Gewalt sei "gezielt als pädagogisches Mittel eingesetzt" worden, schreibt die "Süddeutsche Zeitung" (Donnerstag) unter Berufung auf einen Untersuchungsbericht, den das bayerische Kloster selbst in Auftrag gegeben hatte. Sexuelle Übergriffe der Mönche seien Teil dieses Gewaltsystems gewesen. Der Untersuchungsbericht des sozialwissenschaftlichen Instituts IPP wird an diesem Donnerstag in München vorgestellt und lag der Zeitung vorab vor.
Vor drei Jahren war offenbar geworden, dass Mönche in Ettal zahlreiche Schüler misshandelt und sexuell missbraucht hatten. In dem Bericht heißt es nun, die Mönche hätten die Schüler "durch Selektion und schmerzvolle Bestrafung der Leistungsschwachen" geformt. Die Heftigkeit der Gewalt lasse keinen anderen Schluss zu, "als dass die Täter entweder die Kontrolle über ihre Affekte verloren oder auf der Basis sadistischer Motivation handelten". Die sexuellen Übergriffe seien eine spezifische Variante der Gewalt gewesen. Die Erzieher hätten ihre Rolle nicht annähernd ausfüllen können, die Geistlichen seien für ihre pädagogische Tätigkeit auch völlig unzureichend qualifiziert gewesen.
Streit um Aufarbeitung von Missbrauchsfällen
Im Gegensatz zu den deutschen Bischöfen wird die Benediktinerabtei Ettal ihre Studie zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals hinter Klostermauern heute vorstellen. Im Januar war das mit Spannung erwartetes Projekt zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche an einem heftigen Streit zwischen Bischöfen und den beauftragten Wissenschaftlern gescheitert. Der mit der Untersuchung betraute niedersächsische Kriminologe Christian Pfeiffer beklagte Zensur- und Blockadeversuche vor allem der bayerischen Bistümer München-Freising und Regensburg und verkündete das Scheitern des Projekts. Daraufhin kündigte der Diözesenverband das Projekt mit sofortiger Wirkung.
Das ist das Kloster Ettal
Der Name Kloster Ettal steht heute für eine Privatschule und ein erfolgreiches Wirtschaftsunternehmen - jedoch auch für einen Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche.
Kaiser Ludwig von Bayern gründete im Jahr 1330 in einem abgeschiedenen Hochtal am Rand der Ammergauer Alpen die Ettaler Benediktinerabtei «Zu den Heiligsten Herzen Jesu und Mariä» und ließ den gotischen Vorgängerbau der späteren barocken Klosterkirche errichten.
Mit der Gründung einer Ritterakademie 1710 wurde die Schultradition des Marienwallfahrtsortes begründet.
Im Jahr 1744 vernichtete ein Brand die Kirche Sankt Mariä Himmelfahrt mit ihrer mehr als 60 Meter hohen Kuppel sowie die Klostergebäude. Der Komplex wurde aber weitgehend nach den Originalplänen wieder aufgebaut.
Bei der Säkularisation 1803 fiel das im Landkreis Garmisch-Partenkirchen gelegene Kloster an das Königreich Bayern und wurde in den folgenden Jahren mehrfach verkauft.
1900 zogen erneut Mönche ein, 1907 wurde Ettal wieder zum Kloster erhoben.
Heute gehören dem Konvent Ettal und dem angeschlossenen Kloster Wechselburg in Sachsen zusammen an die 50 Mönche an.
Das oberbayerische Kloster Ettal ist auch ein erfolgreiches Wirtschaftsunternehmen.
Dazu gehören neben einem Gymnasium samt Internat auch landwirtschaftliche Betriebe, ein Hotel, mehrere Gasthöfe, eine Brauerei, eine Likör-Destillerie sowie ein Kunstverlag und eine Druckerei.
Die Ettaler Klosterbetriebe GmbH erzielt einen Jahresumsatz im unteren zweistelligen Millionenbereich.
2010 erhoben ehemalige Schüler Missbrauchsvorwürfe gegen Patres in Kloster Ettal.
2011 zahlte die Abtei 70 ehemaligen Klosterschülern eine Gesamtsumme von 700.000 Euro zur Anerkennung ihres Leids. Parallel begann die wissenschaftliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle.
Nach wie vor gilt das Humanistische Gymnasium Ettal mit mehr als 400 Schülerinnen und Schülern als eine der renommiertesten Privatschulen Bayerns. Angeschlossen ist ein Internat, das aber nur Buben offensteht. Der Missbrauchsskandal hat nicht zu einem nennenswerten Rückgang der Schülerzahlen geführt.
Ein Auslöser des Streits ist laut Pfeiffer, dass die beiden Bistümer entgegen den Verträgen das Recht fordern, den Inhalt im Rahmen des Projekts entstehender Doktorarbeiten als letzte Instanz zu genehmigen. Pfeiffer lehnte dies als „Zensur“ ab und nannte „solche Regelungen mit der Freiheit wissenschaftlicher Forschung nicht vereinbar“.
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann wies die Zensurvorwürfe zurück und kündigte einen Neuauftrag für die Studie an. „Der Wechsel des Projektpartners, den wir jetzt vollziehen, hat ausschließlich persönliche Gründe im Zerwürfnis mit dem Projektleiter“, sagte Ackermann unserer Zeitung. Der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, kündigte rechtliche Schritte gegen Pfeiffers Zensurvorwurf an. Dem Wissenschaftler sei eine „strafbewehrte Unterlassungserklärung“ zugestellt worden. dpa