Im NSU-Prozess hat am Mittwoch der frühere V-Mann "Piatto" des brandenburgischen Verfassungsschutzes als Zeuge ausgesagt. Seine Aussage war mit Spannung erwartet worden, weil er enge Kontakte zur mutmaßlichen Unterstützerszene des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) besessen haben soll. Die Bundesanwaltschaft wirft dem NSU zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge aus überwiegend rassistischen Motiven vor.
Am Ende des Verhandlungstages forderten die Verteidiger des mitangeklagten Ralf Wohlleben dessen Freilassung aus der Untersuchungshaft. Zur Begründung sagte Wohllebens Anwalt Olaf Klemke, die bisherige Beweisaufnahme habe die Vorwürfe gegen seinen Mandanten nicht erhärten können, sondern sogar "erheblich relativiert". Die seit nunmehr drei Jahren andauernde Untersuchungshaft sei deshalb unverhältnismäßig.
"Piatto": mit Perücke plaudert er über Details zu "Blood & Honour"
V-Mann "Piatto", der bis zu seiner Enttarnung vor 14 Jahren bürgerlich Carsten Szczepanski hieß, war am Morgen mit einer auffälligen dunkelhaarigen Perücke als Tarnung im Gerichtssaal erschienen. Beim Betreten des Saales verhüllte er sein Gesicht mit einem Tuch, das er erst wegzog, als er den Zuschauerplätzen den Rücken zuwandte. Offenbar war aus Tarnungsgründen auch seine Kleidung ausgestopft, so dass er fülliger erschien als er möglicherweise ist.
An allgemeine Gepflogenheiten und Ansichten der Szene erinnerte er sich noch gut. Die Chemnitzer Gruppe, die das NSU-Trio versteckt und unterstützt haben soll, habe sich zur Organisation "Blood & Honour" gezählt. Die habe "ganz weit rechts" gestanden und sei besonders radikal gewesen.
"Piatto" erinnert sich an Spendengelder aus Neonazi-Konzerten
Konkrete Details nannte der Zeuge aber kaum. Mehrfach hielt ihm der Vorsitzende Richter Details aus Geheimdienstunterlagen vor, in denen Berichte "Piattos" wiedergegeben sind. Demnach habe die Chemnitzer Gruppe für das untergetauchte Trio Geld gesammelt, Waffen beschaffen und eine Flucht nach Südafrika mit einem Pass für "die weibliche Person des Trios" organisieren wollen. Szczepanski erinnerte sich aber nur noch, dass Eintrittsgelder aus Konzerten mit Neonazi-Bands gespendet werden sollten.
Unklar blieb auch, woher der V-Mann seine Informationen schöpfte. Auf Nachfragen vor allem der Verteidiger sagte er, das meiste habe er von vier Führungsmitgliedern der Chemnitzer "Blood & Honour"-Gruppe gehört. Er selber habe an den Treffen der Gruppe nicht teilgenommen, er habe zur Szene in Königs-Wusterhausen gehört.
"Piatto" betont seine Reue
Persönliche Vorteile will er mit seiner V-Mann-Tätigkeit nicht verbunden haben. Er habe sich als Untersuchungshäftling Anfang der 1990er Jahre aus freien Stücken angeboten. 1995 war er wegen versuchten Mordes an einem Nigerianer verurteilt worden. Zwei Jahre später kam er frei und spähte bis zu seiner Enttarnung die Szene aus - "aus tätiger Reue", wie er vor Gericht sagte. dpa