Ihr neues Album trägt den Titel: „Leb dein Leben (…so, wie du es fühlst). Ist das eine Aufforderung mit autobiografischen Wurzeln?
Patrick Lindner: Ja. Ich finde aber auch, dass die Aussage einfach gut in die Zeit passt. Denn man hat das Gefühl, viele laufen nur mehr im Hamsterrad. Wenn man in die Straßenbahn oder S-Bahn einsteigt, sieht man: Jeder hängt nur mehr am Handy. Mich beschleicht manchmal das Gefühl, keiner hat mehr für sich Zeit, geschweige denn für andere. Darum dachte ich: Leb dein Leben! ist eine schöne Aufforderung. Und das Lied ist ein schöner, flotter Schlagertitel geworden.
Einen Titel haben Sie als Duett mit Ihrer Gesangskollegin Nicki aufgenommen. Wie kam es denn dazu?
Lindner: Das war eine spontane Idee. Als ich dabei war, die Lieder für das neue Album herauszusuchen, gab es einen Titel von einer niederländischen Band, den ich covern wollte. Ich war der Meinung, das ist ein Duetttitel. Dann habe ich überlegt, wer da in Frage käme. Da kamen wir auf die Nicki. Wir fragten an und nach einigen Wochen hat sie zugesagt und wir waren mit vollem Herzen dabei.
Wie läuft denn der Titel „Baby Voulez Vous“?
Lindner: Super! Da hat die Bild-Zeitung sogar schon drüber geschrieben: Patrick Linder küsst Nicki wieder aus den Dornröschenschlaf – das bayerische Cowgirl sattelt wieder auf. Wir haben ein lustiges Video gemacht, da hatten wir schon am ersten Tag 30000 Klicks.
„Ich hatte niemanden, der mir geholfen hat“
Wie war das bei Ihnen? Sie hatten in Ihrem Privatleben ja Widerstände zu überwinden. 1997 sorgten Sie mit Ihrem Bekenntnis zur Homosexualität, der Beziehung zu Ihrem damaligen Manager Michael Link und der Adoption eines Buben für Schlagzeilen.
Lindner: Wir sind inzwischen natürlich schon große Schritte weiter gekommen, aber es ist nach wie vor so: Das ist ein Thema, über das man sprechen muss. Dafür mache ich mich auch weiterhin stark, dafür steht auch meine Stiftung. Ich persönlich war damals völlig allein mit der Situation, in mein Leben zu finden. Als ich festgestellt habe, dass ich sexuell anders orientiert bin, hatte ich niemanden, der mir geholfen hätte. Das kommt natürlich auch heute noch oft vor, obwohl es mehr Anlaufstellen gibt. Aber die Selbstmordrate ist bei homosexuellen Jugendlichen noch immer viermal höher als bei den anderen.
Und was macht Ihre Stiftung?
Lindner: Wir unterstützen ein Schulprojekt, das von manchen immer noch falsch verstanden wird. Da bekommt man dann oft zu hören: Wir wollen keinen Unterricht zur sexuellen Ausrichtung. Den Kritikern sagen wir dann, es geht um verschiedene Lebensweisen, die im Schulunterricht nie angesprochen werden. Heute wissen wir ja auch: Jugendliche denken ganz anders über Homosexualität, wenn sie mal im Unterricht zum Thema gemacht worden ist. Sie schreien dann nicht mehr so Sachen wie „Du schwule Sau“ über den Schulhof.
Ist Homosexualität in unserer Gesellschaft schon weitgehend tabubefreit?
Lindner: Nein, mit Sicherheit nicht. Zwar gibt es viele Leute, die das behaupten. Man stellt aber immer wieder fest, dass dies oft nicht so ist, besonders wenn Homosexualität in der eigenen Familie vorkommt. Wir sind mit der Ehe für alle und anderen Gleichstellungen aber schon einen Schritt weiter. Aber ich möchte mich weiter für die Aufklärung zur Homosexualität starkmachen.
Warum heißt Patrick Lindner Patrick Linder?
Sie haben jetzt wieder eine schwere Zeit hinter sich. Anfang 2016 ist Ihre geliebte Mutter gestorben. Sie hatte Alzheimer und wurde lange von Ihnen gepflegt. Wie ging es Ihnen dabei?
Lindner: Phasenweise konnte ich mich darauf vorbereiten. Denn es war ein längerer Prozess. Es war für mich und meinen Partner selbstverständlich, dass wir die Mutter unterstützen. Als sie zwei Jahre vor ihrem Tod einen Schlaganfall hatte, rutschten wir in eine sehr schwere Zeit. Aber es gibt viele Millionen Menschen, die das gleiche Schicksal teilen. Jeder, der Eltern hat, muss mit so etwas rechnen. Im Endeffekt fand sie mit dem Tod ein, so seltsam das klingen mag, gutes Ende. Wir hatten einen wunderbaren Abschied, der mir eine innere Ruhe gegeben hat. Sie ist ohne Schmerzen einfach eingeschlafen. Ich habe inzwischen auch mit meiner Trauer abgeschlossen. Aber ich habe weiterhin ein inniges Verhältnis zu meiner Mutter. Ich bin oft noch in Gedanken bei ihr.
Sie heißen eigentlich Friedrich Günther Raab. Warum nennen Sie sich heute ausgerechnet Patrick Lindner?
Lindner: Die Auswahl war gar nicht so einfach. Die Plattenfirma Ariola verpasste mir den Vornamen. Dann suchten wir den passenden Nachnamen. Schließlich saßen wir mal im Biergarten unter Linden und das war die Inspiration für Lindner.
Sie haben ursprünglich eine Ausbildung als Koch absolviert. Wie haben Sie den Sprung ins Musik-Business geschafft?
Lindner: Das war wohl schon immer in mir drin. Ich hatte ein leichtes Geltungsbedürfnis und wollte zeigen: Hey, da steckt noch mehr in mir! Aber von meinem Vater war das unterdrückt worden. Und ich war schüchtern und traute mir das zunächst nicht zu. Als ich anfing, Theater zu spielen, verlor ich die Bühnenangst. Über eine bekannte Schauspielerin lernte ich dann einen Musikproduzenten kennen...
Kochen Sie privat noch immer gerne?
Lindner: Sehr gerne sogar. Ganz unterschiedlich. Wenn Gäste da sind, kocht man anders, als für sich selber. Ich koche jeden Tag, wenn ich daheim bin. Das Kochen ist für mich ein schöner Ausgleich. Da kann ich gut zur Ruhe gekommen.