechen der Kritik der Ärzteorganisation IPPNW. Die atomkritischen Ärzte hatten davor gewarnt, von der Atomanlage gehe eine "erhebliche Gefahr" aus.
    Die Betreiber des Kernkraftwerks in Gundremmingen widersprechen der Kritik der Ärzteorganisation IPPNW. Die atomkritischen Ärzte hatten davor gewarnt, von der Atomanlage gehe eine "erhebliche Gefahr" aus. Foto: Bernhard Weizenegger

    Die Betreiber des Kernkraftwerks Gundremmingen haben gestern vehement Behauptungen der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW zurückgewiesen, die jüngst massive Zweifel an der Sicherheit des Atomkraftwerks geäußert hatte. Die Kritiker warfen Deutschlands leistungsstärkster Atomanlage vor, dass eine „erhebliche Gefahr“ von ihr ausgehe.

    Grund sei der Turbinenkondensator, der „mit erschreckend hoher Wahrscheinlichkeit“ ausfallen könne. Die Folge des Ausfalls sei laut Henrik Paulitz, beim IPPNW für Atomfragen zuständig, ein plötzlicher Druckstoß im Reaktor, der den üblichen Betriebsdruck von 70 bar weit überschreite. Der Druck im Reaktor steige bis auf 190 bar an.

    Dies könne auch zu Beschädigungen von Armaturen führen, die für die Störfall-Beherrschung erforderlich seien. Die Ärztevereinigung kritisiert unter Berufung auf den Physiker Reiner Szepan (Grabenstätt) zudem, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Atomunfall in Gundremmingen deutlich höher sei, als offiziell angegeben.

    Betreiber: Darstellung ist fehlerhaft

    Das ist das Atomkraftwerk Gundremmingen

    Die Anlage Gundremmingen zwischen Günzburg und Dillingen, die in dieser Form seit 1984 besteht, ist der leistungsstärkste Kernkraftwerksstandort in Deutschland. Die zwei Reaktoren erzeugen pro Jahr mehr als 20 Milliarden Kilowattstunden Strom. Dies entspricht rund einem Drittel des gesamten Verbrauchs in Bayern.

    Die Betreibergesellschaft der Anlage gehört zu 75 Prozent RWE und zu 25 Prozent Eon. Nach dem Atomausstiegsbeschluss der Bundesregierung 2011 sollen Block B im Jahr 2017 und Block C 2021 abgeschaltet werden.

    Das Zwischenlager in Gundremmingen ging im August 2006 in Betrieb. Die Halle liegt rund 150 Meter vom Reaktorgebäude entfernt und ist 104 Meter lang, 38 Meter breit und 18 Meter hoch. Die Wände aus Stahlbeton sind 85 Zentimeter dick. Die Halle verfügt über eine Kapazität von 192 Castoren. Ein Castor wiederum enthält 52 Brennelemente. Damit ist das schwäbische Zwischenlager das größte in Deutschland.

    Wie alle anderen Zwischenlager ist auch dieses für eine Betriebszeit von maximal 40 Jahren ausgerichtet. Das heißt, in Gundremmingen endet die Genehmigung 2046. Spätestens dann, so die ursprüngliche Planung, sollte ein Endlager in Deutschland zur Verfügung stehen.

    Die Kritiker befürchteten schon bei der Genehmigung des Zwischenlagers, dass es de facto zu einem Endlager werden könnte. Außerdem argumentierten sie, dass in jedem der Castoren mehr Radioaktivität enthalten sei, als bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 freigesetzt wurde.

    Gegen den Bau der Zwischenlager wurde bundesweit prozessiert. Im Fall von Gundremmingen reichten fünf Anwohner aus umliegenden Gemeinden Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München ein. Der VGH wies die Klage mit seinem Urteil vom 2. Januar 2006 ab.

    Kraftwerksleiter Michael Trobitz ist sich indes sicher, dass Szepan eine Grafik des Anlagenherstellers Siemens/KWU, die 1981 in einem Papier der Geschäftsstelle des Kerntechnischen Ausschusses enthalten war, falsch gelesen hat. Der Physiker leite ab, dass in einem bestimmten Szenario Druckspitzen von 190 bar im Reaktor auftreten würden.

    Dies sei aber falsch, so Trobitz. Die Grafik zeige die Messwertverläufe bei einem Auslegungsstörfall, der von der Anlagentechnik sicher beherrscht werde. In der Skala sei der Druck von 70 bar der Ausgangswert, er steige in dem von der Ärzteorganisation dargestellten Szenario um maximal 17 bar an, sagt der Geschäftsführer und kritisiert die Ärzteorganisation: „Mit dieser fehlerhaften Darstellung sollen Ängste in der Bevölkerung geschürt werden.“ Dies sei „einfach unverantwortlich“, bedauert Trobitz.

    Kraftwerkssprecher zweifelt an Kompetenz der Kritiker

    Szepan war zuletzt für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. IPPNW-Sprecherin Angelika Wilmen sagt jedoch, dass die Ärzteorganisation auf ihrem Standpunkt beharre: „Die Legende der Grafik von Siemens ist fehlerhaft, denn die Angabe in der Legende passt nicht zu den Werten der Grafik.“ Die Aussage, dass der Druck in den Reaktoren des AKW Gundremmingen auf eine Größenordnung von 190 bar hochschnellen könnte, bleibe davon also unberührt. Kraftwerkssprecher Tobias Schmidt hält diese Argumentation für „sehr fadenscheinig“.

    Schließlich habe IPPNW selbst die Grafik inklusive der Legende so in einem Flyer veröffentlicht. „Jeder Interessierte kann erkennen, dass sich daraus kein Druckanstieg auf 190 bar ablesen lässt“, sagt Schmidt: „Angesichts dieser krassen Fehlinterpretation drängt sich die Frage auf, wie es um die Kompetenz der selbst ernannten Atomexperten von IPPNW bestellt ist.“ Der Versuch, das Kernkraftwerk Gundremmingen mit seinem anerkannt hohen Sicherheitsniveau zu diskreditieren, sei „gründlich misslungen“.

    Beim Abschalten von Block B zur Revision am 5. April haben sich laut Schmidt Hinweise auf einen Brennelemente-Defekt ergeben. Deshalb seien alle 784 Brennelemente in einem Sippingtest überprüft worden. Dabei wurde der Defekt an einem Brennelement bestätigt.

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