An diesem Sonntag ist die kleine Kirche St. Georg bis auf den letzten Platz besetzt. Das sei nicht jedes Mal so, erzählen die Gläubigen in Friedberg (Landkreis Aichach-Friedberg).
Doch diesmal hat die symbolische Aktion "Kirche umarmen" mehr Besucher als gewöhnlich angelockt. Nach dem Gottesdienst fassen sie sich an den Händen und stellen sich rings um ihre Kirche. Im Ortsteil Stätzling stehen am Morgen rund 250 Menschen Hand in Hand im Nieselregen - und recken die Hälse, ob sie es tatsächlich einmal herum schaffen. Am Ende strahlende Gesichter: Sie schaffen es locker, den Kreis um ihre Kirche zu schließen.
"Ich bin begeistert", sagt Gottesdienstbesucherin Christl Buberl (77).
140 Pfarreien hatten angekündigt, bei der Aktion mitzumachen
"Ich hatte erwartet, dass weniger Leute kommen." Die 33-jährige Andrea Schmid wurde von der Aktion überrascht. "Es hat großen Spaß gemacht, man spürt die Gemeinschaft, weil man sich an den Händen hält." Vor dem Hintergrund der geplanten Reformen im Bistum Augsburg hatte die Initiative "Heute Kirche sein - Pastorales Gesprächsforum Augsburg" zu der Aktion aufgerufen, um symbolisch an den Gottesdiensten auf dem Land festzuhalten. Sie sieht die Menschenkette auch als "Reflex auf die fortgesetzte Dialogverweigerung des Augsburger Bischofs".
Im Internet hatten knapp 140 Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften angekündigt, bei der Aktion mitzumachen. Die tatsächliche Teilnehmerzahl ist schwierig zu schätzen. Viele Pfarreien machten zwar mit, hätten sich aber nicht in die Liste eingetragen - aus Rücksicht auf die Pfarrer, die zum Teil die Aktion nicht unterstützten, erklärt die Initiative. Die Pläne des Augsburger Oberhirten, Pfarreien in großem Stil zusammenzulegen, Pfarrgemeinderäte durch Pastoralräte zu ersetzen und von Laien gefeierte Wortgottesdienste an Sonntagen weitgehend zu streichen, sind bei den Katholiken in der Diözese heftig umstritten.
Pfarrer: Umarmung ist kein Protest gegen den Bischof
Pfarrer Walter Schmiedel will die Umarmung der Kirche allerdings nicht als Protest gegen Bistum oder Bischof verstanden wissen, sondern als Zeichen der Solidarität mit der Gemeinde. "Es ist ein positives Zeichen, dass Kirche vor Ort lebendig ist", sagt er. "Es zeigt: Wir sind noch da." Die Reform sei notwendig. Kirche müsse flexibler werden, auch weil immer weniger Menschen die Gottesdienste besuchten. Bistumssprecher Markus Kremser sagt: "Wir freuen uns über jeden, der seine Kirche umarmt." Es sei nicht Ziel der Neuerungen, Kirche vor Ort abzuschaffen.
Überall in Bayern reagiert die katholische Kirche mit Strukturreformen auf Priestermangel und leere Kirchenbänke. Nach Ansicht des Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates, Karl Loemke, laufen die Pläne des Bistums auf zentrale Gottesdienste hinaus, auf Kosten kleinerer Dorfkirchen. "Wir möchten, dass die Kirche vor Ort bleibt und die Gemeinde vor Ort erlebbar bleibt", sagt er. Reformen seien zwar notwendig, die Pläne des Bistums dafür aber nicht der richtige Weg. Vielmehr sollte der Zugang zum Priesteramt gelockert werden, um das Problem im Kern zu bekämpfen, fordert er. "Warum sollte eine Frau keinen Gottesdienst leiten können?" dpa-lby