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Verwandtenaffäre: Harald Güller: „Ich bin zu blöd gewesen“

Verwandtenaffäre

Harald Güller: „Ich bin zu blöd gewesen“

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    Die Verwandtenaffäre im bayerischen Landtag hat mit Harald Güller nun auch ein erstes prominentes SPD-Mitglied erreicht.
    Die Verwandtenaffäre im bayerischen Landtag hat mit Harald Güller nun auch ein erstes prominentes SPD-Mitglied erreicht. Foto: Frank Leonhardt, dpa/lby

    Für die SPD im Landtag ist es in hohem Maße peinlich, für die krisengeschüttelte CSU ist es eine schmerzlindernde Nachricht: Ausgerechnet Harald Güller, der Vorsitzende der SPD in Schwaben und Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, musste jetzt im Zuge der Verwandtenaffäre ein illegales Beschäftigungsverhältnis einräumen. CSU-Fraktionschefin Christa Stewens warf ihm daraufhin gestern vor, er habe „die Öffentlichkeit belogen und gegenüber dem Landtag falsche Angaben gemacht“.

    Güller hatte im Jahr 2009 seinen damals 30 Jahre alten Stiefsohn zusätzlich zu seinen fest angestellten Mitarbeitern für zwei Monate in Vollzeit beschäftigt. Dabei hatte Güller, obwohl er Jurist von Beruf ist, nach eigener Aussage nicht gewusst, „dass durch die Heirat mit meiner Frau deren Sohn aus erster Ehe zu meinem Schwager geworden ist“. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte Güller gestern: „Ich bin zu blöd gewesen.“

    Güller zahlte Geld zurück

    Konsequenzen hat Güller, wie er sagt, sofort gezogen. Er habe eine rechtliche Stellungnahme des Landtagsamtes eingeholt, seinen Fehler mit Schreiben vom 8. Mai gegenüber dem Landtag eingeräumt und die Rückzahlung der angefallenen Kosten in Höhe von insgesamt 7 417,92 Euro in die Wege geleitet. Der Betrag sei bereits überwiesen.

    In dem Brief an das Landtagsamt, der unserer Redaktion vorliegt, legt Güller Wert auf die Feststellung, dass eine so genannte „Übergangsregelung“ oder „Altfallregelung“ zu Beschäftigung von Familienangehörigen bei ihm „zweifelsfrei“ nicht vorliege. Er räumt allerdings ein, dass die für die zweimonatige Beschäftigung seines Stiefsohns angefallenen Kosten „nach heutigem Kenntnisstand“ nicht über den Landtag hätten abgerechnet werden dürfen.

    CSU attackiert Güller

    Chronologie der "Verwandtenaffäre"

    15. April: Das Buch "Die Selbstbediener - Wie bayerische Politiker sich den Staat zur Beute machen" von Hans Herbert von Arnim erscheint und tritt die Diskussion um die "Familienaffäre" los. Zwei Tage später diskutiert der bayerische Landtag über Arnims Kritik.

    19. April: Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) veröffentlichte eine Liste von 17 Abgeordneten, die bis vor Kurzem rechtmäßig Verwandte ersten Grades beschäftigten.

    19. April: Ministerpräsident Horst Seehofer fordert die betroffenen Parteimitglieder auf, die Beschäftigungsverhältnisse mit ihren Familienangehörigen sofort zu beenden. CSU-Fraktionsvorsitzender Georg Schmid und Kultusminister Ludwig Spaenle kündigen daraufhin ihren Ehefrauen.

    23. April: Die Summe des Honorars von Georg Schmids Frau wird bekannt: Sie erhielt für ihre Leistungen monatlich zwischen 3.500 und 5.500 Euro brutto.

    25. April: Georg Schmid tritt aufgrund des schwindenden Rückhalts in der CSU und des medialem Drucks als Fraktionsvorsitzender zurück. Ein Neuburger Bürger zeigt Georg Schmids Ehefrau Gertrud wegen Scheinselbstständigkeit an.

    29. April: Georg Winter tritt als Haushaltsausschussvorsitzender im bayerischen Landtag zurück. Er hatte seine beiden Söhne im Alter von 13 und 14 Jahren sowie seine Frau beschäftigt. Die Staatsanwaltschaft Augsburg prüft Ermittlungen gegen Georg Schmid und seine Ehefrau wegen Scheinselbstständigkeit.

    30. April: Münchens Oberbürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Christian Ude fordert Schmid und Winter auf, auch ihre Landtagsmandate niederzulegen. Mittlerweile sind 17 Abgeordnete der CSU, zwei der SPD, ein Grüner sowie Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in die Familienaffäre verwickelt.

    2. Mai: Georg Schmid gibt seinen Rückzug aus der Berufspolitik bekannt. Justizministerin Beate Merk, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Kulturstaatssekretär Bern Sibler räumen ein, enge Verwandte beschäftigt zu haben.

    3. Mai: Landtagspräsidentin Barbara Stamm veröffentlicht eine Liste mit 79 Abgeordneten, die nach 2000 Familienangehörige beschäftigt haben oder hatten. Kultusminister Spaenle kündigt an, das volle Gehalt seiner Frau zurückzuerstatten. Ministerpräsident Seehofer fordert betroffene Abgeordnete auf, diesem Beispiel zu folgen.

