Der Respekt vor dem Parteichef ist in der CSU durchaus unterschiedlich ausgeprägt. Da gibt es, wie sich vor der Parteizentrale zeigte, die ganz besonders Höflichen, die erst einmal abwarten, was Horst Seehofer zu erklären hat. Ex-Parteichef Erwin Huber zum Beispiel lässt sich nur eine launige Grundsatzerklärung zu seiner eigenen Person entlocken: „Ich gehöre zu den schweigenden und betenden Parteisoldaten.“ Auch Landtagspräsidentin und CSU-Vize Barbara Stamm hält sich demonstrativ zurück: „Jetzt ist nicht meine Stunde.“
Dann gibt es diejenigen, die nicht länger um den heißen Brei herumreden. Ex-CSU-Chef Edmund Stoiber zum Beispiel ordnet gleich mal politisch ein, was in dem Moment noch gar nicht verkündet ist. Dass Horst Seehofer als Parteichef und Ministerpräsident über das Jahr 2018 hinaus weitermachen will und Innenminister Joachim Herrmann den CSU-Frontmann im bevorstehenden Bundestagswahlkampf geben soll, nennt Stoiber „eine rundherum mehr als ausgezeichnete Lösung“.
Aufhören - oder doch nicht? Seehofer-Zitate der vergangenen Jahre
Hört er 2018 auf - oder doch nicht? Soll der nächste CSU-Chef in Berlin sitzen - oder doch nicht? Horst Seehofer hat sich zu derlei Fragen in den vergangenen Jahren immer wieder geäußert - und sich dabei manchmal selbst korrigiert.
Am 19. September 2012 erklärt Seehofer seine Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2013. "Ich bin bereit, mit Euch gemeinsam in diesen Kampf zu gehen", sagt er auf einer Fraktionsklausur. Einen Tag später kündigt er an, dass er zwar die komplette Legislaturperiode bis 2018 ausfüllen, dann aber sicher aufhören will: "Dann ist auch Schluss."
Am 26. Oktober 2014 schließt Seehofer eine weitere Amtszeit als bayerischer Ministerpräsident nicht mehr aus. "Ich habe das große Ziel, dass wir in der CSU einen geordneten Generationenübergang hinbekommen. Aber ich wüsste auch, was ich zu tun hätte, wenn kein ordentlicher Übergang gewährleistet wäre", sagt er dem Spiegel.
Am 7. Januar 2015 sagt Seehofer dann wieder der Zeitung Die Welt: "Ich werde bei der nächsten Landtagswahl nicht mehr kandidieren."
Am 8. April 2016 sagt Seehofer auf die Frage nach einer möglichen weiteren Amtszeit nach 2018: "Das würde ich auch gern wissen."
Am 16. Oktober 2016 deutet Seehofer den Verzicht auf eines seiner Ämter an. "Ich kann für die CSU nicht ewig den Libero machen. Einmal soll ich die absolute Mehrheit in München holen und dann die bayerischen Interessen in Berlin durchsetzen", sagt er der Bild am Sonntag. "Wenn wir in Zukunft erfolgreich sein wollen, müssen wir uns personell verbreitern." Bei einem Bundestag mit sieben Parteien brauche man "den CSU-Chef und weitere starke Kräfte in Berlin".
Am 18. Dezember 2016 korrigiert sich Seehofer und betont, solange er selbst das Amt des Parteivorsitzenden inne habe, sei die Berliner Lösung nicht zwingend: "Aufgrund der Besonderheit meiner politischen Biografie kann ich Wirkungsmacht auch aus München entfalten."
Am 17. Februar 2017 kündigt Seehofer an, möglicherweise über 2018 hinaus Ministerpräsident und Parteichef bleiben zu wollen. "Darüber führe ich gerade Gespräche in meiner Partei, auch mit meinen Amtsvorgängern", sagt er dem Spiegel. Bis 6. Mai gebe es Klarheit.
