Die Kaufbeurer Jurastudentin Anne Ankers (23, Name von der Redaktion geändert) kämpft sich seit Stunden durch Paragrafen – die Prüfungen nahen. Ein letzter Abruf ihrer E-Mails, dann sollte für diesen Abend Schluss sein. Doch weit gefehlt. Der Bildschirm ihres Computers verdunkelt sich. Plötzlich baut sich eine ihr unbekannte Seite auf: In schwarz-rot-goldenen Farben, das Wappen der Bundespolizei ist zu erkennen. „Ein Vorgang illegaler Aktivitäten wurde erkannt“, heißt es.
Als die Kaufbeurerin die nächsten Zeilen liest, ist sie schockiert. Sie wird bezichtigt, kinderpornografische Seiten besucht zu haben. Bezahle sie nicht binnen 24 Stunden ein Bußgeld in Höhe von 100 Euro, werde ihr Internet gesperrt und alle sich auf der Festplatte befindlichen Dateien würden gelöscht. Sofort blockieren sich zudem alle anderen Anwendungsbereiche des Computers. „Ich konnte meinen Rechner nicht mal mehr herunterfahren“, sagt Ankers.
Betrüger filmen ihr Opfer über Webcam
Doch in ihrem Fall gehen die Betrüger noch einen Schritt weiter: Während sie mit der erschreckenden Beschuldigung und der Bußgeldforderung konfrontiert wird, gelingt es den Kriminellen, Zugriff auf die Webcam ihres Rechners zu nehmen. Als die Studentin bemerkt, dass sie beobachtet wird, überkommt sie ein Schauder: „Es war ein unheimliches Gefühl, als ich mich plötzlich selbst auf meinem Bildschirm sah, denn man kann ja nie wissen, wofür das Videomaterial benutzt wird“, erinnert sich Ankers.
23-Jährige behält kühlen Kopf
So schützen Sie sich vor Betrug im Internet
Wie im wahren Leben, so lauern auch im Internet Abzocker und Betrüger. Folgende Tipps bewahren Sie davor, unseriösen Zeitgenossen auf den Leim zu gehen.
1. Ganz wichtig beim Online-Shopping: Vorkasse ist eine riskante Zahlungsweise, gerade bei Anbietern, die man nicht kennt. Am besten sollten Sie nach einer anderen Zahlungsart wie Lastschrift, Kreditkarte oder Bezahldienst Ausschau halten, bei der Sie sich im Zweifel sein Geld zurückholen können - oder sich gleich einen anderen Anbieter suchen.
2. Seien Sie misstrauisch, wenn der angebotene Preis einer Ware im Internet meilenweit von dem in anderen Shops entfernt liegt. Niemand hat etwas zu verschenken - auch im Internet nicht.
3. Prüfen Sie immer genau, mit wem Sie es zu tun haben bei einem Online-Kauf. Ein Blick ins Impressum kann helfen, einen Eindruck von der Seriosität des Anbieters zu bekommen. Gerade bei Firmen mit Sitz im Ausland kann es schwierig werden, sein Geld zurück zu bekommen oder Ansprüche rechtlich durchzusetzen. Hilfreich sind auch Internetforen oder Preisvergleichsseiten, auf denen sich Verbraucher über ihre Erfahrungen mit Shops und Anbietern austauschen.
4. Sollen Sie auf einer Internetseite persönliche Daten angeben, um ein offenbar kostenloses Angebot in Anspruch zu nehmen? Vorsicht: Hinter solchen Seiten stecken nicht selten Adresshändler und Betreiber einer Abofalle im Internet. Also: Prüfen sie immer ganz genau, wo Sie welche Daten von sich preisgeben.
5. Überhaupt, der Datenschutz: Überprüfen Sie auf Webseiten und Online-Shops immer, wie der Anbieter mit Ihren Daten umgeht. Kontrollieren Sie auch, ob Ihre Daten möglicherweise an Dritte weitergegeben werden sollen. Geben Sie grundsätzlich nur die Daten an, die für die Bestellungsabwicklung unbedingt nötig sind.
