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Bayern: Nachfolger gesucht: Jeder zweite Schulleiter geht

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Nachfolger gesucht: Jeder zweite Schulleiter geht

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    Die Mappe mit den Aufgaben wird jedes Jahr dicker. Christiane Strom leitet seit vier Jahren die Elias-Holl-Grundschule in Augsburg.
    Die Mappe mit den Aufgaben wird jedes Jahr dicker. Christiane Strom leitet seit vier Jahren die Elias-Holl-Grundschule in Augsburg. Foto: Ulrich Wagner

    Schulleiterin Christiane Strom hat keine Zeit zum Essen. Die Butterbreze von morgens liegt noch auf dem Schreibtisch. Erst hat die Rektorin der Augsburger Elias-Holl-Grundschule die letzten Mails und Anrufe vom Vortag abgearbeitet. Danach war sie beim Lehrergespräch. Zwischendurch füllt sie Anträge zur offenen Ganztagsschule aus und kümmert sich um die Planung fürs neue Schuljahr. Und dann – man könnte es fast vergessen – sind da ja auch noch die Schüler, für die Stroms Tür immer offen steht. Offene Ganztagsschule, Inklusion, Integration von Flüchtlingen: Schulleiter in Bayern haben heutzutage viel Arbeit. Wieviel, das sieht man oft erst, wenn keiner sie macht.

    Die Hälfte der Führungskräfte an bayerischen Schulen nun ist inzwischen über 56 Jahre alt. Das heißt: In den nächsten zehn Jahren gehen sie in den Ruhestand. Jetzt häufen sich die Befürchtungen, dass das bayerische Schulwesen auf die Pensionierungswelle nicht vorbereitet ist. „Es ist ja heute schon schwer, jemanden zu finden, der überhaupt noch Schulleiter werden will“, sagt etwa Gerd Nitschke, Vizepräsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) und Rektor der Grund- und Mittelschule in Ebersberg bei München.

    Nitschke ist überzeugt davon, dass die Pensionierungswelle nur zu bewältigen ist, wenn man sich rechtzeitig dafür rüstet. „Man müsste jetzt schon Kandidaten suchen und Qualifikationsmaßnahmen anbieten.“

    Kultusministerium sieht keinen Bedarf jetzt schon Kandidaten für Schulleitung zu suchen

    Das Kultusministerium sieht dafür im Moment keinen Bedarf. „Zurzeit können alle frei werdenden Schulleitungsstellen besetzt werden“, sagt eine Sprecherin auf Nachfrage unserer Zeitung. Wie das in Zukunft ist? Dazu könne sie keine Prognose abgeben. Sie weist aber darauf hin, dass sich in Bayern schon „ein wirkungsvolles Auswahlverfahren etabliert“ habe, das lange vor Stellenausschreibungen greife: Bei Unterrichtsbesuchen oder in Gesprächen werde die jeweilige Schulaufsicht durchaus auf „Nachwuchsführungskräfte“ aufmerksam. „Diese erfahren dann eine gezielte Förderung in Richtung einer Führungsaufgabe.“ Das könnten zum Beispiel Projektleitungen sein – oder Aufgaben als Fachberater.

    Der SPD im Landtag genügt das nicht: Die Fraktion forderte jüngst eine „Qualifizierungsoffensive“ und mehr Investitionen in die Weiterbildung der Pädagogen.

    Grund- und Mittelschulen in Bayern trifft die Pensionierungswelle dem Lehrerverband zufolge besonders hart. 42 Prozent der Rektoren dort verabschieden sich in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand. An Gymnasien sind es mit 52 Prozent zwar noch mehr. Dort aber besteht die Schulleitung aus mehreren Personen. Das macht es laut Nitschke leichter, die Pensionierungen zu kompensieren.

    Christiane Strom leitet die Augsburger Elias-Holl-Schule mit über 300 Schülern seit vier Jahren. Sie ist zwar erst 53 – und sie macht ihren Job gern, denn sie wolle ihre Schule voranbringen und gestalten. Trotzdem sagt die Rektorin: „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass ich bis 66 arbeite.“ Oft beantwortet Strom wichtige E-Mails erst um Mitternacht von zuhause aus, jedes Schuljahr wieder steht sie vor einer weißen Wand, auf der so bald wie möglich der Stundenplan ausgetüftelt sein will. Wegen des Geldes macht sie das nicht. Je nach Schulart, Schulgröße und der vorherigen Besoldungsstufe verdient ein Schulleiter in Bayern dem BLLV zufolge oft nur wenige hundert Euro mehr als zuvor.

    Doppelbelastung oft zu viel

    Man müsse Idealist sein, um eine Schule zu leiten, sagt Christiane Strom: „Ich denke gar nicht darüber nach, welche Stunden mir honoriert werden und welche nicht.“ Viele Kollegen denken wie sie. Bei den Konrektoren ist die Situation oft genauso brisant. Sie sind trotz ihrer Position in erster Linie Lehrer, die ganz normal Unterricht halten. Immer wieder wird ihnen die Doppelbelastung zu viel, immer wieder geben manche von ihnen ihr Amt zurück. An der Elias-Holl-Schule ist Andrea Pawlitschko Konrektorin. Sie sei so viel mit Verwaltungsaufgaben beschäftigt, dass sie ihre Schulstunden kaum noch vorbereiten könne, sagt sie. Um das zu ändern, gibt es für Pawlitschko nur eine Lösung: „Wir brauchen mehr Zeit für unsere Verwaltungsaufgaben.“

    Der BLLV fordert dasselbe: „Die Schulleiter wollen eher mehr Leitungszeit als zusätzliches Geld“, sagt Vizechef Gerd Nitschke. Die Arbeit wurde demnach immer mehr, die Pflichtstunden aber nicht weniger. Christiane Strom bestätigt das. „Wenn ich nicht noch 15 Stunden die Woche unterrichten müsste, wäre vieles leichter.“ Dann packt sie ihre Mappe. Musik in der 3. Klasse. Und die Butterbreze liegt immer noch da.

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