Was für eine Freude es doch sein kann, einen Fisch zu fangen. Fällt am Samstag beim alljährlichen Fischertag im schwäbischen Memmingen der Startschuss, werden über tausend Männer johlend in den Stadtbach springen. Ziel ist es, die größte Forelle zu fangen - der Sieger darf sich ein Jahr lang Fischerkönig nennen.
Doch was für die einen ein Riesen-Spaß ist, empört andere. Tierschützer kritisieren den Brauch. "Tiere dienen hier vor allem dazu, ein Ereignis mit Erlebnischarakter unter dem Deckmantel der Tradition am Leben zu erhalten" , sagt eine Sprecherin des Deutschen Tierschutzbunds. "Das Wohl des Einzeltieres geht im Rummel und der Volksfeststimmung unter." Für Andreas Brucker vom Tierschutzbund Bayern gehört der Fischertag deshalb abgeschafft.
Fischertag in der Diskussion: Empfinden die Fische Schmerz?
"Wenn über tausend Männer in den Stadtbach springen, leiden die Tiere unter großem Stress" , sagt Brucker. Auch Ludwig Singer vom Veterinäramt Memmingen sagt: "Einen gewissen Stress kann man hier nicht wegdiskutieren." Der Stress liege aber in der Natur der Sache, wenn Fische dem Wasser entnommen würden.
Was macht der Stress mit den Fischen? Die Forschungslage ist unklar. Der Fischökologe Robert Arlinghaus hält es für unwahrscheinlich, dass Fische Schmerz erleiden. Fische könnten zwar aus Schadeinwirkungen lernen; Knochenfische wie Forellen könnten etwa thermische und andere Schädigungen der Haut wahrnehmen. "Die Reize werden aber höchstwahrscheinlich ohne emotionales Schmerzerlebnis verarbeitet" , sagt Arlinghaus.
Der Deutsche Tierschutzbund hält dagegen: "Mehrfach wurde in den letzten Jahren wissenschaftlich nachgewiesen, dass Fische schmerz-, stress- und leidensfähige Tiere sind und höhere kognitive Eigenschaften aufweisen als bisher angenommen."
Beim Fischertag in Memmingen sind stets Amtstierärzte vor Ort
Die Veranstalter des Fischertags können die Vorwürfe der Tierschützer nicht nachvollziehen. Alles gehe fachgerecht zu, sagt ein Sprecher. Jedes Jahr sind mehrere Amtstierärzte vor Ort, um das Geschehen zu beobachten.
Der Fischertag hat eine lange Tradition. Schon im Mittelalter wurde der als Kanalisation dienende Stadtbach einmal im Jahr zur Reinigung ausgefischt. Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts hat sich das Spektakel zu einem Volksfest entwickelt, das jedes Jahr rund 20 000 Zuschauer anlockt. Zuschauen darf jeder, teilnehmen dürfen aber nur männliche Memminger. Haben die Teilnehmer keinen staatlichen Fischereischein, müssen sie einen vereinsinternen Fischerkurs belegen.
Doch das beruhigt die Tierschützer nicht. Sie berufen sich auf das Tierschutzgesetz: Demnach dürfen Tiere nur getötet werden, wenn dafür ein "vernünftiger Grund" vorliegt - etwa der Verzehr. Dieser allerdings sei beim Fischertag zweitrangig, sagen der Deutsche Tierschutzbund und die Tierrechtsorganisation Peta, die seit Jahren gegen den Fischertag protestiert.
Tierschützer hatten Anzeige erstattet - die Verfahren wurden eingestellt
Mehrfach hat Peta in der Vergangenheit gegen die Veranstalter und Teilnehmer des Fischertags Anzeige erstattet, doch alle Ermittlungsverfahren wurden eingestellt: Die Fische würden getötet und verzehrt, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Memmingen.
Doch die Tierschützer protestieren weiter. "Wenn es um den Verzehr ginge, könnten sie den kleinen Bach ja auch von zehn Fachmännern ausfischen lassen - anstatt 1300 da reinzulassen" , sagt Brucker. "Nur kämen dann wohl keine Zuschauer." dpa/lby