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NSU-Prozess: Beate Zschäpe vertraut Anwälten nicht: Psychische Erschöpfung als Anlass?

NSU-Prozess

Beate Zschäpe vertraut Anwälten nicht: Psychische Erschöpfung als Anlass?

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    Beate Zschäpe hat ihren Anwälten das vertrauen entzogen. Am Freitag ging offenbar ein Schreiben der Hauptangeklagten beim OLG und der Bundesanwaltschaft ein.
    Beate Zschäpe hat ihren Anwälten das vertrauen entzogen. Am Freitag ging offenbar ein Schreiben der Hauptangeklagten beim OLG und der Bundesanwaltschaft ein. Foto: Peter Kneffel/dpa

    Das sind die Verteidiger von Beate Zschäpe

    Als «Sturm, Stahl und Heer» gehören die Anwälte von Beate Zschäpe neben den Angeklagten zu den prominentesten Beteiligten im NSU-Prozess. Vor allem ihre martialisch klingenden Namen ließen zu Beginn der Verhandlung aufhorchen.

    Wolfgang Heer: Im NSU-Prozess ist er der Wortführer der Zschäpe-Verteidigung. Zunächst hatte er das Mandat allein übernommen, seine Kollegen kamen später hinzu.

    Mit zahllosen Anträgen brachte er vor allem zu Beginn der Verhandlung die Nebenkläger gegen sich auf. Heer ist kein Mitglied einer Partei und betonte zu Prozessbeginn:_«Das ist kein politisches Verfahren. Es geht darum, dass die Vorwürfe strafrechtlich untersucht werden.»

    Geboren wurde er 1973 in Köln. Dort studierte er auch Rechtswissenschaften. Sein Schwerpunkt lag nach Angaben auf der Homepage seiner Kölner Kanzlei, die er gemeinsam mit seiner Kollegin Sturm führt, von Anfang an auf dem Strafrecht. Seit 2004 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.

    Wolfgang Stahl: Im Zschäpe-Mandat sieht er auch eine Karrierechance, wie er zu Beginn des Prozesses selbst sagte. «Dies ist aus Verteidigersicht ein ähnlich bedeutendes Verfahren wie die RAF-Verfahren in den 70er Jahren», erklärte er.

    In den Scharmützeln mit dem Vorsitzenden Richter hat er auch schon mal wutentbrannt den Verhandlungssaal verlassen.

    Stahl ist Fachanwalt für Strafrecht und nach Angaben seiner Koblenzer Kanzlei ausschließlich als Strafverteidiger tätig. Seine Schwerpunkte liegen demnach eigentlich im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Er ist FDP-Mitglied und Oberstleutnant der Reserve und bearbeitete viele Jahre Wehrstraf- und Wehrdisziplinarsachen der Bundeswehr.

    Anja Sturm: Anja Sturm wurde nach Angaben auf der Homepage ihrer Kanzlei 1970 in Ithaca in den USA geboren, studierte Rechtswissenschaften in Bayreuth und Kiel und machte sich 1999 als Anwältin in Berlin selbstständig, seit 2003 ist sie Fachanwältin für Strafrecht.

    Nach der Geburt ihrer Kinder ging sie 2004 nach München. Seit 2012 arbeitete sie in einer renommierten Berliner Kanzlei - bis sie das Zschäpe-Mandat übernahm.

    Ein Jahr später wechselte Anja Sturm in eine gemeinsame Kanzlei mit ihrem Kollegen Heer in Köln. Ihre Berliner Kanzlei soll sie zuvor für ihre Mandatsübernahme im Fall Zschäpe kritisiert haben. Mitglied einer Partei ist sie nicht.

    «Als Verteidigerin reizt mich das Gefühl, einer der Übermacht des Staates ausgelieferten Person mit rechtlichen Mitteln beizustehen», sagte Sturm. «Auch Frau Zschäpe befindet sich in einer solchen Position.» dpa

    Beate Zschäpe, Hauptangeklagte im NSU-Prozes,, hat die vom Oberlandesgericht München geforderte Begründung für ihren Wunsch nach einem Wechsel ihrer Pflichtverteidiger abgegeben. Das Schreiben von Zschäpe ging nach Informationen mehrerer Medien am Freitag beim OLG und bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ein. Sprecherinnen in München und Karlsruhe wollten das am Samstag nicht offiziell bestätigen, "aber auch nicht dementieren". Sie kündigten an, an diesem Montag werde es Erklärungen geben.

    Zschäpe kritisiert Verteidiger

    Bei dem Schreiben Zschäpes soll es sich "nur um eine äußerst knappe, wenig substantiierte Stellungnahme handeln", wie "Spiegel Online" berichtete. Detaillierte Vorwürfe, die auf ein nachhaltig zerrüttetes Vertrauensverhältnis zu ihrem Anwaltsteam schließen ließen, seien darin nicht zu lesen. 

    Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Focus" kritisiert Zschäpe die Verhandlungsführung ihrer drei Pflichtverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Von deren bisher verfolgter Strategie, keine Aussagen zu den Tatvorwürfen zu machen, sei nicht die Rede. 

    Der Berliner "Tagesspiegel" (Samstag) berichtete unter Berufung auf unbestätigte Informationen aus Münchner Justizkreisen, dass ein Anwalt Zschäpe geholfen habe, die Stellungnahme zu formulieren. Mutmaßlich sei psychische Erschöpfung der Anlass gewesen, ihren Verteidigern das Vertrauen zu entziehen.

    Einer der Zschäpe-Anwälte, Wolfgang Stahl, lehnte auf Anfrage eine Stellungnahme ab, weil der Vorgang "den Kern des Mandatsverhältnisses" betreffe. Vor der Entscheidung über Zschäpes Antrag wird das Gericht auch hören, wie sich die Anwälte zu möglichen Vorwürfen äußern.

    NSU-Prozess wird kommenden Dienstag fortgesetzt

    Der Prozess wird "nach derzeitigem Planungsstand" am kommenden Dienstag fortgesetzt. Eines der Themen wird das Feuer sein, mit dem Zschäpe nach dem Auffliegen des NSU-Trios die Fluchtwohnung in Zwickau zerstört haben soll. Sie habe dabei den Tod ihrer damals 89 Jahre alten Nachbarin "billigend in Kauf genommen", heißt es in der Anklage. Auf der Ladungsliste, die das OLG am Freitagnachmittag verschickte, findet sich als Zeuge ein Zwickauer Amtsrichter, der die frühere Nachbarin in einem Altenpflegeheim vernehmen sollte.

    Das ist Beate Zschäpe

    Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.

    Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.

    Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.

    Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.

    Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.

    Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.

    Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.

    Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.

    Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.

    Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".

    Zschäpe hatte am vergangenen Mittwoch überraschend ihren drei Pflichtverteidigern das Vertrauen entzogen. Daraufhin war spekuliert worden, sie wolle sich entgegen der bisherigen Verteidigungsstrategie doch vor Gericht zu einzelnen Anklagepunkten äußern. Der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) wird für zehn Morde verantwortlich gemacht.

    Der Anwalt Mehmet Daimagüler, der die Schwester eines NSU-Mordopfers aus Nürnberg vertritt, forderte Zschäpe auf, ihr Schweigen zu brechen. Eine Aussage sei in ihrem eigenen Interesse, sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Samstag). "Ich hoffe und rechne auch damit, dass sie aussagt. Denn so kann es ja nicht weitergehen." dpa/AZ

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