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Regensburg: Gutachter Nedopil: Mollath ist ungefährlich und muss nicht in Psychiatrie

Regensburg

Gutachter Nedopil: Mollath ist ungefährlich und muss nicht in Psychiatrie

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    Gustl Mollath muss nach einem aktuellen Gutachten nicht zurück in die Psychiatrie.
    Gustl Mollath muss nach einem aktuellen Gutachten nicht zurück in die Psychiatrie. Foto: Armin Weigel/Archiv (dpa)

    Fragen und Antworten zum Fall Peggy

    Weshalb wird der Fall Peggy nach zehn Jahren neu aufgerollt?

    Das Landgericht Bayreuth ordnete die Wiederaufnahme des Verfahrens aus zweierlei Gründen an: Ein wichtiger Belastungszeuge räumte im September 2010 ein, falsch ausgesagt zu haben. Er hatte 2004 behauptet, Ulvi K. habe ihm den Mord an Peggy gestanden. Beim damaligen Prozess war außerdem nicht bekannt, dass die Ermittler eine Tathergangshypothese erstellt hatten - sie war dem späteren Geständnis von Ulvi K. verblüffend ähnlich.

    Wie und weshalb soll Ulvi K. die kleine Peggy getötet haben?

    Das Gericht war davon überzeugt, dass der Gastwirtsohn die Schülerin zunächst auf einem Feldweg verfolgte und ihr dann so lange Mund und Nase zuhielt, bis sie sich nicht mehr rührte. Mit diesem Mord habe er einen vier Tage zuvor begangenen sexuellen Missbrauch an Peggy vertuschen wollen, heißt es im Urteil.

    Warum gibt es Zweifel an dieser Version?

    Ulvi K.'s Betreuerin Gudrun Rödel führt ins Feld, dass er wegen seines enormen Körpergewichts gar nicht in der Lage gewesen wäre, dem Mädchen hinterherzurennen. Außerdem müsste ein geistig Behinderter das perfekte Verbrechen begangen haben - denn die Leiche von Peggy wurde nie gefunden. Auch Spuren gibt es so gut wie keine.

    Welche Behinderung hat Ulvi K.?

    Der heute 36-Jährige erlitt im Alter von zweieinhalb Jahren eine Gehirnhautentzündung. Seitdem ist er geistig behindert. Ein Gutachten aus dem Jahr 2003 bescheinigte ihm einen IQ von 67.

    Wo ist Ulvi K. untergebracht?

    Ulvi K. ist in keinem Gefängnis. Wegen exhibitionistischen Handlungen vor Kindern wurde er noch vor seiner Verurteilung im Fall Peggy in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Dort befindet er sich noch immer. Seine Freiheitsstrafe wegen Mordes hat er noch nicht angetreten. Sollte Ulvi K. von dem Vorwurf freigesprochen werden, kommt er nicht automatisch aus der Psychiatrie frei.

    Stimmt es, dass Ulvi K. und Gustl Mollath befreundet sind?

    Ja. Beide waren für einige Zeit in der gleichen psychiatrischen Einrichtung untergebracht und freundeten sich dort an. Vor einigen Wochen trafen sich Ulvi K. und der mittlerweile entlassene Gustl Mollath in Bayreuth auf einen Kaffee.

    Wurde bei der Suche nach Peggy tatsächlich auch Hinweisen von Hellsehern nachgegangen?

    Die Polizei prüfte jeden Hinweis zunächst auf Plausibilität. Das galt auch für Tipps von Hellsehern. Denn: Der Täter hätte sich als Hellseher ausgeben können, um sich nicht verdächtig zu machen, wie ein Polizeisprecher erklärt.

    Lebt Peggy womöglich noch?

    Die Unterstützer von Ulvi K. haben diese Theorie immer wieder ins Spiel gebracht. Sie glauben an eine Entführung. Bereits bei den ersten Ermittlungen 2001 und 2002 gaben Zeugen an, ein Auto mit tschechischem Kennzeichen in Lichtenberg gesehen zu haben, in das Peggy eingestiegen sei. Diese Spur führte aber ins Leere.

    Dritter Teilerfolg für Gustl Mollath: Der 57-Jährige stellt nach Angaben eines psychiatrischen Sachverständigen keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit dar. Eine erneute Zwangseinweisung in die Psychiatrie hält Professor Norbert Nedopil für nicht angemessen. "Eine psychische Störung ist nicht nachweisbar", betonte der forensische Experte aus München am Freitag vor dem Landgericht Regensburg. 

