Im Würzburger Missbrauchsprozess gegen einen katholischen Priester hat ein Gutachter den Angeklagten als schuldfähig eingestuft. Der 58-Jährige habe pädophile Züge, aber keine schwere sexuelle Störung, erläuterte der Psychiatrie-Professor Henning Saß am Donnerstag. Er sehe keine deutliche Gefahr, dass sich Übergriffe auf Kinder wiederholen könnten.
Priester betonte, er sei nicht pädophil
Der Priester hatte in dem Verfahren vor dem Landgericht Würzburg zugegeben, sich in den 1990er Jahren wiederholt am Sohn einer Freundin vergangen zu haben, die einige Jahre auch für ihn als Haushälterin arbeitete. Er betonte jedoch, er sei nicht pädophil.
Die Taten trugen sich in Hessen und Unterfranken zu. Zum Zeitpunkt des ersten Übergriffs soll der Junge etwa fünf Jahre alt gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Ordensbruder sexuellen Missbrauch in 14 Fällen vorgeworfen. Zu Geschlechtsverkehr kam es bei den Übergriffen nicht. In drei Punkten stellte das Gericht die Anklage am Donnerstag vorläufig ein, da sich Ort und Zeitpunkt der Taten nicht genau eingrenzen ließen.
Am Donnerstag sollte die Beweisaufnahme abgeschlossen werden. Das Urteil wird am Freitag erwartet. Eine offene Frage ist, wie die Selbstanzeige des Mannes zu werten ist. Der Geistliche hatte sich 2011 beim Missbrauchsbeauftragten seines Ordens gemeldet. Allerdings tat er dies nach Darstellung des Opfers erst, nachdem er erfahren hatte, dass der inzwischen 25-jährige junge Mann ihn seinerseits anzeigen wollte.
Staatsanwaltschaft fordert Gefägnisstrafe von drei Jahren für den Priester
Der Ordensbruder lebt derzeit in einem Kloster, sämtliche seelsorgerischen Tätigkeiten sind ihm untersagt. In den vergangenen Jahren sorgten Missbrauchsvorwürfe gegen katholische Geistliche immer wieder für Aufsehen. Der Anfang 2010 ins Rollen gekommene Missbrauchsskandal hatte die katholische Kirche in Deutschland in eine schwere Krise gestürzt.
Die Staatsanwaltschaft forderte eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und vier Monaten. "Er ist die Schutzperson und er missbraucht diese Stellung über mehrere Jahre", sagte Oberstaatsanwalt Thomas Trapp am Donnerstag. Die Verteidigung plädierte für eine Bewährungsstrafe und verwies zur Begründung auf das Geständnis des Angeklagten. (AZ/dpa)