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Pfaffenhofen: Nervenkrieg im Jugendamt: Polizei befreit Geisel nach Stunden

Pfaffenhofen

Nervenkrieg im Jugendamt: Polizei befreit Geisel nach Stunden

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    Einsatz in Pfaffenhofen an der Ilm: Ein Mann nimmt eine Sachbearbeiterin des Jugendamts als Geisel.
    Einsatz in Pfaffenhofen an der Ilm: Ein Mann nimmt eine Sachbearbeiterin des Jugendamts als Geisel. Foto: Luzia Grasser

    Als der Mann um kurz vor 8.30 Uhr an der Tür des Pfaffenhofener Jugendamts, mitten in der Innenstadt, klingelte, hatte die 31-jährige Mitarbeiterin ihm noch arglos die Tür geöffnet. Sie kannte den 28-Jährigen aus Ingolstadt offenbar, sie hatte bereits des Öfteren mit der Familie zu tun. Dieser unangekündigte Besuch am Montagmorgen jedoch endete in einem Drama.

    Im Büro der Mitarbeiterin im dritten Stock, gleich unter dem Dach, zückte der Mann ein Messer und bedrohte die Frau. Als sie um Hilfe rief, alarmierte eine Kollegin die Polizei. Der Mann verbarrikadierte sich schließlich zusammen mit der Sachbearbeiterin, ließ die Jalousien herunter. Und er stellte seine Forderungen: Er wollte eine scharfe Schusswaffe, Wasser, ein Notfall-WC. Vor allen Dingen aber wollte er, dass seine Lebensgefährtin die eineinhalbjährige Tochter wieder zurückbekommt, die momentan bei einer Pflegefamilie lebt. Ob der Täter auch der leibliche Vater des Mädchens ist, konnten die Ermittler am Montagnachmittag noch nicht sagen.

    Geiselnahme in Pfaffenhofen: Unvorstellbare Ängste

    Über Stunden hatte sich ein Nervenkrieg in den Räumen abgespielt. Noch am Vormittag hatte die Geisel einen Fluchtversuch unternommen, doch der war misslungen. Der Täter hatte sie dabei mit dem Messer leicht am Hals und an der Hand verletzt.

    Großeinsatz in Pfaffenhofen: Insgesamt sind 330 Polizisten im Einsatz.
    Großeinsatz in Pfaffenhofen: Insgesamt sind 330 Polizisten im Einsatz. Foto: Luzia Grasser

    Während drinnen die Frau unvorstellbare Ängste aushalten musste, glich die Pfaffenhofener Innenstadt einer Geisterstadt. Die Polizei hatte den Bereich rund um das Büro, das sich in einem Nachbargebäude des Landratsamtes befindet, abgesperrt. Bewohner, die nebenan wohnen, konnten zeitweise nicht mehr in ihre Wohnungen, ein Bekleidungsgeschäft gegenüber hatte aus Sicherheitsgründen ganz geschlossen. Entlang der Straßen parkten unzählige Streifenwagen, vermummte Spezialkräfte bereiteten sich auf ihren Einsatz vor.

    Geiselnahmen in Behörden

    Frust, Geldmangel oder Stalking – in extremen Fällen sind Behördenmitarbeiter schon früher als Geiseln genommen worden. Drei Fälle:

    Ingolstadt, August 2013: Nach stundenlangem Nervenkrieg beenden Polizisten eine Geiselnahme im Rathaus. Ein mit Messer und Spielzeugpistole bewaffneter 24-Jähriger hielt vier Menschen fest. Einer der Geiseln hatte er jahrelang nachgestellt.

    Gerolstein (Rheinland-Pfalz), Februar 2011: Damit die kaputte Heizung in seiner Sozialwohnung repariert wird, nimmt ein mit einer Machete bewaffneter 54-Jähriger im Rathaus einen Verwaltungsbeamten als Geisel. Nach wenigen Minuten ist alles vorbei.

    Aachen (Nordrhein-Westfalen), September 2007: Mit einer defekten Luftpistole bewaffnet, hält eine 46-Jährige einen Mitarbeiter der Arbeitsagentur fest und fordert Sozialhilfe oder Essensmarken. Die Behörde hatte die Zahlungen kurz zuvor gestoppt. Nach zwei Stunden gibt die Frau freiwillig auf.

    Unterdessen versuchte die Verhandlungsgruppe der Polizei, mit dem Mann ins Gespräch zu kommen. Dabei hatten die Beamten offenbar den Eindruck gewonnen, dass sich die Geisel zu keiner Zeit in akuter Lebensgefahr befunden habe. Allerdings gelang es den Beamten auch nicht, den Mann trotz des telefonischen Kontakts zum Aufgeben zu bewegen. Rund um das Gebäude waren zahlreiche Rettungskräfte stationiert, insgesamt waren allein 330 Kräfte der

    Michaela Grob, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, informiert am Tatort die Journalisten.
    Michaela Grob, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, informiert am Tatort die Journalisten. Foto: Luzia Grasser

    Die Sondereinsatzkräfte hatten den Moment ausgenutzt, als die Geisel nach einem Arzt verlangt hatte. Ihr ging es – vor allem psychisch – zunehmend schlechter. Mit einem Elektroschocker, einem sogenannten Taser, gelang es den Beamten schließlich, den Mann zu überwältigen. Er blieb bei dem Einsatz – bis auf Schürfwunden – unverletzt. Die Frau wurde bei der Befreiungsaktion körperlich nicht verletzt.

    Am Dienstag wird der mutmaßliche Täter dem Haftrichter vorgeführt. Er muss entscheiden, ob der Mann in Untersuchungshaft kommt oder ob er möglicherweise in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden soll.

    Der Ingolstädter war der Polizei bereits wegen kleinerer Delikte bekannt. Es ging um häusliche Gewalt, auch Polizisten gegenüber war er aggressiv geworden. Schon damals war offenkundig geworden, dass der Mann psychische Probleme hat. Deshalb war er in der Vergangenheit bereits in Gewahrsam genommen worden, außerdem bekam er eine Betreuerin.

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