Es sind dramatische Stunden. Dramatische Stunden mit einem Banküberfall und einer erfolgreichen Ringfahndung der Polizei - und zwei Toten: den mutmaßlichen Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, erschossen in einem Wohnmobil in Eisenach. "Mit dem Tod dieser beiden Personen am 4. November 2011 war die terroristische Vereinigung "NSU" aufgelöst", heißt es trocken in der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft, die zum NSU-Prozessauftakt verlesen wurde.
In dieser Woche beschäftigt sich das Münchner Oberlandesgericht zum ersten Mal mit jenem 4. November. Dem Tag, der zur Aufklärung von zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen führen sollte - und am Ende zutage fördern sollte, was bis dahin kaum jemand für möglich gehalten hätte: dass eine rechtsextremistische Terrorgruppe viele Jahre lang eine Blutspur durch Deutschland ziehen konnte, ohne dass ihr Polizei oder Verfassungsschützer auf die Spur gekommen wären.
Erst einmal geht es - am Dienstag - um den letzten der vielen Banküberfälle, mit denen sich das NSU-Trio aus Mundlos, Böhnhardt und der Hauptangeklagten Beate Zschäpe das Leben im Untergrund finanziert haben soll. Die Zeugen werden ein anderes Bild der beiden Uwes malen als etwa Urlaubsbekanntschaften auf Fehmarn: kein Bild von netten Nachbarn auf dem Campingplatz, sondern von brutalen Bankräubern. Gegen 9.10 Uhr - so steht es in der Anklage - bedrohen Mundlos und Böhnhardt in einer Sparkasse zwei Kunden und mehrere Angestellte mit Faustfeuerwaffen. Auf Mundlos' Sturmhaube ist ein Vampirgesicht aufgedruckt. Dem Filialleiter schlagen sie heftig mit einer der Waffen auf den Kopf. Ihre Beute am Ende: 71 915 Euro.
Die beiden flüchten mit Mountainbikes, verstecken sich in einem Wohnmobil, das den Ermittlungen zufolge Zschäpe und Böhnhardt angemietet haben und das in einem Wohngebiet geparkt ist. Doch die beiden werden entdeckt. Sie schießen mit einer Maschinenpistole auf die sich nähernden Polizisten - doch die Waffe hat eine Ladehemmung. Und dann geht es ganz schnell: "Einem schon zuvor für den Fall der Entdeckung gefassten Entschluss entsprechend töteten sie sich selbst, wobei Uwe Mundlos zunächst Uwe Böhnhardt und sodann sich selbst erschoss", heißt es in der Anklageschrift. Irgendwann in diesen letzten Sekunden steckten sie demnach noch das Wohnmobil in Brand.
Am Mittwoch wird der Tod von Mundlos und Böhnhardt im NSU-Prozess zur Sprache kommen. Mehrere Polizeibeamte sind als Zeugen geladen - und der Gerichtsmediziner, der die Leichen der beiden obduzierte.
Klare Rekonstruktion, aber keine vollständige Aufklärung
Hundertprozentig geklärt sind die Abläufe bis heute nicht - auch wenn es eine klare Tatrekonstruktion der Ermittler gibt. Aber kann es sein, dass sich die beiden mit einer Pumpgun - also einer Waffe mit langem Lauf - töteten, wo sie doch auch Pistolen hatten? Warum haben sie nicht weiter auf die Beamten gefeuert und versucht zu flüchten?
Und, diese Frage haben die erst kürzlich bekanntgewordenen Obduktionsberichte noch einmal aufgeworfen: Haben die beiden wirklich das Wohnmobil angezündet und sich dann selbst erschossen? Oder gibt es noch einen unbekannten, geheimnisvollen Dritten? Schließlich - das steht in den Obduktionsberichten - wurden in den Lungen der beiden keine Rußpartikel gefunden. Ein Hinweis, dass noch jemand anderes im Spiel gewesen sein muss und das Wohnmobil erst angezündet wurde, als beide schon tot waren? Derartige Spekulationen über jenen 4. November 2011 gibt es nach wie vor - zumal damals eigenartigerweise auch zwei Geschosshülsen gefunden wurden. Hier wiesen die Ermittler allerdings nach, dass eine Hülse auch ohne aktives Nachladen aus der Waffe ausgeworfen wird, wenn die Waffe nach dem Schuss auf den Boden fällt.
Experten des Bundeskriminalamts kommen in einem Gutachten jedenfalls zu dem Schluss, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass eine dritte Person an den Abläufen beteiligt gewesen sein könnte. Es seien keine objektiven Hinweise für eine solche Hypothese gefunden worden. dpa