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Justiz: Bayerischer Kuhhandel um einen Chefposten

Justiz

Bayerischer Kuhhandel um einen Chefposten

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    Wer soll neuer Generalstaatsanwalt in Nürnberg werden?
    Wer soll neuer Generalstaatsanwalt in Nürnberg werden? Foto: dpa

    Aufruhr in der bayerischen Justiz. Wieder ist ein Chefposten frei. Wieder ist ein verbales Hauen und Stechen in Gang mit allem, was dazugehört: Intrigen, üble Nachreden, Unterstellungen, Verunglimpfungen. Vor zwei Jahren, als die Stelle des Generalstaatsanwalts in Bamberg zu besetzen war, gab es das schon einmal. Damals schrammte die junge CSU/FDP-Koalition in Bayern knapp an einem echten Zerwürfnis vorbei. Man gelobte Besserung. Jetzt geht es um den Chefposten bei der Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg. Und das Hauen und Stechen beginnt von vorn. Aber wer ist der Übeltäter? Die CSU? Die FDP? Oder führende Köpfe im Justizministerium?

    Bayerische Spitzenbeamte sind eine besondere Spezies. Sie haben ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und sind stolz auf ihre parteipolitische Unabhängigkeit. Dass eine überwältigende Mehrheit unter ihnen der CSU nahesteht, darf angenommen werden. Doch bei der Besetzung von Spitzenpositionen spielte das bisher keine erkennbare Rolle. Hier ging es – wer belegbare Gegenbeispiele kennt, bitte melden! – angeblich strikt nach Qualifikation und eben nicht nach Parteibuch.

    In 50 Jahren hat sich ein geschütztes Biotop entwickelt

    Das hatte vor allem zwei Gründe: Erstens war es für die Allgemeinheit von Nutzen, weil auf diese Weise fachlich herausragende Leute auf die Chefposten kamen. Zweitens war es politisch praktikabel, weil die CSU als unangefochten dominierende Partei 50 Jahre lang ihre Macht auch so sichern konnte – ohne bei Polizei und Justiz, in Ministerien und Landesbehörden, bei den Bezirksregierungen und in der allgemeinen Verwaltung gezielt Parteisoldaten in Stellung zu bringen.

    Auf diese Weise entwickelte sich eine Art geschütztes Biotop, das nach Ansicht vieler Beamter im wohltuenden Kontrast steht zu den berühmt-berüchtigten Fällen von Spezl- und Amigowirtschaft in der CSU. Sie betrafen zumeist dubiose Verquickungen von Parteipolitikern mit Unternehmern und Lobbyisten.

    In anderen Bundesländern, wo Regierungen häufiger wechseln, ist es anders. Da kommt es neben der Qualifikation auch auf die Gesinnung an und manchmal geht Gesinnung sogar vor Fachwissen. Kaum gibt es eine neue Regierung, werden reihenweise Spitzenbeamte ausgewechselt und oft für teures Geld in den Ruhestand geschickt.

    Doch auch dafür kann es ehrenwerte Argumente geben nach dem Muster: Die neue Regierung wurde vom Volk gewählt, sie ist deshalb legitimiert, ihren politischen Willen durchzusetzen und das geht eben am besten mit Leuten, auf die man sich (partei-)politisch verlassen kann…

    In der Bundespolitik gibt es ganz offiziell politische Beamte

    CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kommen von anderswo her. Ihr Werkzeugkasten der Macht ist mit jahrzehntelanger Erfahrung aus der Bundespolitik bestückt. Dort sind politische Besetzungen an der Tagesordnung, es gibt sogar ganz offiziell politische Beamte. Und als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, haben Seehofer und Leutheusser zu Beginn ihrer gemeinsamen Regierungszeit in Bayern vereinbart, dass künftig auf Vorschlag des zuständigen Ministers nicht nur das Kabinett entscheidet, sondern, dass der achtköpfige CSU/FDP-Koalitionsausschuss bei der Besetzung von Spitzenpositionen in der Staatsverwaltung das letzte Wort hat. Es entscheidet also ein Gremium, das in der Verfassung gar nicht vorgesehen ist. Das ist ein Bruch mit der Tradition. Was im Übrigen gestern auch der Bayerische Richterbund kritisiert hat. Er forderte eine grundlegende Reform des Besetzungsverfahrens von Generalstaatsanwaltsstellen und höchster Richterämter.

