Ein Mann will per Anhalter bei der Karwendelbahn zusteigen - von einer 30 Meter hohen Stütze aus. Dieser unglaubliche Vorfall passierte bereits am Samstagnachmittag. An dem Tag ist auf dem Berg die Hölle los. Berggottesdienst, Karwendel-Lauf und Bilderbuchwetter hatten rund 12.000 Menschen angelockt.
Hans Gehrz, Betriebsleiter der Karwendelbahn, will während des Hochbetriebs seine Kollegen ablösen. Mit der Kabine 1 der Karwendelbahn fährt er hoch zur Station. Als er an der zweiten Stütze der Seilbahn auf der Höhe von 1800 Metern vorbeikommt, hört er eine Stimme. Jemand ruft: "Hallo. Stopp."
18-Jähriger sitzt auf 30 Meter hohen Stütze
Hans Gehrz sieht aber niemanden. Die Rufe lassen ihm keine Ruhe. An der Bergstation angekommen, fährt er sofort wieder hinunter. Gehrz hält am Revisionseinstieg des Pfeilers an. Er traut seinen Augen kaum. Auf der 30 Meter hohen Stütze sitzt ein 18 Jahre alter Bergwanderer. Was er denn da mache, fragt der Betriebsleiter der Bahn den jungen Mann entgeistert. Der 18-Jährige, der nur leichte Schuhe trägt, sagt, dass er nicht mehr kann. Der Mann soll ihm die Tür öffnen, damit er von der Stütze in die Kabine klettern und dann mit ins Tal fahren kann. Doch das darf Gehrz aus rechtlichen und sicherheitstechnischen Gründen nicht. Er versichert dem Anhalter, dass er Hilfe holen wird.
Die Alarmierung geht an die Bergwacht Mittenwald. Die Retter hatten in der Nähe gerade zwei Einsätze und sind zufällig noch mit dem Hubschrauber unterwegs. Keine zehn Minuten später ist der Heli an der Seilbahn. Doch der 18-Jährige ist inzwischen die Leiter der Stütze herabgestiegen. Zwei Retter seilen sich vom Heli zu dem Erschöpften ab, sichern ihn, ziehen ihn per Seilwinde in den Hubschrauber und fliegen ihn ins Tal.
Per Anhalter zu Tal
Wie sich anschließend herausstellt, war der 18-Jährige mit drei Freunden unterwegs. Von der Mittenwalder Hütte aus, die auf einer Höhe von knapp über 1500 Metern liegt, wollten sie weiter hoch zur Bergstation der Karwendelbahn. "Der Hüttenwirt hatte den vier geraten, nicht weiterzugehen, weil sie nicht die geeigneten Schuhe trugen", erzählt Heinz Pfeffer, Bereitschaftsleiter der Bergwacht Mittenwald. Doch drei gingen trotzdem weiter. Der 18-Jährige blieb zurück. "Er war konditionell schwächer." Dann sei ihm wohl die Idee gekommen, zur nächsten Seilbahn-Stütze zu wandern und per Anhalter zu Tal zu fahren. Aus der Seilbahnfahrt wurde dann ein Rettungsflug. Und die wird jetzt teuer.
"Der Patient muss in diesem Fall für die Rettung selbst aufkommen, da er nicht verletzt war und nicht über eine Alpenvereins-Mitgliedschaft versichert ist", erklärt Pfeffer von der Bergwacht Mittenwald. 48,20 Euro koste eine Minute für den Rettungshubschrauber. Eine Stunde habe der Einsatz ungefähr gedauert. Dazu kämen noch 650 Euro für den Einsatz der Bergwacht. Das macht eine Summe von rund 3.500 Euro. Doch auch die Karwendelbahn selbst hat noch eine Rechnung mit dem Anhalter aus München offen. "Eine gute halbe Stunde konnte die Seilbahn nicht fahren. Für die Unterbrechung werden wir eine Summe zwischen 500 und 1000 Euro verlangen", sagt Geschäftsführerin Sabine Mann.
Der 18-Jährige wurde nach seiner Rettung in das Garmischer Krankenhaus gebracht. "Sein Handeln war doch sehr außergewöhnlich", formuliert es der Mitarbeiter der Bergwacht vorsichtig.