Gustl Mollath wurde nach sieben Jahren aus der Psychiatrie entlassen. Nun wurde Mollath zu einer unfreiwilligen Werbefigur.
"Wenn hier jemand verrückt ist, dann Sixt mit seinen Preisen". So lautete eine Anzeige des Autovermieters Sixt in der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). Dabei wird ein Porträt des 56 Jahre alten Nürnbergers gezeigt.
Gustl Mollaths Anwalt Gerhard Strate sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa, das Zitat sei frei erfunden. Sein Mandant sei von der Werbeaktion überrascht worden.
Gustl Mollath: Anwalt will gegen Sixt-Werbung vorgehen
"Wir werden presserechtlich dagegen vorgehen. Das ist ein dreister Rechtsbruch", unterstrich der Jurist. Vor allem die Verwendung des Begriffs "verrückt" halte er im Zusammenhang mit seinem Mandanten für höchst problematisch. Sixt hatte in der Vergangenheit wiederholt Politiker unabgesprochen vor seinen Werbekarren gespannt.
Empörung auf Facebook-Seite von Sixt
Sixts Mollath-Werbung löste im Internet einen Proteststurm aus. Auf der Facebook-Seite des Autovermieters Sixt kritisierten zahlreiche Nutzer die Anzeige als geschmacklos. Es sei unglaublich, mit einem potenziellen Justizopfer Werbung zu machen, schrieb einer. Bei Twitter gehörte die Anzeige zu den meistdiskutierten Themen des Tages. Gefallen fand kaum einer an der Anzeige mit Gustl Mollath. "Ekelhaft" und "widerwärtig", hieß es in Kommentaren - nur ein kleiner Auszug aus den Meinungen.
Werbung ohne Mollaths Einverständnis
Ein Sixt-Sprecher räumte ein, dass die Werbung mit Mollath nicht abgesprochen sei. Das Unternehmen gehe aber davon aus, dass Herr Mollath mittlerweile eine öffentliche Person sei. Damit sei auch die Werbung ohne sein Einverständnis machbar. Zu Politikern sehe man aber doch einen Unterschied - und biete auch deswegen ein Honorar. "Wir werden heute auf Herrn Mollath zugehen und ihm ein Honorar für die Anzeige anbieten", kündigte der Sprecher an. Was der Fall Mollath lehrt
Mollath wurde erst vor einer Woche aus der Psychiatrie entlassen
Chronologie des Falls Mollath
Ab 2006 saß der Nürnberger Gustl Mollath in der Psychiatrie. Hier eine Chronologie des Falles:
November 2002: Gustl Mollath wird von seiner Frau wegen Körperverletzung angezeigt. Er soll sie im August 2001 ohne Grund mindestens 20-mal mit den Fäusten geschlagen haben. Außerdem habe er sie gebissen, getreten und sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt.
Mai 2003: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhebt Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung.
September 2003: Die Hauptverhandlung beginnt vor dem Amtsgericht Nürnberg. Im April 2004 wird sie fortgesetzt. Ein Gutachter attestiert dabei Mollath erstmals gravierende psychische Störungen.
Dezember 2003: Mollath erstattet Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen seine Frau, weitere Mitarbeiter der HypoVereinsbank und 24 Kunden wegen Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäften.
Februar 2004: Die Anzeige wird von der Staatsanwaltschaft abgelegt. Begründung: Es gebe nur einen pauschalen Verdacht. Die Angaben seien zu unkonkret, als dass sie ein Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würden.
Juni 2004: Mollath wird gegen seinen Willen zur Begutachtung ins Bezirkskrankenhaus Erlangen gebracht, kommt aber schon kurz darauf wieder frei. Im Februar 2005 wird er in das Bezirkskrankenhaus Bayreuth eingewiesen. Dort bringt er fünf Wochen zu.
August 2006: Das Landgericht Nürnberg spricht Mollath von den Vorwürfen der Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung frei. Aber die Strafkammer Mollaths ordnet Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.
Februar 2007: Der Bundesgerichtshof verwirft die Revision als unbegründet.
März 2012: Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) sagt im Rechtsausschuss des Landtags, Mollaths Strafanzeige wegen der Bankgeschäfte seiner Frau sei «weder Auslöser noch Hauptanlass noch überhaupt ein Grund für seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gewesen». Seine Vorwürfe gegen die Bank hätten keinen begründeten Anfangsverdacht für Ermittlungen ergeben.
