Die Lage an der deutsch-österreichischen Grenze spitzt sich angesichts der wieder steigenden Flüchtlingszahlen zu. Bei Wegscheid im Kreis Passau überquerten am Montagabend rund 2000 Flüchtlinge die grüne Grenze. Die Bundespolizei konnte die Menschenmassen nach eigenen Angaben nicht mehr zurückhalten und an einer unkontrollierten Einreise hindern.
Den knapp 40 Einsatzkräften von Bundes- und Landespolizei vor Ort gelang es erst nach und nach, die Menschen hinter der Grenze wieder einzusammeln. "Vielen war es einfach nur wichtig, auf deutschen Boden zu kommen", so ein Sprecher der Bundespolizei. Mit eilig organisierten Bussen wurden die Menschen schließlich in die Niederbayernhalle nach Ruhstorf und nach Passau gebracht, von wo aus sie am Dienstag landes- bzw. bundesweit weiterverteilt werden sollen.
Kritik an dem Vorgehen Österreichs wird lauter
Grund für die Eskalation war offenbar die Ankunft einer großen Zahl Busse aus Österreich, die Asylbewerber an die Grenze brachten. Eine Vorwarnung gab es laut Bundespolizei nicht. "Wir konnten uns darauf nicht vorbereiten", sagte ein Sprecher.
Der Bereich um Wegscheid ist bereits seit mehreren Wochen ein Brennpunkt. Grundsätzlich werden dort Flüchtlinge in kleinen Gruppen geordnet von Kollerschlag auf der österreichischen Seite nach Bayern übernommen - laut Bundespolizei rund 300 bis 600 am Tag. Der starke Andrang der letzten Tage macht ein kontrolliertes Verfahren aber immer schwieriger. Allein im Raum Passau seien am Montag 8000 Migranten angekommen, sagte am Dienstag ein Sprecher der Bundespolizei. "Es sind einach zu viele Menschen in zu kurzer Zeit".
Bei den bayerischen Behörden wächst daher der seit Monaten schwelende Ärger über das Verhalten Österreichs. Josef Lamperstorfer, Bürgermeister von Wegscheid, fand am Montag deutliche Worte. "Ich habe so einen Hals. Die Österreicher wissen ganz genau, dass wir solche Massen nicht managen können, trotzdem werden wir bis zum Geht-nicht-mehr angefüllt", sagte er dem Bayerischen Rundfunk.
Seehofer fordert Merkel zu Gespräch mit Österreich auf
Der Passauer Landrat Franz Meyer (CSU) forderte Bund und Land auf, sofort mit den Behörden in Wien Kontakt aufzunehmen und für geordnete Abläufe zu sorgen. Unterstützung bekam er von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Der CSU-Chef appellierte an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) umgehend mit Österreichs Regierung zu sprechen. "Die wichtigste Maßnahme, die sofort zu treffen wäre, wäre ein Telefonat der Bundeskanzlerin mit Österreichs Kanzler Faymann", sagte Seehofer der Passauer Neuen Presse.
Er kritisierte das Nachbarland scharf: "Dieses Verhalten Österreichs belastet die nachbarschaftlichen Beziehungen. So kann und darf man nicht miteinander umgehen." Bis Allerheiligen werde er noch abwarten, ob die bayerischen Forderungen nach einer Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung in Berlin Gehör fänden, sagte Seehofer weiter. "Sollte ich keinen Erfolg haben, müssen wir überlegen, welche Handlungsoptionen wir haben", fügte er mit Blick auf schon früher angedrohte "Notwehrmaßnahmen" hinzu.
Allerdings: Die Österreicher sind derzeit selbst überlastet. Allein am slowenischen Grenzübergang Spielfeld warteten am Montag 2800 Menschen auf den Weitertransport, wie die Nachrichtenagentur APA meldete. Und ein Abreißen des Flüchtlingsstroms über die Balkanroute ist derzeit nicht abzusehen. mit dpa