Immer mehr Erwachsene erkranken in Bayern an der typischen Kinderkrankheit Masern. Als einzige Prävention hilft nur das Impfen. Doch wie gefährlich ist der kleine Piks? Um verunsicherten Eltern eine Hilfestellung zu geben, hat der Münchner Arzt Martin Hirte das Buch „Impfen – Pro & Contra“ verfasst. Wir haben uns mit ihm über die Vor- und Nachteile des Impfens unterhalten. Sein Leitsatz: Vor jeder Impfung gründlich informieren.
Warum ist Aufklärung so wichtig?
Hirte: Es wird viel Geld in die Impfpropaganda gesteckt. Aus Sicht der Industrie ist das zwar sinnvoll, aber natürlich stellt sich da auch die Effizienzfrage. Aufklärung über Rauchen oder über das Stillen beispielsweise wäre wohl effizienter.
Inwiefern?
Hirte:Stillen zum Beispiel ist sehr effektiv in der Verhinderung von Infektionen. Wenn Säuglinge fünf bis sechs Monate gestillt werden, sinkt das Risiko, an Meningitis zu erkranken, um das Vier- bis Fünffache. Wenn die Eltern zudem Nichtraucher sind, ist die Schutzrate schon fast genauso hoch, wie wenn die Kinder geimpft würden.
Heißt das, dass das Impfen in einigen Fällen unnötig ist?
Hirte: Das würde ich so nicht sagen. Manche Impfungen machen durchaus Sinn, andere hingegen sind aufgrund der Nebenwirkungen und Spätfolgen eher problematisch.
Wie sieht es mit Masern aus?
Hirte:Früher haben fast alle Kinder die Masern durchgemacht und danach waren sie ihr Leben lang geschützt. Die Masernimpfung garantiert diesen Schutz nicht. Vermutlich fünf bis zehn Prozent der Geimpften verlieren ihren Schutz bis zum Erwachsenenalter, und gerade da haben die Masern ein großes Komplikationsrisiko. Auch bei Säuglingen verlaufen die Masern besonders schwer. Sie haben heute keinen zuverlässigen Nestschutz mehr, denn die geimpften Mütter geben ihnen zu wenig Masern-Antikörper mit. In dieser Risikosituation ist es die Strategie der Behörden, die Masern durch möglichst hohe Impfraten ganz zum Verschwinden zu bringen. Niemand weiß, ob das auf Dauer funktioniert.
Warum fand diese Verschiebung statt?
Hirte:Die Einführung der Impfung in den 70er Jahren hat die Krankheit eben seltener gemacht und in problematische Altersgruppen verschoben. Heutzutage haben viele Erwachsene keine Masern gehabt und wissen nicht einmal, ob oder wie oft sie geimpft sind. Wenn dann ihr Kind die Masern mit nach Hause bringt, können sie sich unter Umständen anstecken und schwer erkranken. Säuglinge kann man in den ersten Lebensmonaten nicht gegen Masern schützen, denn die Impfung wirkt frühestens ab dem zehnten Monat. Sie sind jedoch durch Masern besonders gefährdet und daher auf den Impfschutz ihrer Kontaktpersonen – Eltern, Geschwister und so weiter – angewiesen. Insofern macht das Masernimpfprogramm Sinn, auch wenn die langfristige Nachhaltigkeit fraglich ist.
Wogegen sollte ein Kind ihrer Meinung nach unbedingt geimpft werden?
Hirte: Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung – und eben Masern. Vor Eintritt in die Pubertät sollten Mädchen gegen Röteln geimpft werden, wenn sie sie bis dahin nicht hatten. Bei Jungen gilt das für Mumps. Auch gegen Windpocken sollten Pubertierende geimpft werden, wenn sie die Krankheit bis dahin nicht durchgemacht haben. Windpocken sind für Erwachsene gefährlich.
Über welche Impfungen sollte nachgedacht werden?
Hirte:Meningitis und Keuchhusten.
Welche Impfungen halten Sie für sinnlos bei Kindern?
Hirte: Hepatitis B – außer bei Übertragungsmöglichkeit durch die Eltern – und Windpocken.
Welche langfristigen Nachteile können Impfungen haben?
Hirte: Dass Impfungen wirken, kann keiner bestreiten. Allerdings wird durch Impfen das Immunsystem nachhaltig verändert: Geimpfte Kinder sind anfälliger für Infektionskrankheiten. In Entwicklungsländern ist sogar die Sterblichkeit geimpfter Säuglinge höher als die der Ungeimpften. Bei uns ist das so nicht nachweisbar, denn schwere Krankheitsfälle werden mit Antibiotika behandelt. Generell sind Kinder aber öfter krank, wenn sie im ersten Lebensjahr geimpft wurden. Sehr wahrscheinlich machen Impfungen auch anfälliger für allergische Erkrankungen. Je früher geimpft wird, desto höher ist beispielsweise die Gefahr, später an Asthma zu erkranken. Auch das Verschwinden von Krankheiten durch Impfprogramme bringt Risiken mit sich: Wenn zum Beispiel Mädchen nicht an Mumps erkranken, steigt ihr Risiko, im späteren Leben Eierstockkrebs zu bekommen, um 20 Prozent. Erwachsene, die keine Windpocken hatten, erkranken häufiger an Diabetes und Hirntumoren.
Viele loben Ihr Buch, manch Kritiker stellt Sie als extremen Impfgegner dar.
Hirte:Um solche Anfeindungen kümmere ich mich nicht. Es gibt sowohl auf der Seite der Impfbefürworter als auch auf der Seite der Impfgegner Extremisten.
Warum herrscht bei dem Thema ein derartiger Glaubenskrieg?
Hirte: Ich denke, das liegt an den großen Wissenslücken gerade im Bereich der Langzeitfolgen von Impfungen. Impfstudien werden fast ausschließlich von den Impfstoffherstellern durchgeführt. Ihr einziges Bestreben ist es, die Zulassung zu bekommen. So werden ungünstige Studien in der Regel nicht veröffentlicht und Nebenwirkungen werden nicht gründlich erforscht. Ist dann erst einmal die Zulassung erteilt, braucht sich der Hersteller um nichts mehr zu kümmern. Durch die öffentliche Impfempfehlung sind die Gewinne gesichert. Es gibt keine Verpflichtung zur systematischen Nachbeobachtung der Verträglichkeit. Zwar sind die Ärzte angehalten, Komplikationen zu melden. Aber es wird nur ein Bruchteil der Nebenwirkungen tatsächlich gemeldet.
Welchen Tipp geben Sie?
Hirte: Vor jeder Impfung sollte man sich genau und aus verschiedenen Quellen informieren. Den letzten Ausschlag gibt dann oft die Intuition, denn es gibt viele Unbekannte. Gottseidank führen aber Krankheiten und Impfungen nur in sehr seltenen Fällen zu einer Katastrophe. Interview: Nina Schleifer