    4. Mai: Fünf Kabinettsmitglieder kommen der Forderung Seehofers nach und wollen dem Staat die Gelder zurücküberweisen.

    6. Mai: Ministerpräsident Seehofer stellt seinen Drei-Punkte-Plan zur Überwindung der Familienkrise vor. Das Landtagsamt vertritt die Meinung, dass die Anstellung von Georg Winters Söhnen illegal war. Der will daraufhin das komplette Gehalt seiner Söhne an die Staatskasse zurückzahlen.

    7. Mai: Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International fordert alle betroffenen Abgeordneten auf, die Gelder zurückzuerstatten. Die Staatsanwaltschaft Ausburg will gegen den zurückgetretenen CSU-Fraktionschef Georg Schmid nach Angaben des Landtags ein Ermittlungsverfahren einleiten. Die Staatsanwaltschaft Augsburg kommentiert den Bericht vorerst jedoch nicht.

    8. Mai: Der Bayerische Oberste Rechnungshof schaltet sich in die Affäre ein. Er will rückwirkend die Vergabe von Abgeordneten-Jobs an Familienangehörige sowie die Neuregelung des Abgeordnetengesetzes prüfen.

    23. Februar 2014: Auf dem Höhepunkt der Verwandtenaffäre im Landtag beschließt die CSU einstimmig einen Verhaltenskodex. Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hatte zusammen mit anderen CSU-Spitzenpolitikern den Kodex für ihre politischen Mandatsträger entwickelt, um Filz- und Amigo-Vorwürfen künftig jede Grundlage zu entziehen.

    25. Februar: Der schwäbische SPD-Abgeordnete Harald Güller wird im Rahmen der Verwandtenaffäre wegen Betrugs verurteilt. Er hatte den Sohn seiner Frau aus erster Ehe im Jahr 2009 für zwei Monate beschäftigt und 7500 Euro für Gehalt und Sozialversicherungsbeiträge aus der Landtagskasse gezahlt. Die Richterin argumentierte, dass Güller, der selbst Jurist ist, vorsätzlich gehandelt habe. Güllers Anwalt kündigte Berufung an.

    11. Juni: Nach einer Verfassungsklage der SPD werden im Landtag die Summen veröffentlicht, die Kabinettsmitglieder ihren Verwandten bezahlt haben. Bei den fünf Ministern und Staatssekretären der CSU – Helmut Brunner, Ludwig Spaenle, Gerhard Eck, Franz Pschierer und Bernd Sibler – liegt die Gesamtsumme der gezahlten Vergütungen seit 1997 bei über 1,3 Millionen Euro.

    25. Juli: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Georg Schmid. Der frühere CSU-Fraktionschef soll 350.000 Euro Sozialabgaben nicht bezahlt haben. Im Einzelnen lauten die Vorwürfe auf vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 262 Fällen sowie Steuerhinterziehung in 59 Fällen. Seiner Frau werden Beihilfe und Steuerhinterziehung vorgeworfen.

    Die CSU will den schwäbischen SPD-Abgeordneten aus Neusäß (Kreis Augsburg), der heute seinen 50. Geburtstag feiert, nicht so einfach davonkommen lassen. CSU-Fraktionschefin Christa Stewens erklärte: „Der Fall des SPD-Politikers Harald Güller ist der bisher erste Fall bei den Beschäftigungsverhältnissen, der eindeutig unter Umgehung der Richtlinien und mit falschen Angaben gegenüber dem Landtagsamt zustande gekommen ist.“

    Güller habe, so kritisiert Stewens, Jahre nach Inkrafttreten des Beschäftigungsverbots im Jahr 2000 seinen Stiefsohn angestellt und müsse sich deshalb fragen, „ob er den moralischen Ansprüchen seiner Fraktion gerecht wird“. Außerdem habe Güller noch vor wenigen Wochen erklärt, die SPD-Fraktion habe seit 2008 darauf geachtet, dass Familienangehörige nicht mehr beschäftigt würden. Dazu Stewens: „Ich frage mich, wie er diese Aussage machen konnte, obwohl er selbst ein sogar illegales Beschäftigungsverhältnis abgerechnet hat. Er hat damit Ende April die Öffentlichkeit wissentlich angelogen.“

    Nachforschungen in Verwandtenaffäre gehen weiter

    Die Nachforschungen in der Verwandtenaffäre gehen unterdessen weiter – insbesondere im Fall der Landtagsabgeordneten, die in der Zeit von Ende 1999 bis zum Herbst des Jahres 2000, also kurz vor Inkrafttreten des Beschäftigungsverbots für Verwandte ersten Grades, noch schnell nahe Verwandte bei sich angestellt haben. Staatskanzleichef Thomas Kreuzer (CSU) untersucht im Auftrag von Ministerpräsident Horst Seehofer, in welcher Weise Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Innenstaatssekretär Gerhard Eck und Kultusstaatssekretär Bernd Sibler (alle CSU) Schlupflöcher genutzt haben könnten.

    Das Landtagsamt versucht die rund 30 weiteren Verdachtsfälle zu klären. Mit Ergebnissen wird in der Staatskanzlei gegen Ende der Woche, im Landtag spätestens Anfang kommender Woche gerechnet. Geklärt werden soll im Landtag zudem, wie mit der Empfehlung der unabhängigen Diätenkommission im Jahr 2002 umgegangen wurde, die Beschäftigung von Familienangehörigen zu beenden.

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