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Meinung: Die CSU erfindet sich ihren Übervater Franz Josef Strauß neu

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Die CSU erfindet sich ihren Übervater Franz Josef Strauß neu

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    Wahlkampfauftritt: Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß spricht am 19. Februar 1983 in der Günzburger Halle an der Rebaystraße.
    Wahlkampfauftritt: Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß spricht am 19. Februar 1983 in der Günzburger Halle an der Rebaystraße. Foto: Archiv MN

    Ist das Spektakel nur dem Datum geschuldet? Oder hat es eine tiefere Bewandtnis damit, dass der 100. Geburtstag des 1988 gestorbenen CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß begleitet wird von einer ganzen Serie von Feierlichkeiten, Sondersendungen, Zeitungsartikeln, Buchveröffentlichungen und Diskussionsveranstaltungen?

    Die besten Zitate von Franz Josef Strauß

    "Everybody's darling is everybody's Depp". So ließ sich Strauß über nach Aufmerksamkeit heischende Politiker aus.

    "Man muss einfach reden, aber kompliziert denken - nicht umgekehrt." So beschrieb Strauß seine Ansichten zu einer gelungenen Rede.

    "Es ist reizvoller, in Alaska eine Ananasfarm zu errichten, als Bundeskanzler zu werden." Das waren Strauß' Gedanken zu einer Kandidatur.

    "Wenn's schon kein Hirn haben, dann halten Sie's Maul wenigstens. Dieses dämliche Gequatsche eines politisierenden Beatles. Sie Pilzkopf!" Mit Zwischenrufern bei seinen Reden und Wahlkampfveranstaltungen ging Strauß nie zimperlich um.

    "Ich will lieber ein kalter Krieger sein als ein warmer Bruder." Mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften hatte Strauß so seine Probleme.

    "Helmut Schmidt und ich kennen uns sehr gut. Wenn er mich anredet 'Alter Gauner' und ich sage 'Alter Lump', so ist das durchaus eine von gegenseitiger Wertschätzung und realistischer Kennzeichnung getragene Formulierung." Mit dem Altbundeskanzler Helmut Schmidt hatte Strauß stets ein gutes Verhältnis...

    "Der wird nie Kanzler werden. Der ist total unfähig; ihm fehlen alle charakterlichen, geistigen und politischen Voraussetzungen. Ihm fehlt alles." ... mit Altkanzler Helmut Kohl dagegen weniger.

    "Solange die Liberalsozialisten an der Regierung sind, kann ich nur sagen: Eher legt sich ein Hund einen Salamivorrat an, als dass die eine einmal eingeführte Steuer wieder abschaffen." Spitzen gegen die rot-gelbe Koalition unter Helmut Schmidt ließ sich Strauß selten nehmen.

    "Was wir hier in diesem Land brauchen, sind mutige Bürger, die die roten Ratten dorthin jagen, wo sie hingehören - in ihre Löcher." Gegen Kommunisten und deren Sympathisanten wurde er noch deutlicher.

    "Er schreibt, was ich denke, und ich denke, was er schreibt." Franz Josef Strauß war Herausgeber des "Bayernkurier". Chefredakteur Wilfried Scharnagl war da, wenn man Strauß' Zitat wörtlich nimmt, nur Beiwerk.

    "In Bayern gehen die Uhren anders. Wenn in Bayern die Uhren wirklich anders gehen, dann haben wir, soweit die Politik es vermag, diesen Beitrag zur geistigen Führung unseres Landes geleistet, damit in Bayern die Uhren richtig gehen und nicht nach Zeitgeist jeweils verschieden eingestellt werden." Und die Liebe zu seiner Heimat Bayern drückte Franz Josef Strauß oft auf seine sehr eigene Art aus.

    Wird der berühmteste und zugleich umstrittenste bayerische Politiker des 20. Jahrhunderts ab Montag nur noch ein Fall für die Historiker sein? Oder wirkt er fort – und, wenn ja, wie? Wer in den vergangenen Jahren etwas genauer hingeschaut hat, der konnte sehen, dass die Strauß-Renaissance in der CSU schon eine Weile anhält. Dazu gibt es auch ein symbolisches Datum.

    Es ist der Oktober 2008. Der scheidende Ministerpräsident Günther Beckstein hatte zum Auftakt seiner nur ein Jahr währenden Amtszeit die Büste von Strauß aus seinem Büro in der Staatskanzlei entfernen lassen. Sein Nachfolger Horst Seehofer holte sie umgehend wieder zurück und ließ das auch alle Welt wissen. Es war ein demonstrativer Akt. Aber es steckt noch mehr dahinter. Seehofer beruft sich so häufig und so leidenschaftlich wie keiner seiner Vorgänger als Ministerpräsident oder CSU-Chef auf Franz Josef Strauß. Er nennt ihn „mein großes politisches Vorbild“. Ja, er behauptet sogar, dass er sich vor wichtigen poltischen Entscheidungen die Frage stellt: Was hätte Strauß in dieser Situation getan? Wie hätte er das Problem gelöst?

    Markus Söder eifert Franz Josef Strauß nach

    Der ambitionierteste Kandidat für Seehofers Nachfolge, Finanzminister Markus Söder, eifert ihm nach. Er dokumentierte jüngst über alle verfügbaren Kanäle, dass er schon als Jugendlicher ein FJS-Poster über dem Bett hängen hatte. Und auch in der Jungen Union in Bayern ist FJS längst wieder en vogue. Seine markigen Sprüche und politischen Lebensregeln gehören zur Grundausbildung der schwarzen Nachwuchspolitiker wie einst in China die Mao-Bibel zur Nachzucht junger Parteikader.

    In den neunziger Jahren, als die Erinnerung an diverse Affären und Skandale noch frischer war, war das anders. Der oft rabiate und polarisierende Politikstil, den Strauß praktiziert hatte, galt als nicht mehr zeitgemäß. Seine Nähe zur Wirtschaft wurde auch in der CSU als problematisch angesehen. Die Amigo-Affäre in Bayern, die wenige Jahre nach seinem Tod die CSU erschütterte, galt als Hinterlassenschaft aus seiner Regierungszeit. Diese Seite seiner politischen Persönlichkeit wird in den Festreden und Festschriften der CSU zu seinem 100. Geburtstag ausgeblendet.

    Die Partei erfindet sich ihren Übervater neu: als „Schöpfer des modernen Bayern“ (Horst Seehofer), als „Vater der Volkspartei“ (Edmund Stoiber), als „liberal-konservativen Parteigestalter“ (Theo Waigel). Das ist ein Akt der Selbstvergewisserung, dient aber selbstverständlich auch der Legendenbildung. Man könnte auch spotten: Die CSU feiert nicht seinen 100. Geburtstag, sie feiert die Seligsprechung von Franz Josef Strauß. Die Feierlichkeiten dieser Tage auf Heldenverehrung und Propaganda zu reduzieren, wäre allerdings zu kurz gegriffen. Strauß wirkt auch ganz praktisch nach. Wenn Seehofer sagt „Bayern zuerst“, wenn er von einer „ Koalition mit dem Volk“ spricht, wenn es ihm herzlich wurscht ist, was man in Berlin oder Hamburg darüber denkt, dann orientiert er sich an Strauß. Untrennbar damit verbunden ist die Technik, Macht auszuüben: sich nicht vorschnell festlegen, sich Handlungsmöglichkeiten offenhalten, Entscheidungen pragmatisch treffen und sich dabei möglichst wenig reinreden lassen – weder vom Landtag noch von der eigenen Partei.

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