Am 3. April 2017 kündigt er die Entscheidung für 24. April an - und legt die Messlatte hoch: "Sie müssen wollen, Sie müssen können, und Sie müssen gewinnen - das ist die Maxime, die ich mir selber anlege und die ich auch an andere anlege. Das Wollen alleine reicht nicht."
Tja, und dann ist da noch ein Spezialfall: Markus Söder. Er hatte lange gehofft, Seehofer bald nachzufolgen, und ist nun dazu verurteilt, als „Kronprinz“ weiterzumachen. Er demonstriert zumindest Treue zur Partei. „Ich finde es gut, dass wir jetzt dann Klarheit haben. Ich denke, es ist wichtig für die CSU, dass wir die zwei schwierigen Wahlgänge sehr geschlossen angehen. Wenn der Ministerpräsident und Parteivorsitzende weitermacht, hat er meine ehrliche Unterstützung.“
Nur rund drei Stunden später ist es offenkundig: Die Führung der Partei steht geschlossen hinter dem alten und neuen Vorsitzenden. Seehofers Entscheidung, weiterzumachen, wird einhellig begrüßt. Thomas Kreuzer, der Chef der CSU im Landtag, sagt: „Horst Seehofer hat in Bayern zehn Jahre lang bewiesen, dass er es kann.“ Er sei als Ministerpräsident der richtige Mann für Bayern. „Man soll kein erfolgreiches Pferd wechseln, wenn es nicht sein muss“, sagt Kreuzer. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner nennt Seehofers Entscheidung „sehr gut“. Der Europaabgeordnete und schwäbische CSU-Chef Markus Ferber sieht die Partei „gut aufgestellt“.
Nicht jeder ist von Seehofers Ankündigung begeistert
Auch die beiden Bundesminister, Alexander Dobrindt und Gerd Müller, die sich nach dem Willen Seehofers auf der CSU-Liste für die Bundestagswahl hinter Joachim Herrmann einordnen müssen, lassen keinen Missmut erkennen. „In einer unsicheren Zeit ist bei der CSU ein starker Wille zu Sicherheit und Stabilität vorhanden. Wir brauchen auch in Zukunft in Berlin eine starke CSU und dazu ist mit der Spitzenmannschaft mit Joachim Herrmann das richtige Signal gesetzt“, erklärt Müller. Dobrindt sagt, Herrmann komme eine Schlüsselposition zu bei dem Versuch, die AfD aus dem Bundestag herauszuhalten.
Weitaus kritischer fallen die Kommentare der Opposition aus. Markus Rinderspacher, der Chef der SPD im Landtag, erinnert an die Auseinandersetzungen Seehofers mit Söder und geht mit dem CSU-Chef hart ins Gericht: „Die Karriereabsichten eines jüngeren Mannes zu verhindern, ist die denkbar schlechteste Motivation für eine erneute Kandidatur.“ Ein Wahlbetrug sei programmiert: Seehofer rede seit Jahren von nichts anderem als vom Aufhören. „Wer öffentlich die eigene Amtsmüdigkeit so inszeniert, wird nie und nimmer für eine volle Legislatur bis 2023 in der Politik bleiben“, sagt Rinderspacher.
Die Landesvorsitzende der Grünen, Sigi Hagl, urteilt: „Seehofer ist ein Getriebener. Er lässt sich von der AfD in eine rückwärts gewandte Gesellschaftspolitik und von Söder in einen zerstörerischen Umgang mit der Natur treiben.“ Für Hubert Aiwanger, den Chef der Freien Wähler, ist Seehofer ein „Ministerpräsident ohne Visionen“, er mache „zu sehr Politik von der Hand in den Mund und reagiert nur auf aktuelle Brandherde“.
Die CSU freilich ficht derlei Kritik an diesem Tag nicht an. Seehofer und Herrmann demonstrieren vor der Presse Harmonie pur. Und, wie um die Opposition gleich zu widerlegen, kündigt Seehofer an, nach der Wahl in Bayern mit der Bevölkerung in einen Dialog zu treten. Da solle es dann um Visionen für die Zukunft gehen.
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