Nur noch ein paar Tage. Dann wird der Duft von frischgebackenem Brot verflogen sein. Dann wird es keine krossen Brezen, keine fluffigen Semmeln mehr geben. Die Auslagen werden leer sein, die Türen geschlossen. Nach Jahrzehnten macht die Bäckerei Gaisbauer in Ichenhausen am kommenden Freitag dicht. Und mit ihr stirbt wieder ein kleines Stück bayerische Backtradition.
„Wir schließen aus Altersgründen“, sagt Hannelore Gaisbauer. Ihr Mann führte in den vergangenen 30 Jahren das Geschäft in dem kleinen Städtchen im Landkreis Günzburg, sie half mit. Über all die Jahre habe ihr Mann kaum einen freien Tag gehabt, musste immer mitten in der Nacht aufstehen. Mehr als vier oder fünf Stunden Schlaf seien meist nicht drin gewesen. „Das schlaucht“, sagt Hannelore Gaisbauer. Bisher hat die Familie noch niemanden gefunden, der die alteingesessene Bäckerei übernimmt. „Heute will das doch keiner mehr machen.“
Viele leiden unter der Konkurrenz der Discounter
Dass in Bayern eine Bäckerei schließt, ist beileibe keine Ausnahme. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Handwerksbetriebe massiv zurückgegangen: In 21 Landkreisen und sechs kreisfreien Städten hat mehr als jeder fünfte Bäcker sein Unternehmen aufgegeben. Das geht aus einer Anfrage der SPD an das Wirtschaftsministerium hervor. 2011 gab es im Freistaat noch 2950 selbstständige Handwerksbetriebe, 2016 waren es nur noch 2526. In Schwaben ging die Zahl von 404 auf 346 zurück. Gründe für diese Entwicklung gibt es viele. Die einen finden, wie die Bäckerei in Ichenhausen, keinen Nachfolger, weil die viele Arbeit und das frühe Aufstehen wenig verlockend sind. Die anderen leiden zu sehr unter der Konkurrenz der Discounter.
Trotz dieser ernüchternden Zahlen der vergangenen Jahre blickt der Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks aber ein Stück weit zuversichtlich in die Zukunft. Die Automaten in den Supermärkten seien zwar direkt nach der Einführung schon eine große Herausforderung für das Handwerk gewesen, sagt Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider. Inzwischen aber könne sich das Bäckerhandwerk vielerorts wieder ein bisschen mehr behaupten. „Vor allem die Besinnung auf Qualität und Regionalität sind vielversprechende Erfolgsrezepte.“ Es zeichne sich eine Rückbesinnung ab – wieder hin zum traditionellen Brot. Der Verbraucher sei inzwischen bereit, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben, die „nachhaltig und regional produziert wurden und die vor Ort Arbeitsplätze sichern“, sagt Schneider.
Oberfranke kämpft für die bayerische Backtradition
Genau auf dieser Trendwelle reitet Andreas Fickenscher. Der Bäcker- und Konditormeister aus Münchberg in Oberfranken hat das Projekt „Heimatbrot“ gestartet und will gegen das Verschwinden der bayerischen Backtradition ankämpfen. Seine Idee ist eine Art Gegenpol zu den vielen Backautomaten, die günstige Semmeln zu Billigpreisen ausspucken. „Brot braucht eine Bühne“, sagt Fickenscher.
Das Rezept für sein Heimatbrot, das fast ausschließlich aus regionalen Zutaten bestehe – hat er sich nicht einfach im stillen Kämmerchen ausgedacht. Fickenscher hat 160 Menschen miteinbezogen, hat sie gefragt, was sie gerne essen, welche Geschmäcker, welche Gewürze sie mögen. Und so wurden im Brot unter anderem fränkisches Rauchbier und Fichtenspitzensirup verbacken. Weil Fickenscher so viele Anregungen bekam, wurde aus dem Brot-Projekt eine ganze Brotzeit mit Aufstrichen und Beilagen, um die sich der bayerische Sternekoch Alexander Herrmann kümmerte.
Fickenscher will das Rezept öffentlich machen. „Ich wünsche mir, dass die Menschen losgehen, die vom Aussterben bedrohten Produkte, die wir verwendet haben, kaufen, und daheim dann das Brot nachbacken.“ Er glaubt, dass so bei den Menschen wieder die Wertschätzung für das traditionelle Backhandwerk wachsen könnte. Die Zeit dafür sei reif. „Je anonymer die Gesellschaft wird, desto mehr kommt die Sehnsucht nach Ursprünglichem zurück.“
Vielleicht findet sich ja auch für die Bäckerei in Ichenhausen noch jemand, der die Tradition weiterführen möchte, die Familie Gaisbauer über Jahrzehnte gepflegt hat. Traurig sei sie eigentlich nicht, dass nun eine Ära zu Ende geht, sagt Hannelore Gaisbauer. Sie und ihr Mann können jetzt das genießen, was in den vergangenen Jahren rar war: Freizeit. mit dpa