Konflikte zwischen muslimischen und christlichen Flüchtlingen gibt es immer wieder - von Zeit zu Zeit auch hier in Augsburg. In ihren Herkunftsländern jedoch steht es oft weitaus schlimmer um die Lage der religiösen Minderheiten. Im Iran und Afghanistan zum Beispiel. Dort herrscht der Islam, die Scharia - und wer zum Christentum konvertiert, muss mit der Todesstrafe rechnen.
Auch darum flüchten viele Iraner und Afghanen nach Deutschland. Hier können sie endlich konvertieren, ihren Glauben frei ausleben. Eigentlich. Doch stattdessen werden Konvertiten oft beschuldigt, sich nur einen Vorteil im Asylverfahren verschaffen zu wollen. Stimmt das überhaupt? Und was muss ein Flüchtling tun, um zu konvertieren? Karl-Georg Michel vom Bistum Augsburg und Helmut Riedl, Anwalt für Flüchtlings- und Ausländerrecht in Augsburg, kennen die Antworten.
Auch in Augsburg konvertieren Flüchtlinge zum Christentum
Flüchtlinge, die zum Christentum konvertieren möchten, stehen am Anfang eines langwierigen Prozesses. "Konvertiten, die um Aufnahme in die katholische Kirche und damit die Taufe bitten, werden vor Ort von Seelsorgern in einem längeren, sich über Monate hinziehenden Prozess auf den Empfang der Taufe vorbereitet", erklärt Michel. "Gegen Ende dieser Vorbereitungszeit werden sie dann unter die Katechumenen aufgenommen, das heißt in den Kreis der Tauf- und Firmbewerber." Nach Taufe und Firmung sind alle Katechumenen vollwertige Gemeindemitglieder. Dieser Prozess ist für alle Konvertiten gleich - ganz gleich aus welcher Religion sie zum Christentum finden.
Eine genaue Angabe zur Anzahl solcher Konvertiten ist nicht möglich. "Insgesamt gesehen gibt es keinen Überblick über die Zahl der Muslime, die in unserem Bistum zum Christentum konvertieren", so Michel. Doch auch in Augsburg gibt es Fälle, in denen Flüchtlinge konvertieren. Laut Auskunft von Domdekan Bertram Meier, dem Leiter des Bischöflichen Seelsorgeamts, ist ihre Zahl jedoch eher gering.
Konversion - nur ein Asyltrick?
Vermehrt werden Flüchtlinge beschuldigt, sich durch ihre Konversion nur einen Vorteil im Asylverfahren verschaffen zu wollen. Kann das überhaupt funktionieren? "Tatsächlich haben konvertierte Asylbewerber aus dem Iran oder Afghanistan gute Chancen im Verfahren", räumt Anwalt Helmut Riedl ein. Weil in ihren Heimatländern Apostaten, also Menschen, die sich vom Glauben abwenden, religiöse Verfolgung bis hin zur Todesstrafe droht, verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie aus Deutschland abgeschoben werden.
Nutzen also immer mehr Flüchtlinge diesen Vorteil aus? "Ja und nein", meint Riedl. "Manche Flüchtlinge wissen über die Auflagen in Deutschland genau Bescheid - und in einigen Fällen sind sie auch bereit, die nötigen Schritte zu gehen", erklärt er. Nach seinen Erfahrungen seien dies oftmals Menschen, die mit den Glaubenspraktiken in ihren Heimatländern zu kämpfen haben und in ihrem Glauben daher nicht all zu fest verankert sind.
"Der Großteil aller Flüchtlinge", betont Riedl jedoch, "ist so streng muslimisch, dass er unter keinen Umständen vom eigenen Glauben abweichen würde - auch nicht für ein besseres Asylverfahren. Das sind überzeugte Muslime, die man nicht von ihrem Glauben abbringen kann." Außerdem: Wer den langwierigen Prozess nicht aus aufrichtigem Glauben auf sich nimmt, wird oftmals entlarvt. Denn die Konvertiten müssen vor einem Seelsorger, einem Pfarrer, der Gemeinde und nicht zuletzt auch einem Gericht bestehen.
So prüft das Gericht Konvertiten
Bei einer Anhörung prüft das Gericht den Konfessionswechsel des Flüchtlings. "Natürlich erfragt das Gericht die Hintergründe des Konvertiten: Warum er konvertiert ist, wie er sich in der Gemeinde einbringt", berichtet Riedl. Aber auch in seinem inhaltlichen Wissen über das Christentum wird der Konvertit geprüft. Fragen wie "Warum feiern wir Ostern? Was passierte an Weihnachten?" seien durchaus üblich, sagt Riedl. Dabei muss er schmunzeln, denn "so richtig tiefsinnig ist das natürlich nicht".
Deshalb verlasse sich das Gericht auch stark auf das Urteil des Pfarrers, so Riedl. "Die Pfarrer treffen durch die Taufe schon eine Art Vorauswahl, auf die das Gericht vertraut. Bei Flüchtlinge, die mitten im Konfessionswechsel stecken und noch nicht getauft sind, wird da schon gründlicher nachgefragt." Als "richtig kompetent für diese Zwecke" würde Riedl die Richter jedoch nicht bezeichnen - dazu mangele es schlichtweg an Fachkenntnis über die Glaubensfragen.
Konversion mit Risiken: Morddrohungen und Angriffe gegen Konvertiten
Doch nicht nur um ihr Asylverfahren müssen sich konvertierte Flüchtlinge sorgen. Auch in Deutschland, dem scheinbar sicheren Hafen, finden viele ehemalig muslimische Flüchtlinge keinen Schutz. In ihren Flüchtlingsunterkünften werden sie bedroht, als "kouffar" (Ungläubiger) bezeichnet. Besonders in Brennpunkten wie Hamburg oder Berlin sind die Zustände dramatisch, wie Gottfried Martens im Gespräch bestätigt.
Er ist Pfarrer der evangelisch-lutherischen Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz und erlebt mehrmals wöchentlich Übergriffe auf Konvertiten seiner Gemeinde. Wenn ein Flüchtling von Muslimen mit dem Messer bedroht oder gar aus der Unterkunft verdrängt wird, nimmt er die Konvertiten auf. Dann werden in der Kirche für ein paar Nächte die Matratzen ausgerollt. "Religion ist dann keine Privatsache mehr", wird er nicht müde zu betonen. Allein in den letzten sechs Monaten gab es rund 170 Übergriffe dieser Art, wie Martens berichtet.
Augsburg legt Wert auf ausgeglichene Verteilung der Flüchtlinge
Auch in Augsburgs Flüchtlingsunterkünften gibt es Spannungen. Allerdings nicht gezielt zwischen Muslimen und Konvertiten. Auch der Polizei sind keinerlei gezielte Angriffe gegen Konvertiten in den letzten zwei Jahren bekannt.
Gelegentliche Konflikte entwickeln sich zwischen Muslimen und Christen generell - egal ob konvertiert oder Christ seit der Geburt, wie Sozialreferent Christian Gerlinger erzählt. "Für uns werden Konflikte sichtbar - aber nur sehr selten." In solchen Fällen werden betroffene Flüchtlinge umgehend verlegt. Aber auch vorausschauend versucht die Stadt Augsburg die Belegung der Unterkünfte besser zu planen, um solche Spannungen zu vermeiden.