Nach den tödlichen Schüssen eines "Reichsbürgers" auf einen Polizisten hat Bayerns Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner vor dem wachsenden Gefahrenpotenzial der Bewegung gewarnt. "Auch in der Reichsbürgerszene gibt es Personen, die sich radikalisieren, deren Staatsverdrossenheit sich auswächst zu gefährlichem Staatshass", sagte Körner der Deutschen-Presse Agentur in München. "Deshalb habe ich auch in den letzten Monaten mehrfach gesagt: Es mag nicht alles extremistisch sein, was wir in dieser Szene sehen, aber es sind Leute darunter, die gefährlich sind."
"Reichsbürger"-Bewegung gewinnt an Dynamik
Die Szene gewinne an Dynamik. Auch die klar rechtsextremistischen Teile versuchten, größer und schlagkräftiger zu werden. "Gefahren können auch ausgehen von Leuten, die vermeintlich nur Querulanten sind", sagte Körner. Der Verfassungsschutz ordnet 30 bis 40 sogenannte Reichsbürger in Bayern der rechtsextremen Szene zu. Wie viele Mitglieder die Bewegung insgesamt hat, weiß die Behörde nicht.
Reichsbürger, Germaniten, Identitäre - Die Szene der Staatsverweigerer
Die Bewegung der Staatsverweigerer ist sehr heterogen. Sie umfasst mehrere sektenartige Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die seit den 1980er-Jahren entstanden und untereinander zerstritten sind.
Nur in einem sind sie sich einig: Deutschland sei kein echter Staat, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort.
Die Gruppen haben keine feste Organisationsstruktur.
Die erste bekannte Organisation von „Reichsbürgern“ wurde 1985 als „Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ gebildet. Gründer war Wolfgang Gerhard Günter Ebel, ein Westberliner Eisenbahner, der sich fortan „Reichskanzler“ nannte.
Die Anhänger sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab.
Ein Schwerpunkt in der Region ist das Allgäu. Doch bayernweit nehmen die Zahlen der "Reichsbürger" zu. Derzeit sind knapp über 300 Personen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West als „Reichsbürger“ eingestuft.
Die Germaniten wurde im Dezember 2010 von einer gewissen Ulrike Kuklinski auf der Schwäbischen Alb gegründet.
Sie sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und bildete mit Gleichgesinnten die Behindertenfürsorge „Deutsche Ringvorsorge“, die Keimzelle des „Staates Germanitien“.
Die Bewohner verstehen sich allen Ernstes als souveränes Staatsvolk mit einem eigenen Staatsgebiet in den Grenzen von 1937.
Der Ursprung der Identitären Bewegung liegt in Frankreich, wo sie zu Beginn des Jahrhunderts im Dunstkreis des Front National entstand. Sehr aktiv ist die IB in Österreich, neuerdings auch in Bayern.
Sie ist ethnopluralistisch – jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben – und geht von einer geschlossenen „europäischen Kultur“ aus, die vor allem vom Islam bedroht sei. Für Experten ist die IB eine neue Form des Rechtsextremismus. (hogs, sohu)
"Die Beobachtung der Reichsbürgerszene wurde in den letzten Monaten bereits intensiviert und wir werden auf diesem Weg nun mit noch größerem Nachdruck vorangehen", sagte Körner. Bei der Beobachtung einzelner Personen liege der Fokus vor allem auf jenen, die als gewaltorientiert einzustufen seien. "Besonderes Augenmerk werden wir auf die waffenrechtlichen Erlaubnisse bei diesem Personenkreis legen."
Am Mittwoch hatte ein "Reichsbürger" im mittelfränkischen Georgensgmünd auf Polizisten geschossen und einen 32-jährigen Beamten tödlich verletzt. Gegen den Schützen wurde Haftbefehl erlassen. "Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Stattdessen behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Etliche Akteure sind in der rechtsextremen Szene aktiv. dpa/AZ