„Delfine, Delfine“, rufen die Kinder begeistert, als die Tiere vom Trainer angelockt zu dem großen Fenster schwimmen und durch die Scheibe schauen. Während bei den Kleinen das Nürnberger Delfinarium meist gut ankommt, protestieren Tierschützer seit Eröffnung der Anlage im Jahr 2011 regelmäßig: Zu wenig Platz für die Tiere, die Zucht funktioniere nicht, die Delfine würden mit Psychopharmaka ruhiggestellt.
Delfine leben in künstlichen Gemeinschaften
In Nürnberg und Duisburg gibt es die letzten zwei von einst neun Delfinarien in Deutschland. Für diesen Samstag haben Tierschützer weltweit zu Protestaktionen aufgerufen – auch in Deutschland. Für den Nürnberger Tiergarten ist die Delfin-Haltung jedoch noch lange kein Auslaufmodell.
James Brückner vom Deutschen Tierschutzbund sagt: Laut Akten des Nürnberger Zoos von 2000 bis 2011 seien einige Tiere dort chronisch krank gewesen. Sie zeigten demnach unverträgliches Verhalten untereinander und wurden mit Psychopharmaka behandelt. Der Tiergarten hat den Einsatz des Medikaments Diazepam vor zwei Jahren auch eingeräumt. In geringen Dosen diene es gelegentlich als Appetitanreger, wenn Delfine schlecht fräßen.
Doch auch mit dem neuen Delfinarium mit acht Becken für zehn Tiere hat sich für Brückner die Situation nicht entscheidend verbessert. „Die Verhältnisse sind sehr beengt, die Delfine können sich nicht aus dem Weg gehen. Die Gruppen werden außerdem künstlich zusammengestellt, sie sind nicht gewachsen.“
Abschaffung der Delfinarien unter dem Motto „Empty the Tanks“ („Leert die Becken“)
Die Nachzucht in beiden deutschen Delfinarien sei nur von Rückschlägen gezeichnet – alles Zeichen, dass diese Haltung „offensichtlich nicht funktioniert“. So sehen das auch hunderte Tierschützer, die am Wochenende protestieren wollen. Unter dem Motto „Empty the Tanks“ („Leert die Becken“) kämpfen sie für die Abschaffung von Delfinarien. Brückner sagt: „Eine vertretbare Haltung von Delfinen ist aus unserer Sicht nicht möglich.“ Aus Sicht der Tierschützer wäre es am besten, die Tiere in einer abgetrennten Meereslagune ihren Lebensabend verbringen und die Delfinhaltung auslaufen zu lassen.
Delfinarien wichtig für Forschung?
Für Dag Encke, Direktor des Tiergartens Nürnberg, ist das keine Option. „Die Echoortung, die Signaturpfiffe: Das ganze Grundlagenwissen, das wir über Delfine haben, haben wir nur aus Delfinarien, weil man im Meer keine kontrollierten Bedingungen erzeugen kann.“ Auch dass Delfine so schlau sind, wisse man nur aus Delfinarien. Und für die veterinärmedizinische Forschung seien sie wichtig, weil es immer mehr Epidemien auch in den Meeren gebe, bei denen auf einmal ganze Populationen aussterben. „Da braucht man immer die Rückkopplung zwischen Freiheit und Zoo“, so Encke.
Zudem müsse man Begeisterung bei den Menschen für ein Tier auslösen, damit sie ihr Augenmerk auf Probleme der Tiere in freier Wildbahn legen. Zur Kritik am ausbleibenden Nachwuchs sagt Encke, das sei kein generelles Problem der Delfinhaltung. „Wir in Nürnberg hatten die größte Misserfolgsquote aller Delfinarien in Europa, das muss man ganz ehrlich sagen.“ Der Zoo habe sechs Kälber hintereinander verloren, während in Europa insgesamt die Population wachse. Zum europäischen Zuchtprogramm gehörten 34 Delfinarien mit 235 großen Tümmlern. „Wir konnten nicht erklären, warum es so schlecht lief, jedes Kalb ist aus einem anderen Grund gestorben.“
Diskussion über Delfine deutschlandweit angeregt
Für Encke gibt es kein einziges Argument, das gegen die Delfinhaltung vorgebracht wird, das nicht auf 90 Prozent der Tiere in Zoos zutrifft. „Das heißt, die Delfin-Diskussion macht sich am Delfin fest, aber sie ist eigentlich eine Zoo-Diskussion.“
Daher kann er der ganzen Kritik an seinem Tiergarten sogar etwas Positives abgewinnen: „Durch die Delfine haben wir zum ersten Mal eine auch politische Diskussion bis zur Bundesebene erreicht, die uns zwar schadet, den Tieren aber nutzt. Und zwar, dass man sich wirklich Gedanken macht: Wie wollen wir als Gesellschaft eigentlich mit Delfinen umgehen?“
In einem Punkt sind sich Encke und Brückner vom Tierschutzbund einig: Delfinhaltung geht auch noch viel schlimmer. In der Türkei sei das gerade ein Boomgeschäft. Dort seien die Haltungsbedingungen aber viel schlechter, und die Tiere stammten oft aus Wildfängen und grausamen Treibjagden wie in Japan. „Die haben in Taiji festgestellt, dass man mit lebenden Tieren ein Schweinegeld machen kann. Und es gibt hunderte von Einrichtungen, die sich Zoo nennen, aber keiner sind“, sagt Encke. „Da kauft sich auch irgendein türkisches Hotel ein Tier.“ (dpa)