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Gräfendorf: Leichenfund in Unterfranken: Ist es die verschwundene Mutter?

Gräfendorf

Leichenfund in Unterfranken: Ist es die verschwundene Mutter?

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    Der Wasserdurchlass, in dem die Leiche gefunden wurde.
    Der Wasserdurchlass, in dem die Leiche gefunden wurde. Foto: Berthold Diem

    Ohne Jason McKinneys Forscherdrang läge die Leiche von Gräfendorf (Unterfranken) vielleicht noch Jahre unentdeckt in ihrem Versteck. Die dunkle Röhre des Abwasserkanals unter der alten Reichsautobahn wirkt nicht einladend, Flaschen und Müll gammeln am Eingang vor sich hin. Es gäbe einladendere Orte an einem Dienstagabend – aber nicht für McKinney auf Erkundungstour. Ein ortskundiger Begleiter führte ihn dorthin.

    „Wir gingen rein und stießen nach einigen Metern auf ein Hindernis,“ erzählt der sportliche Mann mit dem roten Vollbart zwei Tage später. Sie schoben die Barriere beiseite – und sahen im Licht ihrer Scheinwerfer Knochen und einen Schädel. McKinney schüttelt noch immer ungläubig den Kopf: „Uns schossen alle möglichen Gedanken durch den Kopf: Machte sich da jemand einen Scherz mit uns?“ Mehrfach versicherten sie sich, dass sie richtig gesehen hatten. Da riefen sie die Polizei.

    Die war genauso überrascht, wollte Erklärungen, was er in dem Abwasserkanal gesucht hatte. Der Erlebnispädagoge, der in Gräfendorf gerade ein Jugend- und Freizeitcamp eröffnet, konnte das erklären.

    Leichenfund in Gräfendorf aktiviert Mordermittler

    Zuvor war die Familie des Landwirts Rudolf Rupp unter zweifelhaften Umständen wegen Mordes zu Haftstrafen verurteilt worden. 2009 entdeckte man den Mercedes des Bauern mit seiner Leiche in der Donau nahe Neuburg. Die Familie wurde freigesprochen.
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    Ob Polizistenmord, Ursula Herrmann oder der Fünffach-Mord im Bärenkeller: Die Region hat schon einige schreckliche Verbrechen gesehen. Eine Auswahl.

    McKinney vermittelt ungewöhnliche Freizeitaktivitäten wie therapeutisches Bogenschießen oder Geo-Caching – eine Mischung aus Orientierungslauf und Schnitzeljagd zu markanten Punkten in der Landschaft. In dieser Nacht wollte er im Auftrag einer Firma ein Geocaching für Mitarbeiter vorbereiten, bei dem die Teilnehmer – ausgestattet mit einem Peilgerät und den Koordinaten eines „Schatzes“ – an schwer zugängliche Plätze gelotst werden. Einen großen Teil der restlichen Nacht verbrachte McKinney bei Vernehmungen. Die Polizisten baten ihn, über markante Details dessen, was er in der Höhle sah, zu schweigen – um ihre Ermittlungen nicht zu gefährden. Auch wenn er sich zurückhält: Ein gefragter Interviewpartner ist er am anderen Tag dennoch. Fernsehsender, Radios, Zeitungen wollen wissen, wie er sich fühlte, als er das Skelett im Kanal fand. Am Fundort herrscht indessen hektische Betriebsamkeit: Im Wald oberhalb von Gräfendorf errichtet die Feuerwehr Sichtblenden, die Polizei sperrt die Stelle weiträumig ab, damit Spurensicherer ungestört arbeiten können.

    Der Fund hat die Würzburger Mordermittler aktiviert. Das ist vielleicht ihre Chance, nach zwölf Jahren das rätselhafte Verschwinden einer 27-jährigen Mutter im benachbarten Burgsinn klären zu können. „Wir prüfen auch mögliche Zusammenhänge mit anderen offenen Vermisstenfällen in der Region“, betont Pressesprecher Michael Zimmer.

    Wurde die Leiche durch den Wald geschleppt?

    Spezialisten für Kapitalverbrechen arbeiten unter schwierigen Bedingungen: Eng ist es, dunkel und dreckig in dem alten Kanal an der „Strecke 46“, einer Bauruine der Reichsautobahn, die unter Denkmalschutz steht. Kriminalisten müssen Zentimeter für Zentimeter nach Hinweisen absuchen, was hier passiert sein könnte. Etwa 20 Meter misst das Rohr in der Länge, gut einen Meter im Durchmesser.

    Die Leiche liegt ein ganzes Stück vom Eingang entfernt, hinter einer nachträglich errichteten Sichtblende. Das spricht dafür, dass die Person hier versteckt wurde.

    Mit dem Auto kommt man nicht zum Abwassertunnel – das heißt: Die Person, deren Überreste in dem Rohr liegen, könnte dorthin gelaufen sein. Oder sie musste ein Stück durch den Wald geschleppt werden. „In jedem Fall spricht die Wahl des Verstecks eher für eine ortskundige Person“, sagt ein Polizist.

    Immer wieder kommen Neugierige. Laut dem Bayerischen Rundfunk ist darunter auch ein Verwandter der seit zwölf Jahren vermissten Frau aus Burgsinn. Er hofft wohl, Gewissheit zu erhalten. „Das Schicksal der Frau ist vielen Einheimischen nach wie vor präsent“, sagt ein Polizeibeamter. „Als sich die Nachricht vom Fund eines Skeletts herumsprach, hat man sofort auf sie getippt.“

    In der Rechtsmedizin soll sich die Identität klären

    Pressesprecher Michael Zimmer rechnet damit, dass die Spurensicherung mehrere Tage in Anspruch nimmt. Dann kann das Skelett geborgen und in die Rechtsmedizin gebracht werden. Dort könnte sich die Identität des Menschen klären lassen – und die Frage, wie er zu Tode kam. Zur schnellen Identifizierung verhilft oft der Gebissabdruck eines Toten – wenn man einen Vergleichsabdruck vom Zahnarzt einer vermissten Person hat. DNA-Abgleiche können länger dauern. Wahrscheinlich weiß die Kripo schnell, ob es das Skelett der jungen Mutter ist oder nicht.

    In die Spurensuche sind Experten des Bayerischen Landeskriminalamtes und des Bundeskriminalamtes eingeschaltet. „Man kann sicher davon ausgehen, dass der Körper mehrere Jahre dort gelegen hat“, sagte Zimmer. Die Auffinde-Situation des Skeletts lasse auf ein Gewaltverbrechen schließen.

    Die 27-jährige Mutter aus Burgsinn verschwand am 23. November 2005, ohne Papiere und Geld – aber mit einer dunkelblauen Winterjacke. Bilder vom Fundort sollen ein blaues Stück Stoff bei dem Skelett zeigen. Aber so schnell, wie diese Bilder in Gräfendorf auftauchten, so schnell verschwanden sie auch wieder – auf Druck der Kripo.

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