Was geht nur in diesen Köpfen vor sich: Das kleine und beschauliche Dorf Dietramszell im Landkreis Bad Tölz - Wolfsratshausen hat prominente Ehrenbürger. Und zwar niemand geringes als Paul von Hindenburg und Adolf Hitler. Doch schämt man sich nicht für diese Paten, ganz im Gegenteil: Das Dorf wollte seine prominenten Ehrenbürger unbedingt behalten. Denn einen entsprecheneden Antrag - die Ehrenbürgerschaft von Hitler und Hindenburg zu beenden - lehnte die Hälfte der Gemeinderatsmitglieder in der vergangenen Woche ab.
Gemeinde distanziert sich von Hitler und Hindenburg
Eine Entscheidung, die heftige Kritik ausgelöst hatte. Als skandalös, verheerend und entsetzlich bezeichneten Holocaust-Überlebende wie Max Mannheimer oder Charlotte Knobloch sowie zahlreiche Politiker das Verhalten der Dietramszeller Gemeinderäte.
Straßennamen mit NS-Vergangenheit: So machen es andere Städte
Krefeld: In Krefeld hat das Vermessungsamt ein 300 Seiten umfassendes Werk zur Geschichte der Krefelder Straßennamen verfasst. Darin sind auch Streitigkeiten über Namensbeziehungen zur NS-Zeit und völkischer Ideologie enthalten.
Hildesheim: Die SPD in Hildesheim hatte 2011 zum Umgang mit „schwierigen“ Straßennamen einen Schülerwettbewerb ausgeschrieben. Dabei wurden viele Hinweise auf Personen, die mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft als Förderer, Unterstützer oder Nutznießer verstrickt waren, gesammelt.
Mönchengladbach: Die SPD in Mönchengladbach machte sich vor einem Jahr für eine Geschichtswerkstatt stark: Sie sollte eine Strategie für den Umgang mit Persönlichkeiten, die mit der Nazi- oder Kolonialzeit in Verbindung gebracht werden, erarbeiten.
Münster: Der Name Paul von Hindenburg ist in Münster nicht länger willkommen. Der Stadtrat hat am 2012 – im sechsten Anlauf seit 1947 – beschlossen, dass der nach dem letzten Reichspräsidenten der Weimarer Republik benannte Platz künftig Schlossplatz heißt.
Westfalen-Lippe: Der dortige Landschaftsverband veranstaltete 2011 eine Tagung mit 200 Vertretern westfälischer Städte und Gemeinden, Museen, Heimatverbänden, Bildungseinrichtungen und der Wissenschaft zum Thema „Fragwürdige Ehrungen“.
Und die Kritik zeigte Wirkung. In einer Sondersitzung am Dienstagabend wurde nun eine öffentliche Entschuldigung der Gemeinde verlesen. Danach stimmte der Rat erneut über den Antrag ab. Das lässt die Geschäftsordnung in Ausnahmefällen zu. Diesmal war das Ergebnis einstimmig: Der Gemeinderat distanzierte sich nun von Adolf Hitler und Paul von Hindenburg und erkannte beiden posthum die Ehrenbürgerwürde ab.
"Geschichte kann man nicht nachträglich umschreiben"
Nach Auffassung von Bürgermeisterin Leni Gröbmaier hätten die betreffenden Räte die Dimensionen ihres Abstimmungsverhaltens nicht annähernd bedacht. "Es ist ein Eindruck entstanden, der uns nicht gerecht wird", sagte sie. Auf der einen Seite nahm sie ihre Gemeinderäte in Schutz: "Das Thema ist einfach nur unterschätzt worden, ich bin sicher, dass hier niemand braunes Gedankengut hegt."
Bei der Gemeinderatssitzung am 10. Dezember hatten sie ihre Entscheidung unter anderem mit dem Argument verteidigt, man könne Geschichte nicht nachträglich umschreiben.