Der seit sieben Jahre gegen seinen Willen in der Psychiatrie festgehaltene Gustl Mollath hat seinen Auftritt vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss für eine Generalabrechnung mit Justiz, Steuerbehörden und der Psychiatrie genutzt. Weder Steuerfahnder noch Staatsanwälte hätten seinerzeit auf seine schlüssigen Hinweise auf Schwarzgeldgeschäfte der HypoVereinsbank reagiert, beklagte er am Dienstag in München. "Auf meine Schreiben hin, hat niemand mit mir Kontakt aufgenommen", kritisierte der 56-jährige Nürnberger. Zugleich prangerte er die seiner Ansicht nach unerträgliche Unterbringungssituation im psychiatrischen Krankenhaus in Bayreuth an; Mollath ist dort seit Jahren untergebracht.
Der gefasst und diszipliniert wirkende Mollath berichtete beispielsweise von wiederholten nächtlichen "Stuben-Kontrollen" des Bayreuther Klinikpersonals. Der mehrfach in der Nacht auf ihn gerichtete Taschenlampenstrahl wecke ihn stets. "Ich leide dadurch massiv unter Schlafmangel", schilderte der 56-Jährige den Ausschussmitgliedern. Er habe dort Dinge erlebt, die er seinem ärgsten Feind nicht wünsche, unterstrich er.
Mollath: Lieber Gefängnis als Psychiatrie
"Sollte ich lebenslang in Sicherungsverwahrung bleiben müssen, wünsche ich mir eine Unterbringung in einem ordentlichen Gefängnis", unterstrich Mollath. Die Bedingungen seien dort sicherlich erträglicher als in der geschlossenen psychiatrischen Klinik.
An die anwesenden Landespolitiker appellierte er, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Der Freistaat Bayern könnte damit zugleich erhebliche Kosten sparen: "Die Unterbringung in einem normalen Gefängnis wäre etwa nur halb so teuer wie in der Psychiatrie." Derzeit koste seine Unterbringung in der Psychiatrie rund 100 000 Euro im Jahr. "Inzwischen belaufen sich die Kosten also auf rund 800 000 Euro", fügte der 56-Jährige hinzu.
Belastendes Material in Frankreich und der Schweiz deponiert?
Zugleich überraschte Mollath mit dem Hinweis, er habe weiteres belastendes Material in Frankreich und der Schweiz deponiert. Im Wissen um die Brisanz des Material und weil er damals Deutschland nicht für ausreichend sicher gehalten habe, habe er Dokumente beispielsweise im Büro der französischen Journalistin und Nazijägerin Beate Klarsfeld in Paris deponiert. Ein anderer Teil seines Beweismaterials sei bei der Versteigerung seines Nürnberger Hauses abhanden gekommen.
Mollath war 2006 wegen vermuteter Gemeingefährlichkeit in die Psychiatrie eingewiesen worden - weil er laut damaligem Urteil seine Frau schwer misshandelt und die Reifen mehrerer Dutzend Autos zerstochen habe. Mollath selbst und viele seiner Unterstützer glauben, er sei Opfer eines Komplott seiner früheren Ehefrau und der Justiz, weil er Schwarzgeldgeschäfte in Millionenhöhe aufgedeckt habe.
Mollath kritisiert Vorsitzenden Richter
Chronologie des Falls Mollath
Ab 2006 saß der Nürnberger Gustl Mollath in der Psychiatrie. Hier eine Chronologie des Falles:
November 2002: Gustl Mollath wird von seiner Frau wegen Körperverletzung angezeigt. Er soll sie im August 2001 ohne Grund mindestens 20-mal mit den Fäusten geschlagen haben. Außerdem habe er sie gebissen, getreten und sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt.
Mai 2003: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhebt Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung.
September 2003: Die Hauptverhandlung beginnt vor dem Amtsgericht Nürnberg. Im April 2004 wird sie fortgesetzt. Ein Gutachter attestiert dabei Mollath erstmals gravierende psychische Störungen.
Dezember 2003: Mollath erstattet Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen seine Frau, weitere Mitarbeiter der HypoVereinsbank und 24 Kunden wegen Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäften.
Februar 2004: Die Anzeige wird von der Staatsanwaltschaft abgelegt. Begründung: Es gebe nur einen pauschalen Verdacht. Die Angaben seien zu unkonkret, als dass sie ein Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würden.
Juni 2004: Mollath wird gegen seinen Willen zur Begutachtung ins Bezirkskrankenhaus Erlangen gebracht, kommt aber schon kurz darauf wieder frei. Im Februar 2005 wird er in das Bezirkskrankenhaus Bayreuth eingewiesen. Dort bringt er fünf Wochen zu.
August 2006: Das Landgericht Nürnberg spricht Mollath von den Vorwürfen der Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung frei. Aber die Strafkammer Mollaths ordnet Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.
Februar 2007: Der Bundesgerichtshof verwirft die Revision als unbegründet.
März 2012: Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) sagt im Rechtsausschuss des Landtags, Mollaths Strafanzeige wegen der Bankgeschäfte seiner Frau sei «weder Auslöser noch Hauptanlass noch überhaupt ein Grund für seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gewesen». Seine Vorwürfe gegen die Bank hätten keinen begründeten Anfangsverdacht für Ermittlungen ergeben.
