Innenminister Joachim Herrmann (CSU) schätzt die Zahl der sogenannten Reichsbürger in Bayern derzeit auf mehr als 1700. Diese Einschätzung sei jedoch noch nicht abschließend, sagte Herrmann am Donnerstag: "Unter dem Verdacht, "Reichsbürger" zu sein, stehen etwa 340 Waffenbesitzer". Bei einigen sei die Zugehörigkeit zu der "Reichsbürger"-Bewegung durch Schreiben an Behörden eindeutig dokumentiert. Diese Zahlen seien ein "Alarmsignal", hatte Herrmann zuvor der "Passauer Neuen Presse" gesagt. "Nicht alle "Reichsbürger" haben Waffen, aber im Vergleich zur restlichen Bevölkerung sind offensichtlich außergewöhnlich viele "Reichsbürger" bewaffnet."
Manche Reichsbürger geben sich klar als solche zu erkennen
Gegen die Waffenbesitzer unter den "Reichsbürgern" werde nun konsequent vorgegangen. "Wenn sich einer klar als "Reichsbürger" zu erkennen gibt, hat er nicht die erforderliche Zulässigkeit für den Waffenbesitz", betonte Herrmann. Dennoch müsse ein Entzug der Waffenerlaubnis in jedem Einzelfall geprüft werden.
Bei einzelnen "Reichsbürgern" gebe es auch Beziehungen zu rechtsextremen Kreisen, sagte Herrmann. "Das scheint aber nach momentaner Analyse nicht das Typische oder Vorherrschende zu sein." Der Verfassungsschutz ordnet 30 bis 40 sogenannte Reichsbürger in Bayern der rechtsextremen Szene zu.
Der Rechtsextremismus-Experte der SPD-Landtagsfraktion, Florian Ritter, warf Herrmann schwere Versäumnisse bei der Bewertung und Beobachtung der Gruppierung vor. "Der Innenminister hat die reale Gefahr, die von den sogenannten Reichsbürgern ausgeht, falsch eingeschätzt und heruntergespielt", sagte Ritter. Die Gruppe sei ein "hochgefährlicher Sprengsatz" in unserer Gesellschaft. Der SPD-Politiker bezeichnete die Aussage, dass nur ein geringer Teil der "Reichsbürger" ein rechtsextremes Gedankengut pflege, als fahrlässig.
Reichsbürger dürfen nicht im Staatsdienst arbeiten
Auch gegen "Reichsbürger" im Staatsdienst werde konsequent vorgegangen: "Wer bestreitet, dass es diesen Staat gibt, kann nicht gleichzeitig ein Beamtengehalt oder eine Pension kassieren", sagte Herrmann. Wer ernsthaft diese Ideologie vertrete, müsse aus dem Dienst entfernt werden. "Derzeit verschaffen wir uns einen Überblick und sammeln Informationen. Ob Lehrer, Förster oder Richter: Wir werden handeln."
Reichsbürger, Germaniten, Identitäre - Die Szene der Staatsverweigerer
Die Bewegung der Staatsverweigerer ist sehr heterogen. Sie umfasst mehrere sektenartige Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die seit den 1980er-Jahren entstanden und untereinander zerstritten sind.
Nur in einem sind sie sich einig: Deutschland sei kein echter Staat, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort.
Die Gruppen haben keine feste Organisationsstruktur.
Die erste bekannte Organisation von „Reichsbürgern“ wurde 1985 als „Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ gebildet. Gründer war Wolfgang Gerhard Günter Ebel, ein Westberliner Eisenbahner, der sich fortan „Reichskanzler“ nannte.
Die Anhänger sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab.
Ein Schwerpunkt in der Region ist das Allgäu. Doch bayernweit nehmen die Zahlen der "Reichsbürger" zu. Derzeit sind knapp über 300 Personen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West als „Reichsbürger“ eingestuft.
Die Germaniten wurde im Dezember 2010 von einer gewissen Ulrike Kuklinski auf der Schwäbischen Alb gegründet.
Sie sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und bildete mit Gleichgesinnten die Behindertenfürsorge „Deutsche Ringvorsorge“, die Keimzelle des „Staates Germanitien“.
Die Bewohner verstehen sich allen Ernstes als souveränes Staatsvolk mit einem eigenen Staatsgebiet in den Grenzen von 1937.
Der Ursprung der Identitären Bewegung liegt in Frankreich, wo sie zu Beginn des Jahrhunderts im Dunstkreis des Front National entstand. Sehr aktiv ist die IB in Österreich, neuerdings auch in Bayern.
Sie ist ethnopluralistisch – jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben – und geht von einer geschlossenen „europäischen Kultur“ aus, die vor allem vom Islam bedroht sei. Für Experten ist die IB eine neue Form des Rechtsextremismus. (hogs, sohu)
Manche "Reichsbürger" geben sich gegenüber Behörden und Ämtern klar als solche zu erkennen. Sie schrieben beispielsweise an ein Gericht, dass sie es nicht anerkennen, weil es die Bundesrepublik nicht gebe, erläuterte Herrmann. Oder sie lehnen aus den gleichen Gründen ab, Steuern zu bezahlen. Andere tun so etwas nicht. Daher werde weiterhin intensiv ermittelt, um die Dunkelziffer bei den "Reichsbürgern" weiter aufzuhellen und belastbare Informationen zu erhalten.
Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass der sogenannte Reichsbürger von Georgensgmünd per Handy-Chat Kontakt zu zwei Polizisten aus Mittelfranken pflegte. Die beiden Beamten - ein 49 Jahre alter Oberkommissar und ein 50 Jahre alter Hauptkommissar - wurden vom Dienst suspendiert. Ihre Wohnungen und Diensträume wurden durchsucht und Computer und Handys sichergestellt. Die Lebensgefährtin des Oberkommissars gehört laut Polizeikreisen zu den "Reichsbürgern". Ob auch der 49-Jährige dazu gehört, muss noch ermittelt werden.
Sie erkennen den Staat und die Behörden nicht an
Der Oberkommissar soll für den "Reichsbürger" im Computersystem der Polizei nachgesehen haben, ob dieser dort erfasst ist. Diese Abfrage stand im Zusammenhang mit den Waffen des Jägers. Anhaltspunkte für eine Warnung des "Reichsbürgers" vor dem Einsatz des Spezialeinsatzkommandos (SEK) Mitte Oktober gibt es laut den Ermittlern bisher nicht. Der "Reichsbürger" aus Georgensgmünd hatte dabei auf Polizisten geschossen und einen 32-jährigen SEK-Beamten tödlich verletzt. Bei dem Einsatz sollten die Waffen des Mannes beschlagnahmt werden.
Anhänger der "Reichsbürger"-Bewegung erkennen die Bundesrepublik nicht als Staat an. Sie behaupten, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Sie sprechen Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Der Verfassungsschutz ordnet 30 bis 40 sogenannte Reichsbürger in Bayern der rechtsextremen Szene zu. Inzwischen wird die Bewegung bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet.
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