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Interview: Emilia Müller: Asylmissbrauch darf man auch so nennen

Interview

Emilia Müller: Asylmissbrauch darf man auch so nennen

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    Asylbewerber in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAE) in Zirndorf.
    Asylbewerber in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAE) in Zirndorf. Foto: Daniel Karmann, dpa (Archiv)

    Frau Müller, sind die hohen Flüchtlingszahlen nur ein Problem – oder doch vielleicht auch eine Chance?

    Emilia Müller: Mit Blick auf den demografischen Wandel wird es für unsere Betriebe zunehmend schwerer werden, den Bedarf an Fachkräften zu decken. Langfristig gesehen kann es eine Chance für die bayerischen Unternehmen sein. Zunächst geht es aber in erster Linie darum, den Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung sind, Schutz zu gewähren. Dieser Aufgabe stellen wir uns mit großem Verantwortungsbewusstsein.

    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagt, Deutschland kann 800 000 Flüchtlinge vertragen – nur nicht dauerhaft. Wie sehen Sie das?

    Müller: Bayern stellt sich seiner Verantwortung. Bei uns kommen aufgrund der geografischen Lage die meisten Asylbewerber in Deutschland an. Unsere Belastungsgrenze ist erreicht – und nicht nur unsere. Die Bundesländer können das nicht alleine stemmen. Wir brauchen dringend vonseiten des Bundes, aber auch vonseiten der Europäischen Union mehr Unterstützung. Dazu gehört, dass der Bund sich an den Kosten für Unterkunft und Verpflegung, aber auch für den Wohnungsbau beteiligt. Außerdem müssen alle EU-Staaten ihrer Verantwortung nachkommen und

    In Ihrer Partei gibt es viele, die derzeit einen besonders scharfen Ton in der Flüchtlingsdebatte anschlagen. Ist das zielführend?

    Müller: Politische Diskussionen werden zum Teil hitzig geführt. Da darf man nicht jedes Wort überbewerten. Klar ist aber auch, dass man auf Missstände hinweisen muss. Wenn also jemand weiß, dass er kein Bleiberecht hat und trotzdem hierherkommt, dann ist das Asylmissbrauch. Das darf man dann auch so nennen.

    Überall werden Notunterkünfte mit Zelten errichtet – wie soll das im Winter funktionieren, wenn weiterhin so viele Menschen kommen?

    Müller: Zelte sind derzeit eine vorübergehende Notmaßnahme und keine Dauerlösung. Damit fangen wir Zugangsspitzen in der Erstaufnahme ab. Im Winter sind Zelte keine Option, alle Asylbewerber sollen in festen Unterkünften untergebracht sein. Wir haben in Bayern seit vergangenem Winter einen Notfallplan mit bis zu 20 000 zusätzlichen Unterbringungsplätzen in den Kommunen. Diesen haben wir im Sommer aufgrund der enormen Zugänge fortgeführt. Für den nächsten Winter müssen wir die Kapazitäten weiter erhöhen.

    Glauben Sie, dass die grundsätzlich positive Stimmung der Menschen gegenüber Flüchtlingen zu kippen droht?

    Sozialministerin Müller findet klare Worte gegenüber Flüchtlingen ohne Bleiberecht.
    Sozialministerin Müller findet klare Worte gegenüber Flüchtlingen ohne Bleiberecht. Foto: Fred Schöllhorn

    Müller: In der Mehrzahl erlebe ich eine große Solidarität in der Bevölkerung. Gleichzeitig gibt es vermehrt Ressentiments gegenüber Flüchtlingen, das sehe ich mit großer Sorge. Das Wichtigste ist Aufklärung: Überall dort, wo Asylbewerberunterkünfte entstehen, gibt es im Vorfeld Bürgerversammlungen.

    Sind nicht auch Bemerkungen von Politikern wie „Wir können nicht die ganze Welt retten“ dafür mitverantwortlich?

    Müller: Um die Solidarität in der Bevölkerung zu erhalten, brauchen wir einen Dreiklang. Zunächst muss die Ausreisepflicht für abgelehnte Asylbewerber konsequent durchgesetzt werden. Denjenigen, die zurecht bei uns Schutz suchen, werden wir mit größter Verantwortung diesen Schutz bieten. Darüber hinaus ist es aber auch notwendig, die Lebensbedingungen in den jeweiligen Herkunftsländern zu verbessern.

    Frau Ministerin, am 3. September gibt es einen weiteren Flüchtlingsgipfel in München. Weshalb und mit welchen Zielen?

    Müller: Es geht darum, unsere Kräfte mit den Verbänden, Kommunen und Kirchen zu bündeln und Vorsorge für den Winter zu treffen. Der Bund muss dringend mehr Geld für die Unterbringung, die Betreuung und den sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Zudem muss er für schnellere Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sorgen. Außerdem drängt Bayern darauf, dass die Balkanländer Kosovo, Albanien und Montenegro als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Die Menschen aus dieser Region werden nicht politisch verfolgt, wir müssen sie so schnell wie möglich zurückführen.

    Manche sprechen von einer Jahrhundertaufgabe. Wäre es nicht klug, dem Thema Flucht und Migration ein eigenes Ministerium zu geben?

    Müller: Wir haben unsere Kräfte bereits gebündelt. Ein Lenkungsstab unter meinem Vorsitz bringt einmal in der Woche alle Akteure, die beteiligten Ressorts, die Regierungen sowie die kommunalen Spitzenverbände, die Wohlfahrtsverbände und Kirchen an einen Tisch, um in enger Abstimmung und schlagkräftig auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. epd

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