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Niederbayern: Manipulation bei der Kommunalwahl: Erntehelfer als Stimmvieh

Niederbayern

Manipulation bei der Kommunalwahl: Erntehelfer als Stimmvieh

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    Offenbar wurde bei den Kommunalwahlen im niederbayerischen Geiselhöring per Briefwahl getrickst.
    Offenbar wurde bei den Kommunalwahlen im niederbayerischen Geiselhöring per Briefwahl getrickst. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Zwiebelkuchen, Grillschmankerl und erlesene Weine soll es heute Abend ab 18 Uhr beim Weinfest in Oberharthausen geben – einem der zehn Ortsteile von Geiselhöring. „Die lebendige Stadt mitten im Grünen“ – so wirbt der 6800-Einwohner-Ort zwischen Regensburg und Deggendorf in Niederbayern für sich im Internet. Doch in den vergangenen sechs Monaten war von der Lebendigkeit wenig zu spüren.

    Bei den Kommunalwahlen war augenscheinlich in großem Stil getrickst worden. Im Zentrum des Fälschungsverdachts steht die Frau eines örtlichen Spargelbauern, die für die CSU sowohl für den Geiselhöringer Stadtrat als auch für den Kreistag angetreten war – und in beide Gremien gewählt wurde. Offenbar wurden Erntehelfer des Betriebs als Stimmvieh benutzt.

    Das hat nun weitreichende Folgen. Die Bürgermeister- und die Stadtratswahl müssen wohl wiederholt werden. Das Landratsamt Straubing-Bogen beabsichtigt, beide Wahlen „für ungültig zu erklären“, heißt es in einer Mitteilung vom Donnerstag. Auch der Kreistag von Straubing-Bogen muss noch einmal gewählt werden. 303 Stimmen fehlten am 16. März Bernhard Krempl von den Freien Wählern, um in seinem Amt bestätigt zu werden. An seiner Stelle zog Herbert Lichtinger (CSU) ins Rathaus ein.

    Wahlbeteiligung von 96,5 Prozent unter den Erntehelfern

    Walhbetrugs-Verdächtigungen machten schon bald nach der Kommunalwahl die Runde – spätestens als klar wurde, dass auch hunderte Erntehelfer des Bauernhofes, die überwiegend aus Polen und Rumänien stammen, gewählt haben sollen. Vor allem per Briefwahl wurde abgestimmt. Und von einer Wahlbeteiligung von 96,5 Prozent unter den Erntehelfern war die Rede.

    Sowohl Krempl als auch Lichtinger haben die Wahl angefochten. Monatelang wurde ermittelt, Beamte des Landeskriminalamtes kamen vor Ort, um grafologische Expertisen anzufertigen. Die Staatsanwaltschaft trat auf den Plan. In dieser Woche wurden Wohn- und Geschäftsräume des Spargelhofs durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt. Eine Auswertung der Schriftstücke wird nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Regensburg noch Wochen oder Monate dauern.

    Stadtpfarrer: "Es gibt nur Verlierer"

    Weiter ist da das Landratsamt in Straubing. Der Kreisverwaltungsbehörde zufolge reichen die bisherigen Ergebnisse der Ermittlungsbehörden für einen Manipulationsskandal aus. Konkret hätten an der Briefwahl 85 Personen teilgenommen, die für den Kreis Straubing-Bogen nicht stimm- und wahlberechtigt waren. Zehn Erntehelfer haben nach eigenen Angaben an der Wahl gar nicht teilgenommen. Aber im Wahlverzeichnis ist ein Abstimmungsvermerk enthalten. In weiteren 260 Fällen seien nach Angaben des LKA Stimmzettel der Kreistagswahl entgegen der eidesstattlichen Versicherung nicht persönlich gekennzeichnet gewesen.

    Die Regierung von Niederbayern ergänzt, dass die Eintragungen in den fraglichen „mindestens 260 Stimmzetteln zur Wahl des Kreistags mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht von jeweils unterschiedlichen Urhebern erfolgt“ ist. Sie stammten von maximal fünf Personen. Neben der Frau des Spargelbauern wurde eine Mitarbeiterin des Unternehmens, ein Cousin, ein Nachbar und ein Freund der Tochter auffällig häufig auf der CSU-Liste nach vorne gewählt.

    Der niederbayerische CSU-Vorsitzende Manfred Weber wollte mit Hinweis auf ein „laufendes Verfahren“ die Vorgänge in Geiselhöring nicht kommentieren. Der katholische Stadtpfarrer Josef Ofenbeck sagte auf Nachfrage schon etwas. „Das hier ist alles ungut. Es gibt nur Verlierer.“ Er wünsche sich, dass das Gemeinwesen in Geiselhöring von der Wahlmanipulation nicht länger gelähmt werde „und sich die Beteiligten wieder ehrlich in die Augen sehen können“. Ein frommer Wunsch? Der Geistliche antwortet: „Wenn ein Pfarrer keinen frommen Wunsch mehr haben darf, dann können Sie’s gleich vergessen.“

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