Mit einer Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof in München will der Passauer Jurist Ermano Geuer die Neuregelung im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag stoppen. Am 1. Januar 2013 wird die geräteabhängige Rundfunkgebühr durch den neuen Rundfunkbeitrag abgelöst. Dann fallen für Wohnungen und Betriebstätten Rundfunkbeiträge unabhängig davon an, ob dort überhaupt Fernseher, Radios oder internetfähige Computer und Smartphones vorhanden sind.
Der Kläger - ein wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht der Universität Passau - sieht darin eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes der Bayerischen Verfassung. Seiner Ansicht nach handelt es sich um eine ungerechtfertigte Pauschalierung.
Wohnungsabgabe statt Türeklingeln
Zehn Fakten zur ARD
Ausgeschrieben bedeutet ARD: Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland.
Im Moment umfasst die ARD neun Landesrundfunkanstalten, darunter zum Beispiel der Westdeutsche Rundfunk (WDR) oder der Bayerische Rundfunk (BR), und die Auslandsrundfunkanstalt Deutsche Welle.
Die Deutsche Welle ist Teil der auswärtigen Kulturpolitik. Sie soll freiheitlich-demokratische Werte vermitteln und die deutsche Sprache im Ausland fördern. Insgesamt geht es darum, einen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten.
Neben den regionalen Programmen betreibt die ARD auch einige Gemeinschaftsprogramme wie "Das Erste" oder "Einsfestival".
Zusätzlich zu ihren 11 Fernseh- und 55 Hörfunkprogrammen verfügen die Landesrundfunkanstalten der ARD über 16 Orchester und 8 Chöre.
Das Programm der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird über Werbeeinnahmen und über die Rundfunkgebühren finanziert.
Geburtsstunde der ARD war am 9. Juni 1950. "Das Erste" wird seit 25. Dezember 1952 ausgestrahlt. Zwei Jahre später nahm auch die DDR ihren regulären Sendebetrieb auf.
Die "Tagesschau" ist seit 26. Dezember 1952 die Nachrichtensendung der ARD. Sie wird mehrmals täglich im "Ersten" und abends um 20 Uhr zusätzlich in einigen regionalen Programmen ausgestrahlt. Sie ist das älteste noch immer gesendete Nachrichtenmagazin der Deutschlands.
Seit 4. Juni 1961 strahlt "Das Ersten" regelmäßig die "Sportschau" aus. Die Samstagsausgabe präsentiert ausschnittsweise die Spiele der Fußball-Bundesliga, die Sonntagsausgabe berichtet allgemein über das aktuelle Sportgeschehen.
1970 wurde das Konzept für "Die Sendung mit der Maus" entwickelt. Ursprünglich sollte das Kinderprogramm der ARD "Lach- und Sachgeschichten für Fernsehanfänger" heißen. Seit der Erstausstrahlung am 7. März 1971 erfreut sich die Wissenssendung bei Jung und Alt größter Beliebtheit.
Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag war im vergangenen Jahr von den Länderparlamenten verabschiedet worden, nachdem ihn die Ministerpräsidenten der Länder unterzeichnet hatten. Die Popularklage ist eine bayerische Sonderform. Jeder Bürger kann sie einreichen, ohne von dem Sachverhalt unmittelbar betroffen zu sein.
Der Bayerische Landtag, die Staatsregierung und der überwiegend gebührenfinanzierte Bayerische Rundfunk (BR) sind nun vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof zur Stellungnahme aufgefordert worden. Mit einer Entscheidung ist nach Ansicht der Beteiligten nicht vor 2013 zu rechnen (Az.: Vf. 8-VII-12).
Sollte Geuer Recht bekommen, hätte dies zunächst nur Auswirkungen auf den Freistaat, der den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag den Feststellungen des Gerichts entsprechend anpassen müsste. Sicher würde dies aber im Rahmen der geplanten sogenannten Evaluation berücksichtigt, bei der alle Bundesländer den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag noch einmal überprüfen werden. Geuer sagt: "Das würde auf Deutschland ausstrahlen." Die Verfahrensbeteiligten gehen aber davon aus, dass Geuers Klage keine Erfolgsaussichten hat.
Staatskanzleichef Thomas Kreuzer (CSU) betonte, das neue Modell einer Wohnungs- und Betriebsstättenabgabe sei verfassungsgemäß und stelle eine tragfähige und zukunftsfeste Finanzierungsbasis für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar. "Vor Abschluss des Staatsvertrags haben die Länder die Vereinbarkeit des neuen Modells mit der Verfassung intensiv geprüft. Auch der renommierte Verfassungsrechtler Professor Paul Kirchhof kommt in einem Gutachten aus dem Jahr 2010 zu dem Ergebnis, dass gegen die Neuregelung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen", sagte der Medienminister der Nachrichtenagentur dpa. Der Systemwechsel von der gerätebezogenen Gebühr auf die Wohnungsabgabe sei vor allem im Interesse der Bürger. "Mit der Ausfragerei an der Haustür ist künftig Schluss!"
Gema war gestern
Der Landtag hatte bereits im Juli den Klageantrag in einer ersten Stellungnahme als unbegründet eingestuft. Von vielen Seiten sei eine Vereinfachung der Rundfunkbeiträge verlangt worden, Verfassungsverstöße sehe man nicht. Auch der BR teilte mit, er halte die Klage für unbegründet. "Aus Sicht des BR trägt das Verfahren dazu bei, grundlegende Fragen zur Reform der Rundfunkfinanzierung zu klären und Rechtssicherheit zu schaffen. Laut Statistik befinde sich in 97 Prozent der Wohnungen ein Fernseher, in 96 Prozent ein Radio und in 77 Prozent ein PC, Tendenz steigend.
Geuer argumentiert dagegen, vor allem für kleine Betriebe mit vielen Betriebsstätten oder für Unternehmen mit großem Fuhrpark stiegen die Gebühren extrem, weil für jede Betriebsstätte und für jedes Fahrzeug gezahlt werden müsse. Das Rechtsstaatsprinzip sei verletzt, weil die Rundfunkgebühren so zu einer Steuer mutierten: Es handele sich um "Geldleistungen, die der Allgemeinheit auferlegt werden, ohne dass diese dafür eine konkrete Gegenleistung erhält". dpa