"Beinahe täglich rede ich von Dialog, Transparenz, auf die Bürger zugehen", klagte der Parteichef und Ministerpräsident am Mittwoch am Rande der Landtagssitzung - "und dann schlägt wieder irgendwo der Blitz ein. Mir gefällt das nicht." Er frage sich, "hören die überhaupt zu?", schimpfte Seehofer über seine Parteifreunde.
Seehofer will die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Die CSU solle Dienstleister sein, man dürfe "die Bevölkerung nicht als Gegner ansehen". Seehofer: "Ich kümmere mich um die Geschichte, da können Sie sich drauf verlassen."
Juristisch gegen Leserbriefschreiberin vorgegangen
Die Augsburger CSU-Politiker Bernd Kränzle und Rolf von Hohenhau waren juristisch gegen eine Leserbriefschreiberin unserer Zeitung vorgegangen. Sie sahen sich durch eine aus ihrer Sicht nicht zutreffende Behauptung "in der Öffentlichkeit herabgewürdigt". Die 68-jährige Rentnerin Johanna Holm aus Kriegshaber wurde aufgefordert, eine Äußerung gegenüber Kränzle, 70, und von Hohenhau, 68, zurückzunehmen. Zugleich fordert der von den Politikern eingeschaltete Anwalt die Rentnerin auf, das ihm zustehende Honorar von 800 Euro zu überweisen.
Stein des Anstoßes war der folgende Satz, der sich auf Kränzle bezieht: "Im 70. Jahr angekommen, kickt er mit seinen Verbündeten Johannes Hintersberger und Herrn von Hohenhau zwei verdiente Männer wie Christian Ruck und Rainer Schaal aus dem Feld, um den Kandidaten Volker Ullrich ins Rennen für den Bundestag zu schicken."
Diesen Passus hatte Johanna Holm im Leserbrief verwendet, der am 15. Mai im Lokalteil unserer Zeitung erschien. Die Rentnerin, die bereits in den Monaten zuvor drei weitere Leserbriefe geschrieben hatte, nahm Bezug auf einen Leserbrief des CSU-Kreischefs Rolf von Hohenhau. Er hatte sich kritisch mit dem Kommentar "Hüter der Mittelmäßigkeit" von AZ-Lokalchef Alfred Schmidt befasst, in dem dieser auf die Rolle der CSU-Führungsleute eingegangen war und unter anderem Bernd Kränzle und Johannes Hintersberger als "Hüter der Mittelmäßigkeit" bezeichnet hatte.
Resolute Rentnerin ließ sich nicht unter Druck setzen
Die resolute Leserbriefschreiberin ließ sich nicht unter Druck setzen. Sie gab sich kämpferisch und hat ihrerseits einen Rechtsanwalt beauftragt. "Ich lasse mich von den beiden Herren der CSU nicht mundtot machen", sagte Johanna Holm beim Besuch in der Lokalredaktion unserer Zeitung, bei dem sie den Schriftverkehr der zurückliegenden Tage offenlegte.
Nachdem unsere Zeitung über den Fall berichtet hatte, brach Sturm der Entrüstung los. Erst war es Bernd Kränzle, der zurückruderte. Am Dienstag folgte Rolf von Hohenhau. Beide verzichten inzwischen auf juristische Schritte gegen die Leserbriefschreiberin Johanna Holm. Die CSU-Spitzenpolitiker reagierten dem Vernehmen nach wohl auch auf den politischen Druck, der nicht zuletzt aus München ausgeübt wurde. dpa/AZ