Das Familiendrama in Vogtareuth nahe Rosenheim sorgt weiter für Erschütterung. Nun ist, wenige Stunden nach dem höchstwahrscheinlich von ihm erschossenen Enkel, auch der Großvater des Achtjährigen gestorben. Der 79-Jährige sei am Mittwochnachmittag in einem Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen, teilte Oberstaatsanwalt Jürgen Branz am Donnerstag mit. In einer knappen Erklärung spricht die Ermittlungsbehörde bei dem Mann vom "Tatverdächtigen". Dies lässt darauf schließen, dass tatsächlich der Großvater am Mittwochmorgen seinen Enkel in Vogtareuth erschoss.
Nähere Auskünfte zum Tathergang und dem Motiv für das Familiendrama im Ortsteil Zaisering wollte Branz nicht geben. Die Umstände würden nun "in Ruhe ausermittelt", sagte er lediglich. Er bestätigte aber Hinweise, wonach der Bub wohl zeitweise im Rollstuhl saß. "Es lag eine Behinderung bei dem Kind vor." Der Großvater war nach den Schüssen auf den Achtjährigen lebensgefährlich verletzt in einem nahen Wald gefunden und ins Krankenhaus gebracht worden, wo er bald darauf starb.
Konnte der 79-Jährige die Leiden seines Enkels nicht mehr ertragen?
Die Kripo geht davon aus, dass der Mann sich mit derselben Waffe, mit der er seinen Enkel erschoss, selbst richten wollte. Ermittelt werden muss ebenso, ob der 79-Jährige die von der Polizei sichergestellte Waffe legal besaß. Zum Motiv der Tat spekulierten mehrere Medien, der Großvater habe das Leiden seines angeblich auch geistig behinderten Enkels nicht mehr ertragen können und sich deshalb entschlossen, den Buben zu töten. Anschließend ging der Rentner in den nahen Wald, um sich selbst zu erschießen. Dabei verletzte er sich lebensgefährlich. Ärzte konnten nicht verhindern, dass der Rentner starb.
Die Einsatzkräfte sperrten das Haus, in dem der Junge niedergeschossen wurde, weiträumig mit rot-weißem Flatterband ab. Die Spurensicherung war an beiden Tatorten - in dem weißen Wohnhaus mit breiten Giebeln und hölzernen Fensterläden sowie in dem Waldstück - und sammelte potenzielles Beweismaterial. "Damit wir die Tat möglicherweise rekonstruieren können", erläuterte ein Polizeisprecher.
Polizisten befragten Angehörige und Nachbarn im Ortsteil Zaisering. "Das wird heute und morgen sicherlich noch andauern", sagte der Sprecher des Polizeipräsidiums. Wann mit weiteren Erkenntnissen zu rechnen sei, war am frühen Abend noch völlig unklar.
Drama in Vogtareuth: Bürgermeister zeigt sich geschockt
In der kleinen Gemeinde nahe dem Chiemsee leben etwas mehr als 3000 Menschen. Dort herrschten nach den Meldungen über das mögliche Familiendrama Entsetzen und Fassungslosigkeit. Seelsorger der Kirche seien im Einsatz, hieß es. "Ich bin geschockt", sagte Bürgermeister Leitmannstetter. "Über sowas liest man sonst in der Zeitung. Jetzt ist es auf einmal so nah."
Der dreifache Familienvater stammt selbst aus Zaisering. Dort lebten rund 300 Leute, sagte er. Viele Familien. "Das ist besonders hart. Da kennt man sich", so Leitmannstetter. Für Pläne für eine Trauerfeier für das getötete Kind sei es noch zu früh. dpa/AZ