    Forensiker Nedopil: Mollath ist auch voll schuldfähig

    Der Angeklagte habe außer den vorgeworfenen Taten keinerlei wahnhafte Handlungen gezeigt. Nach dem jetzigen Gutachten ist Mollath auch voll schuldfähig, betonte Nedopil. Zuvor waren bereits die Misshandlungen seiner Ehefrau und die Reifenstechereien von Gutachtern als nicht beweisbar eingestuft worden. Trotzdem ist Gustl Mollath unzufrieden. Er erhofft sich eine komplette Rehabilitation.

    Prof. Dr. Norbert Nedopil
    Prof. Dr. Norbert Nedopil Foto: Alexander Kaya/Archiv

    Der 57-Jährige muss sich wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung verantworten. Er soll 2001 seine damalige Ehefrau körperlich misshandelt und eingesperrt haben. Zudem soll er Dutzende Autoreifen zerstochen haben. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte Mollath 2006 von den Vorwürfen wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen, ihn aber in die Psychiatrie eingewiesen. Der Fall hatte eine Debatte über die Unterbringung in psychiatrischen Kliniken ausgelöst.

    Gutachter schätzt Mollath als kompromisslos und misstrauisch ein

    Der vom Regensburger Gericht für das Wiederaufnahmeverfahren bestellte Experte erläuterte zudem, dass der von seinen Kollegen einst formulierte Verdacht einer wahnhaften Störung nicht abwegig gewesen sei. Es hätte aber weitere Untersuchungen geben müssen, betonte Nedopil. Er konnte sich nur auf die Akten und die Eindrücke in dem Prozess stützen, da Mollath die Zusammenarbeit verweigert. 

    Nedopil schätzte den Angeklagten als kompromisslos, penetrant, rigide und misstrauisch ein. Zudem sah er Zeichen von mangelnder Flexibilität, Rechthaberei und Selbstüberschätzung. Dies seien zwar Faktoren, aus denen sich eine Persönlichkeitsstörung entwickeln könnte. Für eine solche Diagnose sei jedoch eine umfangreiche Begutachtung unter Mithilfe Mollaths nötig.

    Gustl Mollath ist trotzdem mit Gutachten nicht zufrieden

    Die Verteidigung bewertete das Gutachten als den Versuch, jeder Seite gerecht zu werden. "Das wird es aber nicht, vor allem nicht Gustl Mollath", sagte Rechtsanwalt Gerhard Strate. Die Expertise werde nur der Zunft der Psychiater gerecht, die nicht kritisch beurteilt werde. "Die Psychiater sind das Unheil im Schicksal von Herrn Mollath. Sie haben ihn zugrunde gerichtet", sagte Strate. Ohnehin werde die Psychiatrie überschätzt.

    Auch Mollath selbst ist nicht zufrieden. Er glaube, dass der Experte "lediglich seine Kollegen schützen will". Das Bild, dass Gutachter Nedopil von ihm zeichne, sei hauptsächlich von Aussagen seiner Ex-Frau und deren Umfeld geprägt. Auf die Frage, ob es für den  Gutachter nachvollziehbar sei, dass sich Mollath nicht untersuchen lassen wollte, sagte Nedopil: "Nein, weil ich auch eine kritische Sicht auf die eigene Zunft habe." 

    Fall Mollath: Prozess wird am Montag in Regensburg fortgesetzt

    Bei einer angenommenen falschen Diagnose sei schließlich ein Fachmann der einzige, der einen aus der Psychiatrie herausholen könne. Mollaths weitere, zahlreiche Nachfragen unterbrach schließlich das Gericht als nicht zulässig. "Herr Nedopil hat falsche Eindrücke gewonnen. Ich könnte sie ausräumen, darf es aber nicht", schloss daraufhin Mollath.

    Der Prozess wird an diesem Montag fortgesetzt. Bislang hat das Gericht keine weiteren Zeugen geladen, will aber über einige Beweisanträge entscheiden und weitere Schriftstücke verlesen. Nach derzeitigem Stand könnten am 8. August die Plädoyers gehalten werden. Das Urteil wird dann in der darauffolgenden Woche erwartet. dpa/lby/AZ

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