    Unter den Spitzenbeamten der Justiz sorgt das CSU/FDP-Gremium für besonders heftige Erregung. Dort hatte man ein ausgeklügeltes Bewertungssystem entwickelt, um die Kompetentesten nach oben zu bringen. Bei herausgehobenen Positionen geben obendrein leitende Kollegen ein Votum ab. Im Falle eines Generalstaatsanwalts ist dies der Hauptstaatsanwaltsrat.

    Die FDP erhebt zum zweiten Mal Einspruch gegen das Ministerium

    Zum zweiten Mal schon müssen die Staatsanwälte jetzt erleben, dass die FDP gegen ihre Empfehlungen und die Vorschläge des Ministeriums Einspruch erhebt. Die Mitglieder des Gremiums sind zum Schweigen verpflichtet. Drumherum wird aber heftig gezetert nach dem Motto: „Das ist ja wohl ein Witz, dass ausgerechnet die FDP in Bayern die Spezlwirtschaft einführt.“ Bei den Liberalen sorgt dieser Vorwurf für Entrüstung. Es sei doch, heißt es dort, „völlig weltfremd“ zu glauben, dass die Parteizugehörigkeit in den vergangenen 50 Jahren keine Rolle gespielt habe. Man wolle nur für ein ordentliches Verfahren sorgen. „Schauen Sie sich doch den Apparat an – überall Schwarze!“

    Im Hintergrund begleitet wurde die erste und wird jetzt auch die zweite Auseinandersetzung von scharfer, teilweise sogar persönlich verletzender Kritik an den Kandidaten und an beteiligten Politikern. Angebliche Details aus Personalakten machen die Runde. Im Landtag werden Gerüchte über außereheliche Liebesbeziehungen verbreitet. Einem Staatsanwalt und einem Politiker wurde angedichtet, sie seien Mitglied einer Freimaurerloge.

    Seit 26. März knirscht es gewaltig in der Koalition

    Gleichzeitig knirscht es seit dem 26. März gewaltig in der Koalition. An diesem Tag kam im Koalitionsausschuss der Vorschlag auf den Tisch, den Nürnberger Amtsgerichtspräsidenten Hasso Nerlich zum Generalstaatsanwalt zu ernennen. Das interne Verfahren im Justizministerium war abgeschlossen. Der Hauptstaatsanwaltsrat hatte zugestimmt.

    Ministerpräsident Horst Seehofer und FDP-Fraktionschef Thomas Hacker aber intervenierten: Man habe doch vereinbart, dass dieses Mal der Leitende Oberstaatsanwalt Thomas Janovsky aus Bayreuth zum Zuge kommen soll. Er hatte bereits Interesse am Chefposten in Bamberg, musste aber hinter seinem Kollegen Clemens Lückemann aus Würzburg zurückstehen.

    Justizministerin Beate Merk (CSU) äußert sich öffentlich nicht zu dem laufenden Personalverfahren. Aber sie sitzt zwischen allen Fronten. Seehofer soll stocksauer sein, weil es nicht so geschehen ist, wie er es wollte. In der FDP mutmaßt man, das Ministerium habe vollendete Tatsachen schaffen wollen. Aus der Justiz wiederum heißt es, im Ministerium sei von einer früheren Festlegung des Koalitionsausschusses auf Janovsky nichts bekannt gewesen. Der Hauptstaatsanwaltsrat hat sich für den heutigen Montag einen Termin bei Merk geben lassen, um gegen politische Einmischung zu demonstrieren.

    Und alle beteuern, sie wollen nur das Beste für Bayern.

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