November 2012: Ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003, dessen Inhalt erst jetzt publik wird, bestätigt, dass ein Teil von Mollath Vorwürfe zutreffend war. Die Freien Wähler fordern Merks Rücktritt und einen Untersuchungsausschuss im Landtag.
30. November 2012: Merk will den Fall Mollath komplett neu aufrollen lassen. Grund war die mögliche Befangenheit eines Richters.
18. März 2013: Die Staatsanwaltschaft Regensburg beantragt die Wiederaufnahme des Verfahrens. Sie stützt sich dabei auf «neue Tatsachen», die dem Gericht bei der Verurteilung im Jahr 2006 noch nicht bekanntgewesen seien. Entscheiden muss das Landgericht Regensburg.
26. April 2013: Der Mollath-Untersuchungsausschuss tritt erstmals zusammen.
28. Mai 2013: Das Landgericht Regensburg lehnt eine Entscheidung über Mollaths Psychiatrie-Unterbringung vor der Prüfung des Wiederaufnahmeantrags ab.
12. Juni 2013: Das Landgericht Bayreuth ordnet an, dass Mollath mindestens noch ein weiteres Jahr und damit bis 2014 in der Psychiatrie bleiben muss.
06. August 2013: Mollath kommt frei. Das OLG Nürnberg ordnet die Wiederaufnahme des Falls an und verfügt, dass diese an einer anderen Kammer des Landgerichts Regensburg stattfinden muss.
05. September 2013: Die Verfassungsbeschwerde Mollaths ist erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gab seiner Beschwerde gegen Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg statt. Die Beschwerde sei offensichtlich begründet, hieß es.
19. Dezember 2013: Das Landgericht Regensburg teilt mit, dass das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath am 7. Juli 2014 beginnt.
13. Januar 2014: Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen die Ex-Frau von Gustl Mollath eingestellt. Mollath hatte seine frühere Ehefrau im August 2013 angezeigt, weil sie in einem Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe 2008 nicht die Wahrheit gesagt habe. Dafür ergaben sich laut Staatsanwaltschaft aber keine Anhaltspunkte.
28. April 2014: Gustl Mollath will das Oberlandesgericht Bamberg mit einer weiteren Verfassungsbeschwerde zwingen zu verkünden, ab wann er unrechtmäßig in der Psychiatrie gesessen habe. Hintergrund ist ein Beschluss des OLG Bamberg aus dem Jahr 2011, nach dem Mollath weiter in der Psychiatrie bleiben musste. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor entschieden, dass dadurch Mollaths Grundrecht auf Freiheit verletzt worden war.
07. Juli 2014: Vor dem Landgericht Regensburg beginnt das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath.
08. August 2014: Die Staatsanwaltschaft fordert in ihrem Plädoyer einen Freispruch für Gustl Mollath. Dabei ist der Anklagevertreter jedoch von der Schuld des 57-Jährigen überzeugt. Die Verteidigung verlangt einen Freispruch "ohne Wenn und Aber". Mollath selbst weist die Vorwürfe zurück.
14. August. 2014: Das Landgericht Regensburg spricht Gustl Mollath frei. dpa
Hart ins Gericht ging Mollath auch mit dem inzwischen pensionierten Vorsitzenden der 7. Strafkammer beim Landgericht Nürnberg-Fürth, der 2006 seine Unterbringung in der Psychiatrie trotz Freispruchs angeordnet hat. Die Gerichtsverhandlung am 8. August 2008 "ist schlichtweg die Hölle gewesen", berichtete er. Der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen und aggressiv gewesen. Mehrfach habe der Kammervorsitzende ihm untersagt, noch einmal auf die mutmaßlichen Schwarzgeldgeschäfte der HypoVereinsbank einzugehen.
An den Schwarzgeldvorwürfen gegen seine Frau hielt Mollath weiter fest, obwohl sie diese Vorhaltungen in einem am Dienstag veröffentlichten Zeitungsinterview bestritten hatte. Mollath erklärte, anfänglich habe die Bankerin im Auftrag ihres Arbeitgebers - der HypoVereinsbank - illegal Schwarzgelder von Bankkunden in die Schweiz geschafft, später sogar hinter dem Rücken der HypoVereinsbank Schwarzgeld-Transfers eingefädelt, sagte er.
Ex-Frau äußert sich zu Schwarzgeld-Vorwürfen
Mollaths Ex-Frau bestritt unterdessen in einem Interview mit dem Nordbayerischen Kurier, dass Schwarzgeld-Schiebereien jemals ein Thema zwischen ihr und ihrem Ex-Mann waren. Das Thema sei erst aufgekommen, nachdem sie ihn verlassen habe. Grund für die Trennung seien vielmehr wiederholte Gewaltausbrüche gewesen. Immer wieder habe er sie geschlagen. Der 56-jährige Mollath selbst bestreitet bis heute, gewalttätig gewesen zu sein. Er bestreitet auch, nach der Trennung zahlreiche Reifen durchstochen zu haben. dpa/lby