Ein Tonbandgerät vom Typ Grundig TK 248 spielt ihm sozusagen das Lied von der Verurteilung. Dagmar Boss, Sachverständige des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA), stellt zurzeit ihre Gutachten zu dem Gerät vor, das am 27. Oktober 2007 bei Werner M. (59) zu Hause im schleswig-holsteinischen Kappeln beschlagnahmt wurde.
Dagmar Boss hält es nach jahrelangen akribischen Untersuchungen für wahrscheinlich, dass dieses Tonbandgerät bei fünf mysteriösen Erpresseranrufen im Zusammenhang mit Ursula Herrmanns Entführung verwendet wurde. Das Gerät zeige mehrere individuelle Merkmale, die diesen Schluss nahelegen. Und die Gutachterin wackelt nicht. Auch nicht, als Werner M.s Verteidiger Walter Rubach und Wilhelm Seitz bohrende Fragen stellen.
Das TK 248 ist der dickste Brocken im Indizienpuzzle der Anklage. Gelingt es Oberstaatsanwältin Brigitta Baur, das Schwurgericht davon zu überzeugen, dass dieses Gerät tatsächlich für die Erpresseranrufe im Jahr 1981 benutzt wurde, wird Werner M. wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge schuldig gesprochen werden. Gelingt den Verteidigern noch ein Überraschungscoup und sie schaffen es, dieses Beweisstück zu erschüttern, ist davon auszugehen, dass Werner M. freigesprochen wird.
Dass der Angeklagte behauptet, er habe das Tonbandgerät erst kurz vor der Sicherstellung auf einem Flohmarkt gekauft, darüber spricht kaum noch jemand. Trotz aufwendiger Ermittlungen ist es nicht gelungen, jemanden zu finden, der dem auffallend großen, bärtigen Mann in Beverungen (Niedersachsen) den Apparat verkauft hat.
Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem die Verteidigung in vielen anderen Prozessen grundsätzlich über ihre Strategie nachdenken würde. Könnte man mit einem Geständnis vielleicht eine Strafe abmildern?
Aber nichts da. Werner M. sagt weiter kein Wort. Er hat zu Prozessbeginn gepoltert: "Ich habe mit der Tat nichts zu tun." Seitdem schweigen er und seine mitangeklagte Frau Gabriele beharrlich. Der Hüne zeigt nicht den Hauch einer Gefühlsregung. Als die Erpresseranrufe vorgespielt werden und Ursulas Mutter verzweifelt um ein Lebenszeichen ihrer Tochter fleht, blättert er scheinbar unbeteiligt in seinem Aktenordner. Die Schaubilder der LKA-Gutachterin würdigt er kaum eines Blickes.
Obwohl das Gutachten von Dagmar Boss die Anklage in einem wesentlichen Punkt untermauert, hat Ursulas Bruder Michael Herrmann nach wie vor Zweifel an Werner M.s Schuld. Er räumt aber ein: "Isoliert betrachtet ist das Tonbandgerät ein überzeugendes Indiz." Dennoch hat der Bruder für nächsten Donnerstag neun kritische Fragen an die LKA-Gutachterin vorbereitet.
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