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Nachruf: Georg Simnacher: Er war das Gesicht Schwabens

Nachruf

Georg Simnacher: Er war das Gesicht Schwabens

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    Georg Simnacher prägte Schwaben über viele Jahrzehnte. Nun ist er gestorben.
    Georg Simnacher prägte Schwaben über viele Jahrzehnte. Nun ist er gestorben.

    Gestern früh hat Theo Waigel den Brief gelesen, den er zu seinem 75. Geburtstag am Samstag von Georg Simnacher in die Hand gedrückt bekam. Er hatte unmittelbar davor erfahren, was niemand so recht glauben mochte: Zwei Tage nach dem Festakt für den ehemaligen Bundesfinanzminister im Kloster Roggenburg ist Altbezirkstagspräsident Georg Simnacher wenige Wochen vor seinem 82. Geburtstag unerwartet gestorben – an den Folgen eines Herzinfarkts in seinem Haus in Burgau (Kreis Günzburg).

    Simnacher war weit mehr als ein politischer Weggefährte für Waigel. „Sein Tod ist ein schwerer Verlust für mich.“ Simnacher erinnerte in dem Glückwunschschreiben an die gemeinsamen Zeiten, die vor sechs Jahrzehnten begannen. Beide hatten sich damals in der katholischen Jugend engagiert, Simnacher in seinem Geburtsort Ziemetshausen, Waigel in Ursberg.

    „Er hat schon damals seine Führungsqualitäten unter Beweis gestellt“, sagt Waigel, der ihn auch als „begnadeten Juristen“ kennengelernt hat. Simnacher habe seine Fähigkeiten nie für Überlegungen genutzt, um etwas unmöglich zu machen oder zum Scheitern zu bringen. „Er hat seine ganzen Fähigkeiten darauf ausgerichtet, etwas zu bewegen. Ihm ist immer etwas eingefallen. Das habe ich so sehr an ihm bewundert.“

    Simnacher war ein Macher

    Beinahe drei Jahrzehnte war der Sohn eines Seilermeisters, der ursprünglich Pfarrer werden wollte, Landrat des Landkreises Günzburg (1967–1996). Ebenso lange stand er an der Spitze des Bezirkstags Schwaben (1974–2003) und prägte den schwäbischen Bezirk in dieser Zeit maßgeblich.

    Waigel spricht vom „kreativsten Kommunalpolitiker“, den er in seinem Leben kennengelernt habe. „Er hätte sicher auch Sozialminister oder Innenminister werden können. Aber ich glaube, dass er in seinen Ämtern mehr bewegt hat, als es in anderen Posten und Funktionen der Fall gewesen wäre.“

    Georg Simnacher war ein Macher, der seine Heimat gestalten wollte und er war ein Menschenfreund. „Es ist die Sprache, die ich mag. Und es sind die Leute“, erklärte er einmal den „Charme der Region“, deren Bewohner nach anfänglicher vorsichtiger Zurückhaltung eine gewisse Treue und Anhänglichkeit auszeichne.

    Zurückhaltung war Simnachers Sache nicht, auch wenn er stets den Ausgleich anstrebte. Gremien fragte er nicht immer, wenn die Zeit drängte. So holte er 1980, als sich die Gelegenheit zum Kauf bot, quasi im Alleingang das berühmte Buxheimer Chorgestühl für rund zwei Millionen Mark aus England in die Heimat zurück – ein Coup, der heute aus politisch-korrekter Sicht so nicht möglich gewesen wäre.

    Man bezeichnete ihn als Schwabenherzog

    Weil er gerne mit den Leuten feierte und sich feiern ließ, sprach man bald im Zusammenhang mit Simnacher vom „Schwabenherzog“. Viel mehr als der leicht spöttelnde Unterton klang jedoch die Bewunderung für einen Menschen durch, der die kulturelle Vielfalt der Region erst wieder sichtbar machte und der durch den Bezirk den Schwachen und Benachteiligten Hilfe bot. „Wo die Hilfe Heimat hat“ heißt dann auch ein Buch Simnachers, in dem er die Geschichte des Sozialwesens im Kreis Günzburg beschrieben hat.

    Als Bezirkstagspräsident hat er politisch vorangetrieben, dass die beiden großen Bezirkskliniken in Kaufbeuren und Günzburg umgebaut und dezentral ausgerichtet wurden. Die Eröffnung der Bezirkskrankenhäuser in Augsburg, Kempten, Memmingen, der Tagesklinik in Lindau und der Außenstelle Donauwörth waren entscheidende Bausteine dafür, dass hilfebedürftige Menschen in ihrem vertrauten Umfeld bleiben konnten und nicht herausgerissen wurden.

    Regionale Kooperationen machten auch an Landesgrenzen nicht halt. Die Zusammenarbeit zwischen der Universität Ulm und dem Bezirkskrankenhaus Günzburg ist bis heute beispielgebend.

    Förderer der Kultur

    Der schwäbischen Kultur hat Simnacher zu einem Aufschwung verholfen, der ohne sein Zutun nicht denkbar gewesen wäre. Die Etablierung der Bezirksmuseen und die kulturelle Nutzung der dem Verfall preisgegebenen früheren Klosteranlagen in Irsee, Thierhaupten und Roggenburg sind die augenfälligsten Verdienste.

    Im Freistaat verhalf der CSU-Politiker den sieben bayerischen Bezirken zu einer Stellung, die gegenüber der Staatsregierung, den Landkreisen und den Städten erst erkämpft werden musste. Als erster Präsident des Verbandes der bayerischen Bezirke (heute: Bayerischer Bezirketag) leitete Simnacher die Interessensvertretung fast ein Vierteljahrhundert (1979–2003).

    Heimatverbundenheit und Weltoffenheit vereinte Simnacher in seiner Person. Er knüpfte nicht nur Kontakte nach Frankreich zum Département Mayenne. Später nahm er in diese regionale Partnerschaft die rumänisch-ukrainische Grenzregion Bukowina mit dazu: ein Brückenbauer zwischen West und Ost.

    Simnacher war auch im Ruhestand als Ratgeber gefragt. Das hat ihm gefallen. „Die meisten machen einfach die Tür hinter sich zu und gehen weg“, sagte er vor knapp sechs Jahren über den Ruhestand. Das kam für ihn nicht in Frage.

    Die Gesundheit machte Simnacher schon länger zu schaffen

    Aber die Gesundheit machte Simnacher zusehends zu schaffen. Den geliebten Tennissport konnte er schon länger nicht mehr ausüben. Spaziergänge standen dafür auf dem Programm. Aber die fielen auch immer schwerer. Vergangenen Herbst wurde schließlich diagnostiziert, dass der Altbezirkstagspräsident an einer seltenen Autoimmunkrankheit litt, die das körpereigene Immunsystem falsch reguliert. Dadurch wurden auch gesunde körpereigene Zellen bekämpft. Arterien in den Beinen mussten wieder geöffnet werden.

    Nach mehreren Krankenhausaufenthalten war Simnacher aber wieder zuversichtlich, dass es aufwärtsgeht. Er arbeitete an einem Heimatbüchlein über das Adelsgeschlecht der Villinger, die in seinem Geburtsort Ziemetshausen eine wichtige Rolle gespielt haben. Und er wollte das neue Buch von Joachim Fuchsberger lesen, in dem der Schauspieler über Politiker schimpft und sich über das Älterwerden beklagt. Simnachers zweite Ehefrau Ursula hat es am Samstag noch besorgt. Der Titel heißt „Zielgerade“. Zum Lesen ist er nicht gekommen.

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