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Buch "Das 11. Gebot": Gruppensex in der Sauna: Stadtberger schreibt über Priesterseminar

Buch "Das 11. Gebot"

Gruppensex in der Sauna: Stadtberger schreibt über Priesterseminar

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    Der Stadtberger Daniel Bühling mit seinem Buch über das „11. Gebot“ im Priesterseminar.
    Der Stadtberger Daniel Bühling mit seinem Buch über das „11. Gebot“ im Priesterseminar. Foto: Marcus Merk

    Es ist nicht der Beruf an sich, den Daniel Bühling als den "Fehler meines Lebens" bezeichnet. Tatsächlich wollte der heute 35-Jährige katholischer Priester werden, seit er 19 war. Und als Seelsorger ist er jetzt auch tätig – aber nicht auf den üblichen Wegen. Er brauche heute die Kirche nicht mehr, sagt der aus dem Kammeltal im Kreis Günzburg stammende Bühling gegenüber dem Spiegel. "Sie hat mich fallengelassen und enttäuscht".

    Daniel Bühlings Geschichte beginnt mit der Sinnkrise

    Seine Geschichte beginnt mit einer Sinnkrise. Daniel Bühling wächst im Kammeltal im Schatten des Klosters Wettenhausen, aber dennoch "ganz normal" auf, wie er er sagt. Nach dem Hauptschulabschluss lernt er Einzelhandelskaufmann – und wird nach zwei Jahren berufsunfähig. In dieser Krise findet er im Gottesdienst Ruhe und Muße zum Nachdenken. Er findet über die Jugendarbeit in die Kirchenfamilie und fühlt sich zum Pfarrer berufen. "Ich dachte, dort ziehen alle an einem Strang", erzählte er unlängst in der SWR-Talkshow "Nachtcafé".

    Ein Jahr vor dem Abschluss schmeißt er zum ersten Mal hin

    Doch der Eintritt in ein Priesterseminar in München ist für ihn ein Schock. Zum einen erfährt er die Kirche als gespalten in einen konservativen und einen liberalen Teil. Zum anderen trifft er im Seminar nach eigenen Angaben auf viele Homosexuelle – und erlebt den Umgang der katholischen Kirche mit ihnen. Frei dürften sie sich nicht zu ihrer Sexualität bekennen, so der Eindruck von Bühling, der selbst homosexuell ist. Ihm wird schnell klar, dass er in der Welt ein Leben mit einer Lüge und auch in Einsamkeit führen müsste.

    "Dunkle Wahrheiten über das Priesterseminar"

    In seinem Buch "Das 11. Gebot: Du sollst nicht darüber sprechen: Dunkle Wahrheiten über das Priesterseminar" schreibt Daniel Bühling über seine enttäuschenden Erfahrungen mit der katholischen Kirche. Darin wird von einem Zimmerkollegen berichtet, der nachts im Innenhof des Seminars Scheiterhaufen brennen sieht und sich vor Teufeln fürchtet, die darum herum tanzen. Es wird von einer Sauna berichtet, in der es zu einvernehmlichen Gruppensex gekommen sein soll. Und wohl auch zu sexuellen Avancen, die nicht erwünscht waren.

    Gruppensex in der Sauna des Priesterseminars

    Bühling selbst zeigt sich nicht so entsetzt über die Zustände, als vielmehr über die "Unverfrorenheit, mit der meine Mitbrüder sich in der Doppelmoral eingerichtet hatten." Wie er weiter dem Spiegel erzählt, habe er die Betroffenen darauf angesprochen, wieso sie sich mit Strichern einließen oder in der nächstgrößeren Stadt "Sahneschnittchen" und "Frischfleisch" - so offenbar die Wortwahl einiger Kollegen -  aufrissen. "Stell dich nicht so an, mach es dir nett und rede nicht darüber", sei ihm gesagt worden. Bühling, der inzwischen in Stadtbergen lebt, ist auch von der Haltung der Führungsebenen enttäuscht. Dem Magazin sagte er, dass dort kein Interesse bestand, psychisch labilen Studenten Halt zu geben oder dem Treiben in der Sauna Einhalt zu gebieten.

    Ein Jahr vor dem Abschluss schmeißt Daniel Bühling zum ersten Mal hin. Stattdessen versucht er es mit einer Ausbildung zum Gemeindereferenten in einem Seminarhaus, in dem Männer und Frauen gemeinsam wohnen. Hier erscheint ihm das Leben wieder normal, mit bodenständigen Sorgen und nicht nur dominiert von „alten Männern“, wie er sagt. Er findet wieder zu sich – und zurück zu seinem alten Wunsch, Priester zu werden.

    Nach drei Monaten völlig ausgebrannt

    Doch auch im nächsten Seminar empfindet er einen Unterschied zwischen dem, was von der Kanzel gepredigt wird, und dem Leben hinter den Mauern. „Teilweise wird Wasser gepredigt und die Geistlichen selbst leben wie die Maden im Speck“, sagte er in der Talkshow Nachtcafé.

    Diesmal beißt sich Daniel Bühling durch. Er beginnt seine Priesterlaufbahn mit dem pastoralen Jahr in Dillingen. Doch nach drei Monaten ist er völlig ausgebrannt. „Mir wurde klar, dass ich als Priester ein Leben in Einsamkeit führen müsste.“ So, wie Kirche heute sei, könnten Pfarrer gar nicht die Sorgen ihrer Gemeinde wirklich verstehen, glaubt er. Weil sie diese nämlich gar nicht selbst hätten. Sorge um den Arbeitsplatz, Streit in der Partnerschaft, Probleme mit der Kindererziehung oder Altersarmut. Endgültig hört Daniel Bühling nach acht Jahren auf, für die katholische Kirche zu arbeiten.

    Den ersten Job fand er beim Arbeitsamt

    Frei, aber ohne Job, macht er zwei Dinge: Er meldet sich arbeitslos und geht auf Partnersuche. Beides klappt. Es ist das Arbeitsamt selbst, das Bühling vom Fleck weg engagiert. Und auch privat findet Daniel Bühling den Mann fürs Leben; seit 2011 sind die beiden auch beim Standesamt als Paar registriert.

    Das ist auch der Zeitpunkt, an dem Bühling aus der katholischen Kirche austritt. Heute ist er als freier Theologe tätig. Viele Leute, sagt er, suchten seinen Beistand rund um eine unabhängige Hochzeit, bei Beerdigungen oder in der Trauerbegleitung. Darunter seien besonders viele gleichgeschlechtliche oder auch wiederverheiratete Geschiedene. „Glauben kann man auch ohne Institution“, ist er heute überzeugt. AZ

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