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NSU-Prozess: Neonazi trägt Bomberjacke und Springerstiefel vor Gericht

NSU-Prozess

Neonazi trägt Bomberjacke und Springerstiefel vor Gericht

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    Im NSU-Prozess sagte heute ein Neonazi aus Kassel als Zeuge aus. Hauptangeklagte in München ist Beate Zschäpe. Archivbikd
    Im NSU-Prozess sagte heute ein Neonazi aus Kassel als Zeuge aus. Hauptangeklagte in München ist Beate Zschäpe. Archivbikd Foto: Marc Müller dpa

    In Bomberjacke und Springerstiefel erschien ein führender Neonazi aus Kassel am heutigen Mittwoch vor Gericht. Er soll als Zeuge im NSU-Prozess zum Mord an dem Betreiber eines Kasseler Internet-Cafés am 6. April 2006 aussagen. Bis zum Donnerstag soll die Befragung zu seinen Kontakten zum "Nationalsozialistischen Untergrund" andauern.

    Neonazi aus Kassel unterbricht Richter

    Gleich zu Beginn der Verhandlung unterbrach der Zeuge den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl und erklärte, er werde nicht aussagen, da gegen ihn ermittelt werde. Es wurde ihm dann von den Prozessvertretern der Bundesanwaltschaft mitgeteilt, dass kein Verfahren gegen ihn geführt werde. Daraufhin sagte er: "Dann kann ich mich eben an nichts erinnern."

    NSU-Prozess: Zeuge stritt vergangene Vernehmungshinweise ab

    Der Richter hielt dem Zeugen Vernehmungen von Polizei und Staatsanwaltschaft vor. Laut dieser soll der Zeuge Mundlos und Böhnhardt im März 2006 am Bahnhof abgeholt haben und mit ihnen zu einer Geburtstagsfeier gefahren sein. Demnach wusste er, dass die beiden zum Zeitpunkt des Mordes in Kassel gewesen seien. Beides wurde vom Zeugen abgestritten. Die Vernehmer hätten ihm die Worte in den Mund gelegt, er kenne die mutmaßlichen NSU-Terroristen nicht. Außerdem sei von ihm kein Protokoll unterschrieben worden. Daraufhin zeigte der Richter ihm eine Niederschrift, auf der sein handschriftlicher Name zu erkennen war. Dies wurde vom Zeugen bestätigt.

    Das ist Beate Zschäpe

    Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.

    Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.

    Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.

    Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.

    Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.

    Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.

    Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.

    Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.

    Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.

    Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".

    Hauptangeklagte in München ist Beate Zschäpe, die sich wegen zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen verantworten muss. AZ/dpa

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