Hat der "Nationalsozialistische Untergrund" als isoliertes Trio gearbeitet oder gehörte er zu einem größeren Terror-Netzwerk? Darüber haben Nebenkläger und Bundesanwaltschaft beim NSU-Prozess gestritten. Am Dienstag wandte sich die Anklagebehörde gegen mehrere Anträge, mit denen die Nebenkläger die Beteiligung von Unterstützern am Tatort der zehn Morde und bei zwei Sprengstoffanschlägen beweisen wollten.
NSU in Wahrheit eine "Combat 18"-Zelle?
Oberstaatsanwältin Anette Greger wies die Forderung zurück, Mitglieder der militanten Gruppe "Combat 18""in Dortmund als Zeugen zu laden. Es gebe "keine konkreten Anhaltspunkte", dass diese Gruppe Kontakt zum NSU hatte. "Die Aufklärung der Dortmunder Strukturen kann nicht zur Aufklärung der angeklagten Straftaten führen", sagte sie.
Dem widersprachen einige Nebenkläger, die die Angehörigen der Opfer vertreten. Rechtsanwalt Sebastian Scharmer verwies auf die aktenkundige Aussage eines Dortmunder Neonazis. Dieser habe in einer Polizeivernehmung erklärt, er könne die Herkunft zweier Pistolen des NSU klären. Er müsse deshalb als Zeuge geladen werden. Rechtsanwalt Yavuz Narin sagte, es bestehe der Verdacht, dass das NSU-Trio selber eine "Combat 18"-Zelle gewesen sei. "Combat 18" gelte als bewaffneter Arm der "Blood & Honour"-Bewegung.
NSU-Prozess: Videos als wichtigste Beweisstücke
Das ist Beate Zschäpe
Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.
Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.
Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.
Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.
Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.
Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.
Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.
Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.
Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.
Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.
Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".
Zuvor hatte das Oberlandesgericht München erneut das NSU-Bekennervideo auf einer Leinwand im Verhandlungssaal vorgeführt, außerdem zwei frühere Versionen des Videos, die auf Festplatten in der ausgebrannten Wohnung des Trios in Zwickau gefunden wurden. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe verbarg ihr Gesicht hinter ihren Haaren, als die Videos liefen.
Anlass für die Vorführung war eine schriftliche Auswertung aller darin enthaltenen Aussagen als eingeblendeter Text oder gesprochenes Wort. Das Gericht hatte diese Auswertung bei der Bundesanwaltschaft in Auftrag gegeben. Die Videos zählen zu den wichtigsten Beweisstücken im NSU-Prozess. Sie enthalten Material, das nach Überzeugung der Behörden nur die Täter besitzen konnten, darunter Fotos von mehreren Tatorten.
Am Morgen hatte das Gericht einen inzwischen pensionierten Kripo-Ermittler angehört, der Zschäpe vor 18 Jahren in Jena vernommen hatte. Er erinnerte sich daran nur vage, wisse aber noch, dass es damals um eine Puppe mit einem Judenstern gegangen sei, die Unbekannte an einer Autobahnbrücke aufgehängt hatten. dpa