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NSU: Rechtsextremer "Hammerskin" sorgt für Eklat im NSU-Prozess

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Rechtsextremer "Hammerskin" sorgt für Eklat im NSU-Prozess

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    Die Angeklagte Beate Zschäpe zwischen ihren Anwälten im Oberlandesgericht.
    Die Angeklagte Beate Zschäpe zwischen ihren Anwälten im Oberlandesgericht. Foto: Peter Kneffel (dpa)

    Ein mutmaßlicher Unterstützer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" hat am Donnerstag erneut Aussagen verweigert und mit propagandistischen Äußerungen einen Eklat provoziert. Den Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Terrorhelfer bezeichnete er als "Schande" und "Affentheater".

    Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl bestellte ihn am Ende ein drittes Mal ein. Bis dahin will das Gericht prüfen, ob es eine Ordnungsstrafe gegen ihn verhängen kann. Im Zuschauerraum verfolgte Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) die Verhandlung.

    Was nach dem NSU-Desaster geschah

    Nach dem Auffliegen der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im November 2011 begann in Deutschland eine mühsame politische Aufarbeitung der Geschehnisse. Nach und nach kamen Detail s zu den Verbrechen ans Licht - und die haarsträubenden Pannen bei der Aufklärung.

    13. November 2011: Der Bundesgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe.

    16. Dezember 2011: Als Folge der Ermittlungspannen im Fall NSU wird das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus eröffnet. Dort sollen sich die Sicherheitsbehörden ständig über Gefahren aus der rechten Szene austauschen.

    27. Januar 2012: Im Bundestag nimmt ein Untersuchungsausschuss zum Fall NSU seine Arbeit auf.

    16. Februar 2012: Auch im Landtag von Erfurt startet ein Untersuchungsausschuss, weil das NSU-Trio aus Thüringen stammte.

    17. April 2012: Ein Untersuchungsausschuss im Dresdner Landtag macht sich an die Aufarbeitung - in Sachsen war das Trio jahrelang untergetaucht.

    2. Juli 2012: Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, bittet nach den Pannen bei der Aufklärung der NSU-Morde um seine Entlassung.

    3. Juli 2012: Auch Thüringens Verfassungsschutz-Präsident Thomas Sippel muss sein Amt aufgeben.

    5. Juli 2012: Ein weiterer Untersuchungsausschuss geht im Landtag in München an die Arbeit - in Bayern hatten die NSU-Terroristen die meisten Morde begangen.

    11. Juli 2012: Sachsens Verfassungsschutz-Präsident Reinhard Boos tritt zurück.

    13. September 2012: Die Pannen rund um die NSU-Morde zwingen auch Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz-Chef Volker Limburg aus dem Amt.

    19. September 2012: Eine neue Neonazi-Datei geht in Betrieb. Die Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern sammeln darin Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten und deren Hintermänner.

    8. November 2012: Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Zschäpe.

    14. November 2012: Berlins Verfassungsschutz-Chefin Claudia Schmid tritt von ihrem Posten zurück.

    7. Dezember 2012: Die Innenminister von Bund und Ländern einigen sich auf Reformen beim Verfassungsschutz: Dazu gehören eine zentrale Datei für Informanten des Inlands-Geheimdienstes und einheitliche Kriterien zur Führung dieser V-Leute. Der Informationsaustausch der Ämter in Bund und Ländern soll besser werden.

    14. Dezember 2012: Der Schock über die NSU-Verbrechen hat die Debatte über ein NPD-Verbot neu entfacht. Die Länder preschen vor und beschließen im Bundesrat, vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei einzuleiten.

    20. März 2013: Das Bundeskabinett entscheidet sich dagegen, einen eigenen Verbotsantrag gegen die NPD zu stellen.

    März 2013: Das Oberlandesgericht München steht wenige Wochen vor Prozessbeginn in der Kritik: Das Gericht hatte die Presseplätze nach dem Windhund-Prinzip vergeben. Alle türkischen und griechischen Medien gingen leer aus.

    4. April 2013: Eklat um den NSU-Prozess: Die türkische Zeitung "Sabah" reicht eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.

    13. April 2013: Die Verfassungsschützer ordnen an, mindestens drei weitere Plätze für ausländische Medien zu schaffen. Das OLG verschiebt den Prozess daraufhin auf den 6. Mai - die Plätze werden im Losverfahren neu vergeben.

    Bereits bei seiner ersten Vernehmung hatte der Zeuge eingeräumt, eine rechtsextreme Kameradschaft in Altenburg (Thüringen) gegründet zu haben und gemeinsam mit dem Angeklagten Ralf Wohlleben und einem weiteren mutmaßlichen Unterstützer politisch aktiv gewesen zu sein. Seine Ex-Freundin hatte ausgesagt, er sei Mitglied der militanten, konspirativ organisierten "Hammerskins".

    Zeuge nutzt die Vernehmung für Propaganda

    Richter und Nebenklage-Vertreter versuchten ihm Einzelheiten zu entlocken. Fragen zu den "Hammerskins" beantwortete er durchweg nicht. "Ich sehe den Konflikt zwischen dem Gericht und mir", stellte er unter hörbarem Geraune im Saal fest, "das kann ich mit meinem Wertegefüge nicht vereinbaren." Ihm sei bewusst, dass sein Schweigen bestraft werde, "aber damit muss ich leben".

    Anschließend konfrontierte ein Nebenklage-Anwalt den Zeugen mit einem Beitrag, den er auf der Internetplattform Twitter veröffentlicht hatte und in dem er den Prozess als "Schande" und "Affentheater" bezeichnete. Das sei seine "persönliche Meinung", bestätigte der Zeuge und nutzte seine Vernehmung für propagandistische Äußerungen, etwa über den von ihm und der "nationalen Bewegung" befürchteten "Volkstod".

    Überwachungsvideos zeigen Kleidung und Waffen des Trios

    Davor hatte sich das Gericht zum ersten Mal mit der Bankraubserie beschäftigt, mit der sich der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) zwischen 1998 und 2011 finanzierte. Ein Ermittler des Bundeskriminalamts sagte, die Täterschaft von Uwe Mundlos und

    Claudia Roth reagierte zeitweise emotional auf das Geschehen in der Verhandlung, vor allem bei der Vernehmung des Szenezeugen. Am Rande sagte sie, bei dem Gedanken an die Taten und einige der Beteiligten bekomme sie immer noch "eine Gänsehaut". Es sei unerklärlich, wie die Verbrechensserie auch mit Geld des Verfassungsschutzes vorbereitet werden konnte.

    Gesetzgeber und Regierung müssten daraus Konsequenzen ziehen. Am Vormittag hatten die türkischen Generalkonsuln aus Berlin und München am Prozess teilgenommen. dpa

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