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Klimawandel: „Schwarze Milz“: Der letzte Allgäuer Gletscher schmilzt dahin

Klimawandel

„Schwarze Milz“: Der letzte Allgäuer Gletscher schmilzt dahin

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    Die „Schwarze Milz“ nach dem Hitzesommer: Der kleine Gletscher hat seit vergangenem Jahr viel Masse verloren.
    Die „Schwarze Milz“ nach dem Hitzesommer: Der kleine Gletscher hat seit vergangenem Jahr viel Masse verloren. Foto: Michael Munkler

    Unaufhörlich rinnt das Schmelzwasser über die Eisreste in 2400 Metern Höhe. Die vielen kleinen Bächlein sammeln sich und plätschern in einen kleinen See. Tauwetter – seit Monaten. Obwohl es schon Oktober ist, wärmt die Sonne so gut, dass einige Wanderer im T-Shirt auf den Felsen am Rande der „Schwarzem Milz“ sitzen und Brotzeit machen. Nur einen Steinwurf entfernt räkeln sich Steinböcke in der Sonne.

    Die „Schwarze Milz“, auch Schwarzmilzferner oder Mädeleferner genannt, ist in gewisser Weise das letzte Überbleibsel der Eiszeit in den Allgäuer Alpen. Der kleine Gletscher zu Füßen der Felswände von Hochfrottspitze und Mädelegabel am Allgäuer Hauptkamm, ist der einzige im Allgäu. Und er wird wohl nicht mehr lange existieren. Wanderer auf dem Heilbronner Weg überqueren den Schwarzmilzferner, wenn sie zwischen Bockkar und Kemptener unterwegs sind. Der Ferner liegt auf Tiroler Boden, zählt aber zu den Allgäuer Alpen.

    Zuletzt hat dem Gletscher der diesjährige Hitzesommer massiv zugesetzt. Zwar gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer einmal Phasen, in denen die Eismasse auch zugenommen hat, doch der Trend geht eindeutig in Richtung Schwund. Ein so schneller Rückgang der Eismasse wie heuer war zuletzt im Hitzesommer 2003 beobachtet worden.

    Früher gab es dort Spalten

    Während die „Schwarze Milz“ heute unschwer überquert werden kann und an schönen Sommertagen dort hunderte von Heilbronner-Weg-Begehern unterwegs sind, war der Gletscher früher weitaus größer und gefährlicher. Nachdem die Eismassen Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Höchststand erreicht hatten, gab es auf der „Schwarzen Milz“ sogar gefährliche Spalten. So wird von einem tödlichen Spaltensturz im Jahr 1854 berichtet, und der große Alpenerschließer Hermann von Barth beschreibt die Eismassen in den Allgäuer Alpen im September 1869. Selbst auf Fotografien von 1936 ist der Gletscher noch von beachtlichen Spalten durchzogen.

    In diesen Tagen liegt kein Altschnee mehr auf den Eisresten. Sogar mit leichten Sportschuhen kann man den Kleingletscher überqueren. Der aus Sonthofen stammende Meteorologe Joachim Schug hat 1987 über die „Schwarze Milz“ seine Diplomarbeit geschrieben. Welche Frage ihn besonders interessierte: Warum konnte sich hier, auf nur 2400 Metern Höhe an der Südostseite der beiden Berge, ein Gletscher so lange halten? Die Antwort: Der im Bereich Mädelegabel und Hochfrottspitze mit Nordwestwinden fallende Schnee lagert sich häufig genau in der Südostmulde ab, in der sich der Kleingletscher befindet. Zudem donnern aus den Wänden oft große Lawinen auf den Ferner und sorgen für Schnee-Nachschub.

    Geröll auf dem Eis

    „Am schlimmsten leiden die Gletscher bei Spätsommerwärme“, sagt Meteorologe Schug. Vor allem dann, wenn keine Schneeauflage mehr auf dem Eis ist und dort Geröll und Gestein liegen. Genau das ist derzeit auf der „Schwarzen Milz“ der Fall.

    Für Gletscher fast genauso schlecht wie heiße Sommer sind aber auch trockene Winter, in denen nur vergleichsweise wenig Neuschnee auf das Eis fällt. Dann sind die Eismassen im Laufe des Sommers schnell nicht mehr von Schnee bedeckt, liegen quasi blank und sind ungeschützt der Sonneneinstrahlung ausgeliefert. „Es ist schwer abzuschätzen, wie lange der kleine Gletscher noch überlebt“, sagt Schug über den Schwarzmilzferner.

    In bester Gesellschaft

    Nach einer Untersuchung von Gletscherforscher Wilfried Haag befindet sich die „Schwarze Milz“ in bester Gesellschaft mit den bayerischen Gletschern. Die Rekordhitze des Sommers habe ihnen stark zugesetzt. Der Wissenschaftler hatte die drei Ferner an der Zugspitze sowie den Watzmanngletscher und das Blaueis in den Berchtesgadener Alpen untersucht. Haag sagte, der Watzmanngletscher sei extrem stark geschrumpft. Man müsse sich fragen, ob man ihn nicht „beerdigen“ müsse – also für nicht mehr existent erklären solle. Es sei aber wahrscheinlich, dass bei der derzeitigen Schmelzrate auf der Zugspitze auch Mitte des Jahrhunderts noch Gletschereis zu finden sein werde.

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