November 2012: Ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003, dessen Inhalt erst jetzt publik wird, bestätigt, dass ein Teil von Mollath Vorwürfe zutreffend war. Die Freien Wähler fordern Merks Rücktritt und einen Untersuchungsausschuss im Landtag.
30. November 2012: Merk will den Fall Mollath komplett neu aufrollen lassen. Grund war die mögliche Befangenheit eines Richters.
18. März 2013: Die Staatsanwaltschaft Regensburg beantragt die Wiederaufnahme des Verfahrens. Sie stützt sich dabei auf «neue Tatsachen», die dem Gericht bei der Verurteilung im Jahr 2006 noch nicht bekanntgewesen seien. Entscheiden muss das Landgericht Regensburg.
26. April 2013: Der Mollath-Untersuchungsausschuss tritt erstmals zusammen.
28. Mai 2013: Das Landgericht Regensburg lehnt eine Entscheidung über Mollaths Psychiatrie-Unterbringung vor der Prüfung des Wiederaufnahmeantrags ab.
12. Juni 2013: Das Landgericht Bayreuth ordnet an, dass Mollath mindestens noch ein weiteres Jahr und damit bis 2014 in der Psychiatrie bleiben muss.
06. August 2013: Mollath kommt frei. Das OLG Nürnberg ordnet die Wiederaufnahme des Falls an und verfügt, dass diese an einer anderen Kammer des Landgerichts Regensburg stattfinden muss.
05. September 2013: Die Verfassungsbeschwerde Mollaths ist erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gab seiner Beschwerde gegen Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg statt. Die Beschwerde sei offensichtlich begründet, hieß es.
19. Dezember 2013: Das Landgericht Regensburg teilt mit, dass das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath am 7. Juli 2014 beginnt.
13. Januar 2014: Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen die Ex-Frau von Gustl Mollath eingestellt. Mollath hatte seine frühere Ehefrau im August 2013 angezeigt, weil sie in einem Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe 2008 nicht die Wahrheit gesagt habe. Dafür ergaben sich laut Staatsanwaltschaft aber keine Anhaltspunkte.
28. April 2014: Gustl Mollath will das Oberlandesgericht Bamberg mit einer weiteren Verfassungsbeschwerde zwingen zu verkünden, ab wann er unrechtmäßig in der Psychiatrie gesessen habe. Hintergrund ist ein Beschluss des OLG Bamberg aus dem Jahr 2011, nach dem Mollath weiter in der Psychiatrie bleiben musste. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor entschieden, dass dadurch Mollaths Grundrecht auf Freiheit verletzt worden war.
07. Juli 2014: Vor dem Landgericht Regensburg beginnt das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath.
08. August 2014: Die Staatsanwaltschaft fordert in ihrem Plädoyer einen Freispruch für Gustl Mollath. Dabei ist der Anklagevertreter jedoch von der Schuld des 57-Jährigen überzeugt. Die Verteidigung verlangt einen Freispruch "ohne Wenn und Aber". Mollath selbst weist die Vorwürfe zurück.
14. August. 2014: Das Landgericht Regensburg spricht Gustl Mollath frei. dpa
Mollath war 2006 als gemeingefährlich in die Psychiatrie eingewiesen und vor einer knappen Woche entlassen worden. Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte auf eine Beschwerde von Mollaths Anwalt hin zugleich angeordnet, das Verfahren gegen den 56-jährigen Maschinenbauer in Regensburg neu aufzurollen. Mit der Aufhebung eines früheren Urteils kam Mollath noch am selben Tag frei.
Mollath soll nach dem Nürnberger Urteil aus dem Jahr 2006 unter anderem seine Frau misshandelt und Autoreifen zerstochen haben. Er sieht sich als Opfer eines Komplotts seiner Ex-Frau und der Justiz, weil er auf Schwarzgeldgeschäfte in Millionenhöhe hingewiesen habe. Mollath hatte 2003 seine Frau, eine Vermögensberaterin bei einer Bank, und Andere wegen unsauberer Geschäfte angezeigt. Die Vorwürfe wurden nicht weiterverfolgt, erwiesen sich später aber teilweise als zutreffend. dpa/AZ