In der CSU gibt es Menschen mit Humor. Christa Stewens zum Beispiel. Die frühere Sozialministerin, die nach der Wahlschlappe 2008 nicht mehr ins Kabinett geholt wurde, konnte sich zum Auftakt des Parteitags in München einen ironischen Seitenhieb auf die neu entdeckte Harmonie in der CSU nicht verkneifen: „Es wird wunderbar werden. Es wird Nussecken geben und wir werden uns alle bei den Händen nehmen und lieb haben.“
Horst Seehofer mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein
In der CSU gibt es auch Menschen mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein. Horst Seehofer zum Beispiel. Der Parteichef und Ministerpräsident verschwendet offenbar keine Sekunde darauf, darüber nachzudenken, wer sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin werden könnte. Gleich bei seiner Ankunft vor der Messehalle C1 diktierte er Journalisten den Satz in die Blöcke: „Über Personalfragen können Sie in fünf Jahren mit mir reden.“
Und in der CSU gibt es mutige Menschen. Gerd Müller zum Beispiel. Der Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium schert sich nicht um die wahltaktische Direktive der Parteistrategen, bloß nicht vorschnell über eine Rückeroberung der absoluten Mehrheit in Bayern zu spekulieren. Er sagt: „Der CSU geht es wieder gut. Die absolute Mehrheit ist erreichbar und sie ist auch das Ziel.“
Umfrage: CSU nahe absoluter Mehrheit
Das ist Horst Seehofer
Am 4. Juli 1949 kam Horst Seehofer im bayerischen Ingolstadt zur Welt. Er stammt aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater war Bauarbeiter und LKW-Fahrer.
Nachdem er die Mittlere Reife erworben hatte, schlug er eine Beamtenlaufbahn ein. 1979 macht Seehofer sein Verwaltungsdiplom an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie in München. Bis 1980 arbeitet er für die Landratsämter Eichstätt und Ingolstadt.
Ab 1969 engagiert sich Horst Seehofer bei der Jungen Union. Zwei Jahre später wird er außerdem Parteimitglied der CDU.
Von 1980 bis 2008 war er Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Ingolstadt. Nach 28 Jahren, am 4. November 2008, legte er sein Mandat nieder.
Sechs Jahre lang füllte er die Position des sozialpolitischen Sprechers der CSU-Landesgruppe aus. 1989 wurde er zum Staatssekretär des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung berufen.
Von 1992 bis 1996 verdingte sich Horst Seehofer als Bundesminister für Gesundheit. Ab 1994 bis zu seiner Mandatsniederlegung 2008 war er stellvertretender Vorsitzender der CSU. Außerdem wirkte er als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und als Landesvorsitzender der Christlich Sozialen Arbeitnehmer-Union (CSA).
2005 wurde Seehofer zum Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gewählt. Er füllte das Amt drei Jahre lang aus.
Am 25. Oktober 2008 konnte Horst Seehofer die Wahl zum CSU-Vorsitzenden für sich entscheiden. Kurz darauf wurde er Bayerischer Ministerpräsident.
Die Universität von Qingdao in China ernannte den Bayerischen Ministerpräsident 2010 zum Ehrenprofessor. Für den Realschüler ohne akademischen Grad hat der Titel eine besondere Bedeutung.
Seehofer hat zweimal geheiratet. Aus der zweiten Ehe mit Karin Seehofer gingen drei Kinder hervor. Seine vierte Tochter wurde im Juni 2007 geboren. Allerdings nicht von Frau Seehofer, sondern von Anette Fröhlich, die über mehrere Jahre seine Geliebte war. Letztendlich blieb er bei seiner Ehefrau.
Wenn die jüngsten Umfragen zutreffen, dann können sich die Christsozialen eine derart ironische oder unbescheidene Redeweise durchaus leisten. Unmittelbar vor dem Parteitag bestätigte eine neue Umfrage im Auftrag von Sat.1 Bayern, dass die CSU mit 48 Prozent Zustimmung nahe an der absoluten Mehrheit liegt, während SPD, Grüne und Freie Wähler gemeinsam nur auf 38 Prozent kommen.
Alexander Dobrindt, dem Generalsekretär der CSU, gefällt das sehr. „Da gehören sie hin, in den Keller“, sagte Dobrindt in seiner Eröffnungsrede über die drei Konkurrenzparteien. Für Seehofers SPD-Herausforderer, den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, hatte er nur Spott übrig. Sogar in der SPD, so Dobrindt, gehe mittlerweile der Satz um: „Verlieren hätten wir auch ohne den Ude können.“
Bei Weitem schwerer, als über sich selbst gut und über andere schlecht zu reden, fiel es der CSU, ihre Linie in der Euro-Rettungspolitik zu bestimmen. Zwar blieb der allgemein gehaltene Leitantrag des Parteivorstands unumstritten. Sowohl der Chef der CSU-Europagruppe, Markus Ferber, als auch der Euro-Skeptiker Peter Gauweiler warben dafür.
Angela Merkel hält ein Plädoyer für Europa
In den Reden aber wurden kontroverse Tendenzen sichtbar. Ferber, dem das Einschwenken der CSU auf die Linie von Bundeskanzlerin Angela Merkel erkennbar Auftrieb gibt, bemühte sich, die Härte der CSU zu betonen: „Wer schützt wirklich die Interessen der deutschen Steuerzahler? Das sind wir.“ Er blieb bei seiner pro-europäischen Grundlinie und forderte unter anderem, bei der Rettung deutscher Banken und der Unterstützung überschuldeter Staaten im Euro-Raum mit gleichem Maß zu messen.
Gauweiler gab sich zwar auch als Europäer, stellte aber klar: „Wir können nicht alle umarmen und uns selbst vergessen.“ Der Landtagsabgeordnete Georg Eisenreich dagegen übte offen Kritik an der Politik der Bundesregierung und der Europäischen Zentralbank. Er warnte davor, „dass wir uns von einem Vertragsbruch zum anderen hangeln“.
Bayerns Finanzminister Markus Söder fasste zusammen: „Der Leitantrag deckt das Meinungsspektrum in der CSU gut ab.“ Er sollte recht behalten. Die Delegierten stimmten dem Antrag zu. Es gab keine Enthaltung, keine Gegenstimme.
Das wiederum gefiel der Bundeskanzlerin, die um 18 Uhr mit dem „Bongo-Song“ in der Halle begrüßt wurde. CDU-Chefin Angela Merkel hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für Europa und forderte: „Wir müssen anderen helfen, Reformen zu machen, die unbedingt notwendig sind.“ Sie erntete dafür Applaus, wenn auch nicht überschwänglich.