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Bluttat am Amtsgericht Dachau: Polizeigewerkschaft hält verstärkte Kontrollen für überzogen

Bluttat am Amtsgericht Dachau

Polizeigewerkschaft hält verstärkte Kontrollen für überzogen

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    Über die Sicherheit in Justizgebäuden wird nach dem Mord an dem Staatsanwalt in Dachau wieder diskutiert.
    Über die Sicherheit in Justizgebäuden wird nach dem Mord an dem Staatsanwalt in Dachau wieder diskutiert.

    Der 54 Jahre alte Angeklagte hatte am Mittwoch während der Urteilsbegründung plötzlich eine Pistole gezückt und wild um sich geschossen. Dabei wurde der erst 31 Jahre alte Staatsanwalt getroffen. Trotz einer Notoperation starb der Staatsanwalt wenig später in einem Krankenhaus.

    Routineprozess am Amtsgericht Dachau

    In dem Justizgebäude hatte es keine Kontrollen gegeben. Es war eine Routineprozess, der gestern am Amtsgericht Dachau abgehalten wurde.  Der Transportunternehmer stand wegen nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge vor Gericht. Es sei nicht möglich, eine Gerichtsverhandlung vollständig vor der Öffentlichkeit abzuschotten, sagte der Münchner Generalstaatsanwalt Christoph Strötz am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. "Sozusagen in Geheimjustiz zu verhandeln, das wollen wir nicht, und diese Sicherheit werden wir nicht herstellen können."

    Diskussion um Sicherheit in Justizgebäuden

    Zwar werde die Sicherheitsfrage bei Prozessen intensiv diskutiert und man habe ein Sicherheitskonzept erstellt, erläuterte Strötz. Aber "uns ist bewusst, dass wir nicht alle 250 bayerischen Justizgebäude zu Sicherheits- und Trutzburgen ausbauen können", sagte er weiter. "Wir sprechen im Namen des Volkes Recht und dann hat auch das Volk das Recht, daran teilzunehmen." Bereits am Mittwoch hatte Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) gesagt, Justizgebäude könnten nicht vollständig abgeschottet werden.

    Tödliche Anschläge bei Gericht

    Die Sicherheitsvorkehrungen in Gerichten können blutige Angriffe nicht immer verhindern. Eine Auswahl spektakulärer Fälle:

    Juli 2009: Während einer Verhandlung am Dresdner Landgericht ersticht der Angeklagte eine als Zeugin geladene Ägypterin. Der Russland-Deutsche tötet die Frau aus Fremdenhass und muss lebenslang in Haft.

    April 2009: Im Landshuter Landgericht erschießt ein Mann seine Schwägerin und nimmt sich danach das Leben. Zwei weitere Menschen werden bei der Schießerei vor einem Sitzungssaal verletzt.

    Mai 1998: Ein 69-Jähriger erschießt aus Rache und Hass auf die Justiz einen 52 Jahre alten Amtsrichter in dessen Dienstzimmer in Essen. Dann tötet er sich selbst.

    Februar 1998: Ein Angeklagter schießt im Gerichtssaal in Aurich (Niedersachsen) einen Staatsanwalt an und erschießt sich selbst.

    März 1997: Ein 39-jähriger Polizist erschießt in einem Amtsgericht in Frankfurt/Main seine Ex-Lebensgefährtin und verletzt deren Anwältin schwer.

    Januar 1995: Ein 54-Jähriger schneidet einer Richterin im Kieler Amtsgericht die Kehle durch. Er hatte irrtümlich angenommen, sie sei für seine Sorgerechtsangelegenheit zuständig.

    März 1994: Im Gericht in Euskirchen (Nordrhein-Westfalen) zündet ein 39-Jähriger einen Sprengsatz, da seine Ex-Freundin ihn wegen Körperverletzung verklagt hatte. Bilanz: sieben Tote, darunter die Frau, der Richter und der Täter selbst.

    März 1981: In Lübeck tötet eine 30 Jahre alte Gastwirtin während einer Verhandlung im Landgericht den mutmaßlichen Mörder ihrer siebenjährigen Tochter.

     Die Deutsche Polizeigewerkschaft in Bayern hält generell verstärkte Kontrollen in Justizgebäuden für überzogen. Schon kleine Maßnahmen wie eine Abgabepflicht für Mäntel, Jacken und Taschen am Eingang würden mehr Sicherheit bringen, sagte der Landesvorsitzende Hermann Benker am Donnerstag nach Gewerkschaftsangaben.

    Kontrolle am Eingang der Gerichte

    "Damit nicht jeder Prozessbeteiligte oder Besucher unbehelligt ein Justizgebäude betreten und in Gerichtsverhandlungen in seiner Kleidung oder in Taschen versteckte Waffen mitbringen kann, wäre eine Eingangskontrolle durch Ablegen von Überbekleidung und Abgabe mitgebrachter Taschen mit weniger Aufwand als verstärkte Sicherheitskontrollen realisierbar", sagte Benker. Höhere Sicherheitsmaßnahmen solle es nach wie vor nur geben, wenn konkrete Anhaltspunkte für Bedrohungen bekannt seien.

    Der 54 Jahre alte mutmaßliche Mörder des Staatsanwalts wird am heutigen Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt. Die Staatsanwaltschaft hat Haftbefehl wegen Mordes beantragt, über den der Richter nun entscheiden muss. Nach Medienberichten schweigt der 54-Jährige zum Tatmotiv. Die Verteidigerin in dem gestrigen Prozess um den Dachauer Transportunternehmer arbeitet nach Informationen unserer Zeitung in einer Augsburger Kanzlei. dpa/AZ

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