6. Sie erhalten per Mail einen Nebenjob angeboten? Sie sollen lediglich Geld in Empfang nehmen und weiterleiten und dafür eine dicke Provision erhalten? Vergessen Sie's. Betrüger versuchen gerade, Sie als "Finanzagenten" in ihre schmutzigen Geschäfte zu ziehen.
7. "Sie haben gewonnen", wird auf einer Internetseite oder in einer Werbung behauptet - ohne, dass Sie irgendetwas getan haben? Aufgepasst. Auch das könnte ein Trick sein, um an Ihre Daten zu kommen oder Sie in ein Geschäft zu verwickeln, das Sie später womöglich bereuen.
Doch trotz dreister Beschuldigung, Gelderpressung und Eingriff in ihre Privatsphäre behält die 23-Jährige einen kühlen Kopf: Sie trennt die Verbindung ins Internet und kann wenigstens ihre Dateien auf einer externen Festplatte speichern. Da sie in ihrem Jurastudium ähnliche Fälle zu bearbeiten hat, geht Ankers auch auf die Geldforderung nicht ein, „denn als Jurastudentin bin ich vor solchen Betrügereien gefeit“, meint die Kaufbeurerin. Zumindest wohl in gewissem Maße.
Das Internet wurde in den vergangenen Jahrzehnten bekanntlich zu einem unabkömmlichen und globalisierten Gesellschaftsmedium. Doch bietet es eben auch eine Plattform für dreiste Betrügereien und Erpressungen. Oft sind die Maschen gut durchdacht und überzeugend. Im Falle dieses so genannten „BKA-Trojaners“, einem Computervirus, der von eigens entworfenen Websites aus die Kontrolle über den Computer des Betroffenen übernimmt, versuchen die Cyberkriminellen Gelder zu erpressen.
"Auf keinen Fall bezahlen"
Die Opfer werden mit erschreckenden Beschuldigungen konfrontiert: So sollen sie auf Internetseiten zugegriffen haben, die Sex mit Kindern oder Tieren zeigen oder mit terroristischem Gedankengut. Per elektronischem Zahlungsmittel, beispielsweise „Ukash“, soll das Bußgeld in Höhe von 100 Euro überwiesen werden. „Nach Eingang des Geldes wird Ihr Internetzugang entsperrt“, versprechen die Betrugsseiten. Dies wird aber nur in seltensten Fällen Realität. Meist wird sogar mehr Geld von den Opfern gefordert. Deshalb raten Bundespolizei und Bundeskriminalamt, diese Beträge „auf keinen Fall zu bezahlen“.
Viele der Betroffenen meiden aus Angst vor Schmäh und Gerüchten den Weg zum Computerfachhandel. Oft sind zudem die Preise der Reparatur höher als das geforderte Geld. Deshalb hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Hilfe in Form von Hinweisen und Informationen zur Verfügung gestellt.
Tipps:
- Wer von einer Behörde via Internet eine Zahlungsaufforderung erhält, sollte grundsätzlich Verdacht schöpfen. Denn: Staatliche Stellen sperren über das Internet keine Computer und geben diese etwa gegen Lösegeld wieder frei. Behörden schicken nach wie vor amtliche Briefe. Und im Falle des Bundeskriminalamtes werden diese sogar von einem uniformierten Übermittler zugestellt.
- Erpresser versuchen, Opfer unter Zeitdruck zu setzen oder zu verängstigen. Des Weiteren zeichnen sich Computervirusprogramme oftmals durch unkorrekte Rechtschreibung aus.
- Generell rät das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), dubiosen Geldforderungen nicht nachzugehen.
- Da infizierte Betriebssysteme nicht immer auf einfachem Wege komplett gereinigt werden können, empfiehlt sich der Weg zum Fachmann oder der Erwerb spezieller Boot-CDs, um mit ihrer Hilfe den Rechner komplett neu zu formatieren und vom Virus befreien zu können.
- Empfehlenswert ist zudem grundsätzlich die Sicherung aller wichtiger Dateien auf einer externen Festplatte. Ist ein Rechner befallen, kann die befallene Festplatte gelöscht werden – und die Dateien sind trotzdem nicht verloren.
- Wer attackiert wird, sollte bei der Polizei Anzeige erstatten. Dabei muss aber niemand preisgeben, wann, wo und warum er im Internet unterwegs war. AZ